Verstärktes Signal und extrem empfindlich – Neue Technik der Kernmagnetischen Resonanz um fünf Größenordnungen empfindlicher. Eine Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
8. Dezember 2021 – Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Exzellenzclusters PRISMA+ der Johannes Gutenberg‐Universität Mainz (JGU) und des Helmholtz‐Instituts Mainz (HIM) hat eine Labor‐Methode zur Suche nach extrem leichten Dunkle Materie Teilchen – sogenannte Axion‐like Particles (ALP) – erfolgreich weiterentwickelt. Prinzipiell nutzen die Forscherinnen und Forscher in ihren Experimenten Techniken der kernmagnetischen Resonanz: Durch einen neuen Aufbau konnten sie nun die Empfindlichkeit um fünf Größenordnungen gegenüber früheren Experimenten steigern, wie sie in der Zeitschrift Nature Physics zeigen.
Noch ist über die genaue Natur der Dunklen Materie wenig bekannt. Als vielversprechende Kandidaten gelten heute extrem leichte bosonische Teilchen, etwa sogenannte Axionen, Axion‐like Particles oder auch Dunkle Photonen. Diese können als klassisches Feld angesehen werden, das mit einer bestimmten Frequenz oszilliert. Wie groß diese Frequenz – und demzufolge die Masse der Teilchen – ist, ist bisher nicht bekannt. Deshalb durchsuchen die Forschenden mit ihren Experimenten systematisch unterschiedliche Frequenzbereiche nach Hinweisen auf Dunkle Materie. „Dabei gibt es noch viel zu tun, denn einen großen Massebereich, der für ALPs in Frage kommt, haben wir noch nicht überprüft“, sagt Prof. Dr. Dmitry Budker, Professor bei PRISMA+ und am HIM, das neben der Universität auch vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt getragen wird. „Dabei setzen wir weiter auf das Prinzip der Kernspinresonanz, also die Tatsache, dass Kernspins auf Magnetfelder reagieren, die mit einer bestimmten Resonanzfrequenz schwingen. Die Stärke dieses Resonanzsignals bestimmen wir mit einem empfindlichen Magnetometer.“
Die Grundannahme der Experimente: Auch ein Dunkle‐Materie‐Feld beeinflusst die Kernspins eines Sensors in dieser Weise. Während sich die Erde durch dieses Feld bewegt, verhalten sich die Kernspins im Sensor genau wie in einem oszillierenden magnetischen Feld. Das Ergebnis ist ein durch Dunkle Materie hervorgerufenes Kernspin‐Signal.
Kombination aus zwei Effekten: Vorverstärktes Signal und empfindlichere Messung
Als Sensor nutzen die Mainzer Wissenschaftler und ihre Kollegen der University of Science and Technology of China (USTC) das Edelgas Xenon, genauer gesagt das Isotop Xenon‐129. Das Magnetometer, welches potentielle Signale misst, basiert auf dem Element Rubidium. Dabei gibt es vor allem zwei Besonderheiten: „Wir bauen das Experiment so auf, dass die Xenon‐Atome ein oszillierendes Feld zunächst verstärken: So würde der Effekt, den ein potentielles ALP Feld auslöst, um einen Faktor 100 größer sein“, beschreibt Co‐Autor Antoine Garcon, Doktorand am HIM. „Zudem befindet sich unser Magnetometer – also die Ausleseeinheit – in der gleichen Zelle wie das Sensorgas Xenon. Der stärkere Kontakt zwischen beiden erhöht neben dem stärkeren Signal zusätzlich die Empfindlichkeit der Messung.“
„Dies ist mehr oder weniger das gleiche Prinzip, das unserem ‚Cosmic Axion Spin Precession Experiment‘‐Forschungsprogramm – kurz CASPEr – zugrunde liegt, einer Zusammenarbeit zwischen PRISMA+ und der Boston University in den USA. Die Details der technischen Umsetzung sind jedoch recht unterschiedlich“, ordnet Dmitry Budker ein.
In der aktuellen Arbeit zeigten die Kooperationspartner zunächst, dass ihre Idee grundsätzlich funktioniert: Sie legen ein schwaches oszillierendes Magnetfeld an, um ein ALP Feld zu simulieren und können damit die vorhergesagten Signale exakt nachweisen. In einem nächsten Schritt bestimmten sie die Empfindlichkeit ihres Versuchsaufbaus: Im Ergebnis ist diese um fünf Größenordnungen besser als bei früheren Experimenten.
Nach erfolgreichem Proof‐of‐Principle starteten die Wissenschaftler erste Messreihen, um nach Dunkler Materie zu suchen. Dabei konnten sie den Massebereich von wenigen Femtoelektronenvolt (feV) bis beinahe 800 feV absuchen. Zwar konnten sie in diesem Bereich bisher kein ALP Signal finden, aber durch die viel höhere Empfindlichkeit ist es gelungen neue und strenge Grenzen im Hinblick auf die Stärke der ALP Wechselwirkung mit normaler Materie zu formulieren. Zudem konnten sie den Suchbereich im Vergleich zu den CASPEr‐Experimenten um eine Größenordnung hin zu höheren Massen erweitern – und so nach dem Ausschlussverfahren den Suchbereich für ALPs noch weiter einschränken. Auch für die Suche nach Dunklen Photonen ‐ den postulierten Botenteilchen der Dunklen Materie – konnte der Aufbau genutzt werden. Und auch hier ist es dem Forscherteam gelungen, entsprechende Grenzen festzusetzen. Durch längere Messzeiten könnte die Empfindlichkeit ihrer Methode noch weiter verbessert werden, beschreiben die Autoren in Nature Physics.
Gleiches Prinzip – unterschiedliches Forschungsprojekt
Einen sehr ähnlichen Versuchsaufbau beschreibt eine weitere kürzlich in Science Advances erschienene Arbeit. Auch hier ist Dmitry Budker beteiligt: „Wir verwenden im Wesentlichen denselben Spin‐Verstärker, allerdings zu einem anderen Zweck. Statt nach dem Dunkle‐Materie‐Feld suchen wir nach einer möglichen exotischen Wechselwirkung zwischen einer Massenquelle und Kernspins – sozusagen einer ‚fünften Kraft‘. Die exotischen Wechselwirkungen würden durch die Existenz ‚neuer‘ Teilchen entstehen, die wiederum eine Verbindung zu Dunkler Materie haben könnten.“ Auf der Suche nach neuer Physik jenseits des Standardmodells bietet die neue Methode jedenfalls spannende neue Ansätze und Perspektiven.
Veröffentlichungen:
Jiang, M., Su, H., Garcon, A. et al. Search for axion‐like dark matter with spin‐based amplifiers, Nat. Phys. (2021), 18. November 2021
DOI: 10.1038/s41567‐021‐01392‐z
https://www.nature.com/articles/s41567‐021‐01392‐z
Su, H., Wang, Y., Jiang, M. et al. Search for exotic spin‐dependent interactions with a spin‐based amplifier, Science Advances (Vol.7, Issue 47), 17. November 2021
DOI: 10.1126/sciadv.abi9535
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abi9535
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