Das erst am 17. Februar 2016 gestartete japanische Weltraumteleskop Astro-H alias Hitomi ist in großen Schwierigkeiten. Nach am 26. März 2016 aufgetretenen Problemen rotiert das Teleskop und stieß Teile ab. Ob die Mission gerettet werden kann, ist fraglich.
Erstellt von Thomas Weyrauch. Quelle: JAXA, JSpOC, Kyodo News
Mit Datum vom 29. Februar 2016 hatte die japanische Agentur für Luft- und Raumfahrtforschung (Japan Aerospace Exploration Agency, JAXA) gemeldet, dass im Rahmen der Inbetriebnahme des Weltraumteleskops Hitomi eine Reihe missionskritischer Operationen an Bord des Raumfahrzeugs erfolgreich abgewickelt wurden und damit die Critical Operation Phase (COP) beendet ist.
Der rund sechs Meter lange Mast der ausfahrbaren optischen Bank (Extensible Optical Bench, EOB) war erfolgreich ausgefahren worden. Mit ausgefahrenem Mast erreichte das Weltraumteleskop mit einer Masse von rund 2,7 Tonnen eine Gesamtlänge von rund 14 Metern.
Das Kühlsystem des Spektrometers für weiche Röntgenstrahlung (Soft X-ray Spectrometer, SXS) wurde am 17. Februar 2016 aktiviert. Am 22. Februar 2016 hatte es ein Temperatur von rund minus 273,1 Grad Celsius bzw. rund 50 Milligrad über dem absoluten Nullpunkt erreicht.
Zuvor hatte das Raumfahrzeug seine beiden Solarzellenausleger ausgefaltet, das Lageregelungssystem hatte für eine stabile Ausrichtung im Raum gesorgt, und eine stabile Kommunikationsverbindung zum Boden war hergestellt worden.
Eben diese Kommunikationsverbindung brach vergangene Woche aus nicht konkret bekannter Ursache ab. Mit Datum vom 27. März 2016 gab die JAXA bekannt, dass eine „Kommunikations-Anomalie“ aufgetreten sei und man nicht in der Lage ist, den Zustand des Satelliten zu ermitteln.
Aktuell geht man bei der JAXA davon aus, dass das Weltraumteleskop am 26. März 2016 seine stabile Ausrichtung im Raum verlor und ihm wegen erheblicher Eigenrotation keine stabile Funkverbindung zur Erde mehr möglich war.
Bahnverfolgungsdaten der US-amerikanischen Weltraumüberwachung sprechen dafür, dass der Orbit von Astro-H abgesenkt wurde. Ursache für die Flughöhenreduzierung von 564,6 × 580,5 km auf 561,0 × 580,1 km ist wahrscheinlich ein bisher nicht verstandenes Ereignis an Bord des Satelliten.
Einige Stunden nach dem Verlust einer stabilen Lage begannen sich verschiedene Teile vom Satelliten abzulösen. Laut JAXA erfuhr das Raumfahrzeug Beschädigungen unbestimmter Art, nachdem es nicht mehr in der Lage war, sich selbst zu stabilisieren.
Das Gemeinschaftliche Zentrum für Raumfahrtaktivitäten des US-amerikanischen Militärs (Joint Space Operations Center, JSpOC) berichtete über den Kurznachrichtendienst Twitter, man gehe nach Analysen eigener Daten davon aus, dass die Ablösung von Teilen vom Weltraumteleskop am 26. März 2016 gegen 1:20 Uhr Weltzeit (UTC) begann.
Am 1. April 2016 waren zehn Astro-H zugeordnete Teile mit eigenen Bahnparametern im Katalog der US-amerikanischen Weltraumüberwachung gelistet.
Die Kyodo News berichteten mit Datum vom 1. April 2016, dass die JAXA von einem Versagen von Ausrüstung an Bord des Teleskops ausgehe und eine Kollision des Teleskops mit Weltraumschrott als Ursache der Schwierigkeiten als unwahrscheinlich betrachte.
Ursache für die missliche Situation könnten ein Versagen des Helium-Behälters, ein Fehler eines Akkumulators zur Stromspeicherung oder ein Treibstoffleck im Antriebssystem sein, heißt es bei den Kyodo News mit Bezug auf Informationen der JAXA. Betankt war Astro-H beim Start mit rund 30 Kilogramm Hydrazin. Das Hydrazin war für die Nutzung durch acht je drei Newton starke Einstoff-Triebwerke gedacht, die es katalytisch zersetzen können. Nicht unmöglich also, dass beispielsweise eines der Triebwerke ein Treibstoffventil hat, das nicht mehr schließt.
Zwischenzeitlich wurden von geeigneten Bodenstadtionen vier Mal Signale empfangen, die sich Astro-H zuordnen lassen. Allerdings war es nicht möglich, den Signalen Informationen über den Zustand des Raumfahrzeugs zu entnehmen.
Sollte sich das Teleskop stabilisieren lassen, und sollte sich das Raumfahrzeug anschließend wenigstens noch teilweise in der beabsichtigten wissenschaftlichen Art und Weise nutzen lassen, wäre das für den Autor eine echte Überraschung. Möglicherweise sind auf Grund der Eigenrotation bereits Bestandteile der wissenschaftlichen Ausrüstung am ausgefahrenen Mast der optischen Bank verloren gegangen.
Astro-H war dafür gedacht, Wissenschaftlern eine neue Durchmusterung des Himmels im Bereich der weichen und harten Röntgen- sowie der weichen Gammastrahlung zu ermöglichen.
Die JAXA hat mitgeteilt, dass eine eventuelle Rettung der Mission eine Angelegenheit von Monaten sein wird. Japanische Ingenieure, Techniker und Wissenschaftler haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie in der Lage sind, lange für angeschlagene Missionen zu kämpfen. Dabei konnten sie bereits bemerkenswerte Erfolge aufweisen. Hoffen wir also auf einen positiven Ausgang!
Astro-H alias Hitomi ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 41.337 und als COSPAR-Objekt 2016-012A.
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum: