Japan startet vierten Spionagesatelliten

Die japanische Weltraumbehörde Jaxa hat am 24. Februar 2007 mit dem zwölften Start einer H-II-A Rakete den Information Gathering Satellite IGS 3b Satelliten gestartet.

Autor: Markus Rösken.

IGS 3b ist der vierte (und vermutlich letzte) Satellit einer Reihe von Spionagesatelliten, die seit 2003 gestartet wurden und Japans Eintritt in eine militärische Nutzung des Weltraums markieren. Auslöser für den Bau waren der nordkoreanische Raketentest einer Taepondeng Rakete über das japanische Festland am 31. August 1998, die nach Nordkoreanischen Angaben angeblich den Satelliten Kwangmyongsong in den Orbit brachte, was aber von westlicher Seite niemals bestätigt wurde, da der Satellit weder auf Radarbildern zu sehen ist, noch dessen Radiosignale empfangen werden konnten. Es wird daher vermutet, dass der Start entweder missglückte oder dass es sich in Wirklichkeit nur um einen Testflug der Rakete gehandelt hatte.

Was auch immer der Zweck des Starts war, in Japan löste die Rakete Entsetzen aus, da die Ernsthaftigkeit der Nordkoreanische Bedrohung durch den Start deutlich wurde. Am 28. März 2003 brachte daraufhin die H-II-A 5 die ersten Beiden Satelliten der IGS Reihe, IGS 1a und 1b, ins All. Geplant war, vier Satelliten mit zwei Flügen zu transportieren, doch die H-II-A 6 erlitt einen Fehlschlag und musste gesprengt werden, was zum Verlust von IGS 2a und 2b führte.

Start der H-II A -11 im Dezember 2006
(Bild: JAXA)

Die ohnehin sehr eingeschränkten japanischen Startkapazitäten wurden dadurch noch weiter beeinträchtigt, was sich vor allem auf die anstehenden zivilen Projekte auswirkte. Da Japan keine weiträumigen Startareale wie zum Beispiel Baikonur besitzt, sondern seine Weltraumbahnhöfe im Süden des Landes auf zwei kleinen Inseln unterhält, musste sich das japanische Weltraumprogramm schon früh mit der Fischindustrie arrangieren und hat nur zwei kurze Startfenster von insgesamt drei Monaten im Jahr (Februar bis März und August bis September). Fehlschläge oder abgebrochene Starts verzögern dadurch alle anderen anstehenden Projekte, da unter Umständen Monatelang auf einen neuen Termin gewartet werden muss. Der Erdbeobachtungssatellit ALOS und der Experimentiersatellit ETS-VIII konnten erst Jahre später als ursprünglich geplant gestartet werden. Aus dem Fehlschlag der H-II-A 6 Mission zog man den Schluss, aus Sicherheitsgründen nur noch einen Satellit pro Rakete zu starten, was einerseits die Kosten zwar erhöhte, andererseits aber das Verlustrisiko minimierte.

Der IGS 3a Satellit (der Ersatz für den verloren gegangenen IGS 2a) wurde am 11. September 2006 mit H-IIA-10 gestartet und im Februar dieses Jahres nun eben IGS 3b, womit die Serie wahrscheinlich komplett ist. Die Internetseite der Jaxa hält sich über genauere Daten zu dem Satelliten bedeckt, und schreibt lediglich, dass er mit einer optischen Kamera und Radar ausgestattet ist.

Politischer Hintergrund
Japan ist seit Kriegsende durch den Artikel 9 der Verfassung an eine nicht-militante Außen- und Innenpolitik gebunden. Diese pazifistische Einstellung wird zwar von großen Teilen der Bevölkerung befürwortet, von Regierungskreisen jedoch oft als hinderlich in der Ausführung ihrer Politik betrachtet und das ein wirtschaftlich und politisch für Ostasien und die Welt so bedeutendes Land wie Japan Schwierigkeiten hat, seine Vormachtstellung ohne militärische Präsenz zu behaupten liegt auf der Hand. Bereits der Koreakrieg in den 1950er Jahren war Auslöser für die Gründung der „Polizeistreitkräfte“, dem Vorgänger der „Selbstverteidigungsstreitkräfte“, einer de-facto Remilitarisierung Japans. Das japanische Militär seit dem zweiten Weltkrieg konnte sich des Artikel 9 wegen niemals zum Titel einer „Streitmacht“ oder „Armee“ bekennen, auch wenn sie es war und ist. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass bis heute die Land-, See- und Luftstreitkräfte auf das Zeichen für Armee („軍“) verzichten. Dennoch nimmt der japanische Militärhaushalt etwa 1% des Bruttoinlandsproduktes ein, was Japan von den Militärausgaben her weltweit auf Rang 6 platziert. Heute, mehr als 60 Jahre nach Kriegsende, lässt sich allerdings ein Wechsel in der öffentlichen Wahrnehmung gegenüber Artikel 9 feststellen. Jedoch ist eine Revision des Artikels 9 durch die hohen verfassungsrechtlichen Hürden bisher nie zustande gekommen.

Dennoch riss die Diskussion um eine offizielle Wiederbewaffnung Japans in der Öffentlichkeit nie ab.
Für das normalerweise wissenschaftlich oder kommerziell ausgerichtete japanische Weltraumprogramm stellt der Start von Spionagesatelliten eine neue Erfahrung dar, die innerhalb der Behörde nicht undiskutiert blieb. Das Weltraumprogramm, das seine Ursprünge in der Universität Tokyo hat, ist von jeher eher intellektuell-links geprägt und hat sich schon früh gegen den militärischen Aspekt der Raumfahrt gestellt, wie er zum Beispiel im kalten Krieg Hochkonjunktur hatte. Mit dem Start des IGS Programms wurde somit mit einem Tabu gebrochen. Diese „weiche“ Remilitarisierung belastet vor allem die außenpolitischen Beziehungen zu China und Nordkorea.

Erdbeobachtungs- und Spionagesatelliten
Im Grunde sind militärische Spionagesatelliten mit den gleichen Instrumenten ausgerüstet wie Erdbeobachtungssatelliten, die zum Katastrophenschutz, dem Ressourcenscreening oder der Wetterbeobachtung eingesetzt werden. An Bord befinden sich hochauflösende optische Messgeräte, die sichtbares und infrarotes Licht messen können und mit optischem Zoom Details auf der Erdoberfläche mit Genauigkeiten bis zu wenigen Zentimetern ausmachen können. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Modellen ist die Häufigkeit der Aufnahmen von ein und der Selben Stelle auf der Erde. Bei Erdbeobachtungssatelliten ist es günstig, langfristige Veränderungen zu sichtbar zu machen. Dazu genügt es, wenn der Satellit in Zyklen von mehreren Tagen oder sogar Wochen Bilder von der gleichen Stelle schießt. Der japanische Erdbeobachtungssatellit Midori 1 hatte in diesem Fall beispielsweise eine Frequenz von 41 Tagen, Midori 2 von 4 Tagen.

Für einen militärischen Spionagesatelliten sind solche Zeiträume allerdings zu groß. Um über den Bau von militärischen Einrichtungen, Truppenverschiebungen oder die überirdische Bereitstellung von Raketen im Bilde zu sein, ist es notwendig zumindest einmal am Tag die selbe Stelle zu überfliegen oder aber einen geostationären Satelliten zu nutzen, der quasi eine permanente Live Übertragung liefert. Um die gesamte Erdoberfläche zumindest einmal täglich fotografieren zu können sind mindestens vier Satelliten notwendig.

Moderne Satelliten sind in der Lage, die Winkel ihrer Kameras zu ändern, so dass dreidimensionale Abbilder entstehen, und man so in der Lage ist Höhenunterschiede auf der Erde sehr exakt zu ermitteln. Außerdem sind sie in der Lage die Höhe ihres Orbits je nach Bedarf zu verändern um einerseits bessere Bildqualität und zweitens eine höhere Umlauffrequenz zu erreichen. In der Anfangszeit der Überwachungssatelliten wurden noch analoge Filme verwendet, die an Fallschirmkapseln wieder zurück auf die Erde fielen. Heute senden die Satelliten digitale Daten an andere Relaissatelliten oder sind direkt mit einer Bodenstation verbunden. Die Bahndaten von Spionagesatelliten werden aus mehreren Gründen geheim gehalten. Zum einen sind nicht alle Satelliten Geostationär, sondern überfliegen die gleiche Stelle auf der Erde nur einmal täglich zu einer bestimmten Uhrzeit. Würden solche Daten bekannt, könnte ein potentieller Feind darauf reagieren. Zweitens hatte man vor allem im kalten Krieg Angst davor, dass aufgedeckte Militärsatelliten Ziele für gegnerische Waffen oder Killersatelliten darstellen können. Aber auch heute kommt die Diskussion über Anti-Satelliten-Raketen wieder in der Öffentlichkeit zu tragen, nicht zuletzt wegen Chinas Abschuss eines eigenen, veralteten Satelliten, Fengyun 1C, am 12. Januar 2007.

Der Kreis der Länder, die Spionagesatelliten besitzen ist relativ klein. Die USA gelten als Spitzenreiter, gefolgt von Russland, Frankreich, Isreal und Japan. China, Indien und Südkorea gelten ebenfalls als potentielle Länder. Vorreiter beim Bau von Spionagesatelliten ist jedoch Amerika. Die frühesten Satelliten der KH-5 Baureihe stammen noch aus den 60er Jahren. Damals waren nur Auflösungen von etwa 30 Metern möglich. Die Auflösung heutiger Satelliten, zum Beispiel aus der Lacrosse Serie, die zwischen 1988 und 2005 gestartet wurde, liegt bereits im Zentimeterbereich und durch schwenkbare Kameras ist es sogar möglich Winkelaufnahmen der Erde zu machen um so ein topographisches 3D Bild der Erde zu errechnen und dies unabhängig von Tageszeit oder Bewölkung. Die Ausrüstung solcher Satelliten wurde in den letzten Jahren immer ausgereifter und besteht aus optischen, infraroten und Radarsensoren, mit denen immer bessere Ergebnisse erzielt werden.

Ohnehin ist auf dem Gebiet der Raumfahrt weltweit ein aufkommendes Wettrüsten zu beobachten, das Amerika, angesichts des drohenden Verlustes seiner Vormachtstellung im Weltall noch anzuheizen droht. Statt konstruktiver Vorschläge zu einer neuen globalen Rechtslage im All (die letzten international geltenden Rechte stammen aus den Jahren 1967 (Weltraumvertrag) bis 1979 (Mondvertrag) und sind weitgehend sinnlos) wird weiterhin von allen Seiten mit dem Säbel gerasselt. Iran gab am 25. Februar den ersten Start einer Trägerrakete bekannt. Zusammen mit seiner unklaren Atompolitik zeichnet dies ein beängstigendes Bild. (siehe Spiegel Artikel).

China probt den Abschuss von eigenen Satelliten und schweigt dazu. Und vor allem die USA setzen in ihrer Weltraumpolitik vermehrt auf eine Militarisierung des Alls. Schon früh wehrten sich die Vereinigten Staaten gegen Kontrollen und Beschränkungen ihrer Weltraumpolitik. In der neuen „Nationalen Weltraumpolitik“ vom Oktober 2006 gehen die USA sogar noch einen Schritt weiter und lehnen künftig alle Rüstungskontrollabkommen ab, die der Bewegungsfreiheit der USA im All schaden könnten. Nationen, die sich nicht amerikanischen Interessen gemäß verhielten, werde der Zugang zum All versperrt:

„The United States considers space capabilites – including the ground and space segements and supporting links – vital to its national interests. Consistent with this policy, the United States will: preserve its rights, capabilities, and freedom of action in space; dissuade or deter others from either impeding those rights or developing capabilities to do so; take actions necessary to protect its space capabilities; respond to interference; and deny, if necessary, adversaries the use of space capabilies hostile to U.S. national interest;

The United States will oppose the development of new legal regimes or other restrictions that seek to prohibit or limit U.S. access to or use of space. Proposed arms control agreements or restrictions must not impair the rights of the United States to conduct research, development, testing, and operations or other activities for U.S. national interest; […]1

Die Öffentlichkeit steht dieser Entwicklung weitgehend rat- und vor allem tatenlos gegenüber. Gab es in den Zeiten des kalten Krieges noch Demonstrationen und gar ganze Bewegungen, die sich gegen das Wettrüsten und für ein friedliches Miteinander einsetzten, so bilden diese heute die Ausnahme. Zu unübersichtlich ist die globale Lage geworden, zu vielschichtig die politischen und wirtschaftlichen Verbindungen, die sich mit der Auflösung des dualen Staatensystems des kalten Krieges nicht mehr in „Ost“ und „West“ einteilen lassen.

Es scheint, als ob ein neues, globales Wettrüsten auf de Erde und im All stattfindet, aber niemand etwas dagegen hat. Dabei ist dieses multilaterale Aufrüsten wesentlich gefährlicher als das damalige Duale. Es darf nicht vergessen werden, dass die Raketentechnik ein Kind des Krieges ist, und trotz der Möglichkeit zur friedlichen Nutzung gleichzeitig noch immer die größte Bedrohung darstellt, auf die es keine Antwort gibt. Im friedlichen wie im militärischen Sinne ist die Raketentechnik ein mächtiges Instrument, das dringend nach einer internationalen Regulierung verlangt. Ein grundsätzliches Problem der Weltraumverträge scheint vor allem die Unvereinbarkeit des Denkens in Staatsgrenzen und des keine-Grenzen-kennenden-Weltraums zu sein.

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