Forschende der Kölner Astrophysik waren am aktuellen Fund beteiligt / Die Existenz dieses Moleküls im All wurde bereits in den 1970er Jahren vorhergesagt und konnte nun erstmals nachgewiesen werden. Eine Presseinformation der Universität zu Köln.
Quelle: Universität zu Köln 27. Juni 2023.
27. Juni 2023 – Das James Webb-Weltraumteleskop hat das Kohlenwasserstoffmolekül CH3+ in einem 1500 Lichtjahre entfernten, neu entstehenden Sonnen- und Planetensystem entdeckt. CH3+ ist ein elementares Kohlenwasserstoffmolekül, das zwar nicht mit dem überall vorkommenden Wasserstoff (H2), dafür aber mit anderen Molekülen reagiert und somit zur Bildung sehr viel komplexerer Moleküle im Weltall beitragen kann.
Seit den 1970er Jahren wird CH3+ im Weltraum vorhergesagt. Nun konnte es anhand seines spektralen „Fingerabdrucks“ im Infrarotbereich auch empirisch nachgewiesen werden. Die Beobachtungen zeigen, dass CH3+ aufgrund der starken UV-Strahlung benachbarter Sonnen im Orionnebel unserer Galaxie entsteht. Auch Beiträge von Kölner Forschenden, insbesondere Labormessungen des spektralen Fingerabdrucks, trugen zu dem Ergebnis bei. Der Fund wurde in der Fachzeitschrift Nature unter dem Titel „Detection of the Methyl Cation Formed by UV Driven Gas-Phase Organic Chemistry“ veröffentlicht.
Diese Entdeckung hat weitreichende Folgen für das Verständnis der Chemie und Entstehung der Moleküle im All. Insbesondere liefert der Fund neue Informationen über Details der Entstehung unseres eigenen Sonnensystems.
Mittels der modernen Astronomie weiß man, dass Moleküle, wie z.B. Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O), in großer Zahl im Weltraum entstehen. Jedes dieser Moleküle hat ein individuelles Spektrum, ähnlich einzigartig wie ein menschlicher Fingerabdruck. Ist der spektroskopische „Fingerabdruck“ eines Moleküls erst einmal im Labor genommen, kann das Molekül auch im Weltraum entdeckt werden – in Regionen wie unserer Milchstraße bis hin zu weit entfernten Galaxien. Diese charakteristischen Fingerabdrücke liegen meistens im Bereich der Radio- bzw. Wärmestrahlung (Infrarotbereich), und können mit entsprechenden Teleskopen beobachtet werden.
Unter den Molekülen spielen Kohlenwasserstoffe (Moleküle bestehend aus Kohlenstoff – C – und Wasserstoff – H) eine besondere Rolle, weil sie unter anderem als Vorläufer von Biomolekülen fungieren können. Biomoleküle sind organische Substanzen, die die Grundlage von Lebewesen formen. CH3+ ist ein elementares Kohlenwasserstoffmolekül und ein Baustein komplexerer Moleküle. Bisher konnte CH3+ im All nicht nachgewiesen werden, weil es aufgrund seines symmetrischen dreieckigen Aufbaus keine Radiostrahlung, sondern nur Infrarotstrahlung aussendet. Ein geeignetes Infrarotteleskop fehlte bisher jedoch.
Der Start des James Webb Space Telescope (JWST), das im Infrarotbereich misst, sowie seine Inbetriebnahme im Sommer 2022 haben diesen Fund und viele weitere Entdeckungen nun ermöglicht. Das JWST gilt als Nachfolger des ebenso bahnbrechenden Hubble Weltraumteleskops. Die Beobachtungsschärfe und die hohe Empfindlichkeit des neuen Teleskops, insbesondere bei langen Wellenlängen, eröffnen neue, einmalige Beobachtungsmöglichkeiten.
Verschiedene Gruppen am Kölner Institut für Astrophysik haben zum aktuellen Forschungsergebnis beigetragen, auch durch den Bau einiger JWST-Spektrometer-komponenten (AG Professor Dr. Andreas Eckart). Ein anderes Team, die Kölner Submillimeter-Astrophysik Gruppe, untersucht seit langem die Physik und Chemie des Orionnebels. Die Beobachtungen mit dem JWST wurden von Privatdozent Dr. Markus Röllig und Dr. Yoko Okada mitentworfen und -ausgewertet.
Experimente der Laborastrophysikgruppe (AG Professor Dr. Stephan Schlemmer) machten es möglich, CH3+ zu identifizieren. Die Gruppe beschäftigt sich mit Molekülspektroskopie, bei der sie die spektralen Fingerabdrücke der Moleküle im Labor im Radio- und Infrarotbereich misst, ohne die eine Identifizierung im Weltall nicht möglich wäre. Das CH3+ Molekül wurde schon 2018 unter der Leitung von Professor Schlemmer und Privatdozent Dr. Oskar Asvany in einer sogenannten kalten Ionenfalle untersucht. Dazu wurden im Experiment einige Tausend CH3+ Ionen festgehalten und mit einem Infrarotlaser bestrahlt. So konnte die genaue spektrale Position der infraroten Fingerabdrücke dieses Moleküls bestimmt werden, die das JWST nun beobachtet hat. Oskar Asvany: „Es ist schön zu sehen, dass die vor fünf Jahren gewonnenen Daten zu CH3+, die bisher eher ein Nischendasein führten, durch die JWST-Daten so bedeutend geworden sind.“ Stephan Schlemmer fügt hinzu: „Das ermutigt uns und andere Gruppen weltweit, dieses besondere Molekül in Zukunft noch genauer zu untersuchen.“
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum: