Jahreszeiten auf Triton

Im Jahr 2009 durchgeführte Untersuchungen der extrem dünnen Atmosphäre des größten Neptun-Mondes haben gezeigt, dass diese Atmosphäre jahreszeitlich bedingten Veränderungen unterworfen ist. Zudem konnten dabei auch erstmals Methan und Kohlenmonoxid als Bestandteile der Triton-Atmosphäre direkt durch erdgestützte Teleskope nachgewiesen werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, Astronomy & Astrophysics, Wikipedia. Vertont von Peter Rittinger.

NASA, JPL, USGS
Ein Bild des Neptunmondes Triton, aufgenommen durch die Raumsonde Voyager 2 im August 1989.
(Bild: NASA, JPL, USGS)

Triton, der größte Mond des Planeten Neptun, wurde am 10. Oktober 1846 durch den britischen Astronomen William Lassell entdeckt, lediglich 17 Tage nach der Entdeckung Neptuns durch Johann Gottfried Galle. Mit einem Durchmesser von 2.707 Kilometern ist er der mit Abstand größte Mond des Neptun und der siebtgrößte Mond innerhalb unseres Sonnensystems. Triton umrundet Neptun in einer mittleren Entfernung von 354.760 Kilometern in rund fünf Tagen und 21 Stunden auf einer fast kreisförmigen Umlaufbahn. Im Gegensatz zu den meisten anderen Monden des Sonnensystems umläuft er seinen Planeten dabei auf einem retrograden, also rückläufigen Orbit. Dieser ungewöhnliche Orbitverlauf sowie der Nachweis einer geologischen Aktivität in Form von Kryovulkanismus hat zu einem verstärkten Interesse der Astronomen an einer ausführlichen Untersuchung des Mondes geführt.

Bisher wurde der äußerste Planet unseres Sonnensystems, der Neptun, allerdings nur ein einziges Mal von einer Raumsonde besucht. Bei diesem Vorbeiflug, welcher im August 1989 erfolgte, konnte die Sonde Voyager 2 eine dünne Atmosphäre um den größten der insgesamt 13 bislang bekannten Neptunmonde nachweisen. Die damals gesammelten Daten zeigten, dass sich die Atmosphäre des Mondes zum überwiegenden Teil aus Stickstoff zusammensetzt. Auch Spuren von Methan konnten bei diesen Analysen nachgewiesen werden. Der gemessene Atmosphärendruck betrug rund 14 Mikrobar, was in etwa einem 70.000-stel des Luftdrucks der irdischen Atmosphäre in Meereshöhe entspricht. Temperaturmessungen ergaben zudem, dass die Oberflächentemperatur im Durchschnitt lediglich minus 238 Grad Celsius (38 Kelvin) beträgt.

Nach dem Vorbeiflug von Voyager 2 konnten weitere Daten über Triton aufgrund von dessen großer Entfernung zur Erde, Neptun und Triton sind etwa 30-mal weiter von der Sonne entfernt als unser Planet, nur sehr schwer gesammelt werden. Lediglich bei den sehr selten erfolgenden Bedeckungen eines Sterns durch den Mond konnte man genauere Analysen der Mondatmosphäre durchführen. Bei einer Sternbedeckung, auch Okkultation genannt, zieht ein Objekt unseres Sonnensystems vor einem entfernten Stern vorbei und dunkelt diesen dabei ab. Im Falle von Triton läuft das Sternlicht dabei jeweils zu Beginn und Ende der Bedeckung durch dessen Atmosphäre, so dass diese praktisch „durchleuchtet“ und so für direkte Analysen zugänglich wird.

Bereits bei diesen sich selten ergebenden Gelegenheiten fand man in den 1990er Jahren Hinweise darauf, dass die Atmosphäre des Mondes im Verlauf der Jahre anscheinend dichter wurde. Aber erst mittels eines neu entwickelten Infrarotspektrografen am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile, dem Cryogenic High-Resolution Infrared Echelle Spectrograph (CRIRES), sind nun dauerhafte und detailreiche Beobachtungen von Triton möglich. „Ohne die Empfindlichkeit und das Leistungsvermögen von CRIRES hätten wir die hochaufgelösten Spektren nicht erhalten können, die nötig sind, um die dünne Atmosphäre zu analysieren“, so der Astronom Hans-Ulrich Käufl von der ESO.

NASA, JPL
Dieses Bild der Südpolregion von Triton zeigt etwa 50 dunkel Streifen, welche jeweils mehrere Kilometer breit und bis zu über 150 Kilometer lang sind. Hierbei handelt es sich um das Auswurfmaterial von sogenannten Kryovulkanen.
(Bild: NASA, JPL)

Im Jahr 2000 durchlief Neptun in seinem fast 165 Jahre dauernden Umlauf um die Sonne die südliche Sommersonnenwende. Trotz einer nahezu kreisförmigen Umlaufbahn des Planeten mit einer Exzentrizität von lediglich 0,0113 und einer Neigung der Bahnebene gegen die Ekliptik von 1,769 Grad bedeutet dies, dass die Südhemisphäre des Neptun gegenwärtig mehr Sonnenlicht empfängt und sich somit auch stärker aufheizt als die Nordhemisphäre. Bedingt durch seine besondere Umlaufbahn tritt ein ähnlicher Effekt auch bei Triton auf. Tritons Rotationsachse ist um 157 Grad gegenüber der Rotationsachse des Neptun geneigt, welche wiederum um 30 Grad gegenüber der Umlaufbahn des Planeten um die Sonne geneigt ist. Dies hat zur Folge, dass Triton während Neptuns Umlauf um die Sonne einmal seinen Nordpol und einmal seinen Südpol für einen Zeitraum von 40 Jahren direkt der Sonne zuwendet. Und gerade jetzt wird dabei der Südpol des Mondes direkt vom Sonnenlicht beleuchtet.

Diese Gelegenheit nutzte ein Wissenschaftlerteam um Emmanuel Lellouch vom Observatoire de Paris, um am 4. Juli 2009 die durch Temperaturunterschiede hervorgerufene Interaktion zwischen Mondoberfläche und Atmosphäre sowie eventuelle jahreszeitlichen Effekte mit dem CRIRES-Infrarotspektrografen des VLT zu untersuchen. Im Verlauf dieser etwa vier Stunden dauernden Beobachtung gelang es erstmals, mit einem erdgebundenen Teleskop hoch aufgelöste Infrarotspektren von Triton aufzunehmen. Die dabei gewonnenen Daten zeigen, dass sich die Tritonatmosphäre seit dem Vorbeiflug von Voyager 2 deutlich verändert hat. Emmanuel Lellouch und seine Kollegen stellten fest, dass der Atmosphärendruck auf der Tritonoberfläche derzeit auf einen Wert zwischen 40 und 65 Mikrobar angestiegen ist und somit bis zu viermal höher ausfällt als noch im Jahr 1989, als auf dem Mond gerade Frühling herrschte. „Wir haben deutliche Hinweise darauf gefunden, dass der Einfluss der Sonne sich auf Triton noch deutlich bemerkbar macht – und das trotz der großen Entfernung zwischen den beiden Himmelskörpern“, so Emmanuel Lellouch. „Auf diesem Eismond gibt es damit Jahreszeiten ähnlich wie auf der Erde, allerdings mit dem Unterschied, dass sie sich viel länger hinziehen.“

Die gemessene Veränderung liegt darin begründet, dass ein Teil des zuvor am Südpol ausgefrorenen Stickstoffs durch die mittlerweile erfolgte Erwärmung in die Atmosphäre sublimiert ist und dadurch bedingt der Atmosphärendruck erhöht wurde. Neben dem deutlich erhöhten Druck der Tritonatmosphäre stellten die Wissenschaftler zudem erstmals fest, dass diese nun auch Kohlenmonoxid enthält. Die Messdaten von Voyager 2 hatten bereits gezeigt, dass Kohlenmonoxid-Eis auf der Mondoberfläche vorhanden ist. Aufgrund der gestiegenen Temperaturen ist aber auch dieses jetzt teilweise in die Atmosphäre sublimiert. Zudem fanden sich im Atmosphärenspektrum Spuren von Methan, welches als Treibhausgas die Temperaturen in der Tritonatmosphäre vermutlich weiter beeinflussen und die stattfindenden Prozesse verstärken dürfte. Bei diesen Messungen handelte es sich um den ersten Nachweis von Methan in der Tritonatmosphäre seit dem Vorbeiflug von Voyager 2. Zudem zeigte sich bei der Auswertung der Messergebnisse, dass der Methan-Anteil jetzt ebenfalls um den Faktor vier angestiegen ist und somit ebenfalls deutlich höher ausfällt als noch im Jahr 1989.

NASA, JPL, USRA, LPI
Die Mondoberfläche erscheint sehr vernarbt und ist von Gräben, Störungslinien und dem Auswurfmaterial der Kryovulkane überzogen. Der in dieser Mosaikaufnahme dargestellte Bereich ist etwa 500 Kilometer breit.
(Bild: NASA, JPL, USRA, LPI)

Ein vergleichbarer Prozess ist uns übrigens auch vom äußeren Nachbarplaneten der Erde, dem Mars, bekannt. Auch hier resublimiert ein Gas, nämlich das in der Atmosphäre enthaltene Kohlendioxid, im Verlauf der dortigen Winter infolge der absinkenden Temperaturen teilweise an den Marspolen und sublimiert mit wieder steigenden Temperaturen im darauffolgenden Frühling und Sommer. Und auch hier führt dieser Prozess dazu, dass sich der Atmosphärendruck auf der Planetenoberfläche im Wandel der marsianischen Jahreszeiten verändert.

Den Wissenschaftlern gelang zudem der Nachweis, dass sich in der obersten Eisschicht von Triton etwa zehnmal mehr Kohlenmonoxid konzentriert als in den tieferen Schichten. Diese kohlenmonoxidreiche Schicht bildet dabei sehr wahrscheinlich auch die Quelle für die dünne Mondatmosphäre. Die neu gewonnenen Messdaten bedeuten, dass die bisher existierenden Theorien über Tritons Atmosphäre einer gründlichen Überarbeitung bedürfen. „Nachdem wir dort Kohlenmonoxid gefunden und den Methangehalt neu bestimmt haben, müssen Tritons Klima- und Atmosphärenmodelle neu berechnet werden“, so Catherine de Bergh vom Observatoire de Paris, welche ebenfalls dem Wissenschaftlerteam um Emmanuel Lellouch angehört.

Triton kann zudem auch als eine Art Testobjekt für die größeren Objekte des Kuipergürtels angesehen werden, welche ebenfalls von dünnen Atmosphären aus Stickstoff umgeben sind. Bei Triton wird schon seit langem vermutet, dass es sich hier um ein ehemaliges Kuipergürtelobjekt handelt, welches in der Frühzeit unseres Sonnensystems durch die Gravitationseinwirkungen von Neptun eingefangen und in eine Umlaufbahn um des Gasplaneten gezwungen wurde. Für diese Vermutung sprechen hauptsächlich zwei Punkte. Mit einem Durchmesser von 2.707 Kilometern ist Triton der größte Planetenmond innerhalb unseres Sonnensystems, welcher seinen Planeten entgegengesetzt zu dessen Rotationsrichtung umkreist. Dies bedeutet, dass er sich ursprünglich nicht in einer den Neptun umkreisenden Scheibe gebildet haben kann. Zudem ist seine Umlaufbahn um 157 Grad gegenüber der Äquatorebene des Neptun geneigt. Damit muss Triton trotz seiner Größe und Masse zu den irregulären Monden gezählt werden. Reguläre Monde umkreisen ihre Mutterplaneten dagegen in einer annähernd kreisförmigen und äquatornahen Umlaufbahn in deren Rotationsrichtung. Sollte diese Theorie der Entstehung Tritons zutreffen, so dürfte der Mond eher dem Zwergplaneten Pluto und dessen größtem Mond, Charon, sowie anderen großen Objekten des Kuipergürtels gleichen als den „normalen“ Monden unseres Sonnensystems.

JHUAPL, SwRI
Die Sonde New Horizons wird im Sommer 2015 den Zwergplaneten Pluto und seine Monde untersuchen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass man bei Pluto auf ähnliche Bedingungen wie bei Triton stoßen wird.
(Bild: JHUAPL, SwRI)

Zugleich würde dies bedeuten, dass durch weitere Untersuchungen von Triton bereits jetzt wertvolle Daten gesammelt und interpretiert werden können, welche sich im Jahr 2015 einem „Praxistest“ unterziehen lassen. Am 14. Juli 2015 wird die von der amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Sonde New Horizons den Zwergplaneten Pluto in einer Entfernung von etwa 9.600 Kilometern passieren und in den Wochen zuvor und danach diesen und dessen drei bisher bekannte Monde ausführlich mit verschiedenen Instrumenten untersuchen. Eines der Hauptaugenmerke dieser wissenschaftlich interessanten und technisch überaus anspruchsvollen Mission wird sich auf den dann gegebenen Zustand der Pluto-Atmosphäre und deren Zusammensetzung richten.

Für das Team um Emmanuel Lellouch stellen die aktuellen Beobachtungen dann auch erst den Anfang der Untersuchungen von Triton dar. Dieser äußert sich dazu folgendermaßen: „Wir können nun die Atmosphäre von Triton im Blick behalten und verfolgen, wie sie sich im Verlauf der Jahreszeiten und über die Jahrzehnte verändern wird.“

Keinen Einfluss auf diese Arbeit wird ein zukünftiges Ereignis in der Geschichte von Triton haben. Der Mond umkreist Neptun nämlich innerhalb eines äußerst kritischen Abstandes. Die geringe Entfernung zu seinem Mutterplaneten führt dazu, dass Triton permanent den Gezeitenkräften Neptuns ausgesetzt ist und durch diese Kräfte in seiner Orbitbahn immer weiter abgebremst wird. Die daraus resultierende fortgesetzte Annäherung an Neptun wird in etwa 100 Millionen Jahren, so die Berechnungen der Astronomen, dazu führen, dass Triton die „Roche-Grenze“ in Richtung des Neptun passieren wird. Die dann auf Triton einwirkenden Kräfte werden den Mond schließlich zerreißen und seine Bestandteile zu einem weiteren Ringsystem um den Planeten Neptun zusammenfügen.

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