Teilnehmer des Raumcon-Forums, Moderatoren, Administratoren, Portal-Redakteure, Mitglieder des Vereins Raumfahrer Net e.V. und „ganz normale“ Raumfahrt- und Astronomiebegeisterte trafen sich von Sonntag 26. Mai 2019 bis Samstag 1. Juni 2019 zum jährlichen Raumcon-Treffen in Dachau, um im Großraum München an zahlreichen Exkursionen teilzunehmen, spannenden Vorträgen zu lauschen und sich über aktuelle und historische „Space“-Themen auszutauschen.
Quelle: Raumfahrer Net e.V., ArianeGroup, Airbus Defence and Space, OHB System GmbH, GSOC/DLR, MPE, ESO, Stefan Goth.
Sonntag 26.05.2019 Anreisetag
Das Raumcon-Treffen 2019 startete am 26.05.2019 ab 14:00 Uhr mit dem Check-In in der Jugendherberge Dachau. Zunächst wurden die Zimmer bezogen und der Seminarraum raumfahrttypisch eingerichtet und dekoriert. Kurz nach 17 Uhr wurden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Ilka Meuer, Mitglied im Vorstand des gemeinnützigen Vereins Raumfahrer Net e.V. und Hauptorganisatorin, begrüßt. Sie gab eine Einführung in das Programm und beantwortete alle offenen Fragen.
Das gemeinsame Grillen auf der Terrasse ab ca. 18:00 Uhr wurde zum Kennenlernen des einen oder anderen neuen Gesichts und ersten Fachgesprächen über aktuelle Themen aus Raumfahrt und Astronomie genutzt. Später konnte noch ein ISS-Transit beobachtet werden. Leider gelang es nicht den ersten Satz von 60 Starlink-Satelliten, die ein paar Tage vorher gestartet wurden, zu sichten. Die Frage, ob astronomische Beobachtungen wegen der gerade in Aufbau befindlichen neuen Satellitenkonstellationen, mit in einem Fall bis zu 12.000 zusätzlichen Objekten, erschwert oder gar unmöglich werden, führte zu kontroversen Diskussionen ohne endgültigem Ergebnis.
Montag 27.05.2019 (Ottobrunn/Taufkirchen)
Nach einem reichhaltigen Frühstück fuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am nächsten Tag in Fahrgemeinschaften nach Ottobrunn, genaugenommen nach Taufkirchen, um ab 10:00 Uhr die dortige Niederlassung von ArianeGroup GmbH und Airbus Defence and Space zu besichtigen. Obwohl es sich zwischenzeitlich um zwei getrennte Firmen handelt, befinden sie sich am gleichen Standort und nutzen auch einige Ressourcen gemeinsam.
Der Technologiecampus Ottobrunn, ein Luft- und Raumfahrtstandort, wurde nach dem zweiten Weltkrieg u.a. von Ludwig Bölkow (wieder) aufgebaut. Weniger bekannt ist, dass in der Nähe während des Nationalsozialismus Flugzeug- und Raketenantriebe getestet wurden. Für diese Tests wurden Insassen des Konzentrationslagers Dachau unter lebensgefährlichen, menschenverachtenden Bedingungen eingesetzt.
Empfangen wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Dietrich Häseler, der bei ArianeGroup beschäftigt ist. Geführt wurden wir dann durch Eugen Reichl, Autor zahlreicher Raumfahrtbücher und Mitarbeiter von Airbus Defence and Space.
Zunächst konnten wir das Mission Control Center für die europäischen ERDS-Satelliten (European Relay Data Satellite) besichtigen. Momentan befindet sich ERDS A als „hosted payload“ an Bord eines Eutelsat-Satelliten im geostationären Orbit. Diese Nutzlast wird von Ottobrunn aus kommandiert und überwacht. Hier wird als „Service“ der SpaceDataHighway zwischen LEO-Satelliten, ERDS-Satelliten und Bodenstation betrieben. Es wird als Übertragungstechnik Laserkommunikation verwendet. ERDS A verfügt über ein LCT (Laser Communication Terminal) und kann Daten von den vier Sentinel-Satelliten 1A, 1B, 2A und 2B, welche ebenfalls über je ein LCT verfügen, empfangen und per Ka-Band an die Bodenstation weiterleiten. Über ein LCT sind bis zu 1,8 Gbps möglich. Seit 2016 wurden über 20.000 Kommunikationsverbindungen hergestellt und rund 1,3 PByte an Daten übertragen. Von hier aus wird auch das Zusammenspiel zwischen Bodenstation, LEO-Satelliten und ERDS-Satelliten koordiniert.
ERDS C wird keine Nutzlast auf einem anderen Satelliten sein, sondern als eigenständiger Satellit im Juli diesen Jahres starten und ebenfalls, wie ERDS A, Europa, Afrika und den nahen Osten abdecken. ERDS B war ursprünglich als weitere „hosted payload“ geplant, wurde dann aber nicht realisiert, so dass diese Benennung ungenutzt bleibt. ERDS D soll bereits mit drei LCT ausgestattet sein und im pazifischen Raum platziert werden. Damit soll auch eine Kommunikation zwischen den ERDS-Satelliten realisiert werden können. Mit weiteren Satelliten will man schließlich eine globale Abdeckung erreichen. Die LCT werden von der Fa. Tesat-Spacecom GmbH & Co. KG geliefert.
Danach wurde die Führung bei Airbus Defence and Space in der Fertigung von Raketen- und Satellitenkomponenten fortgesetzt. Der Standort Ottobrunn ist das ArianeGroup-Kompetenzzentrum für die Entwicklung und Fertigung von Brennkammern für Raumfahrtantriebe von Trägerraketen und Satelliten. Derzeit werden hier die Brennkammer des Vulcain-2-Triebwerks für die Hauptstufe der Ariane 6 und die des Vinci-Triebwerks für deren Oberstufe sowie die Kryogenventile für beide Stufen entwickelt und gebaut.
In der Mittagszeit konnte die Kantine am Standort Ottobrunn besucht werden. Nach der Rückfahrt nach Dachau stand der Nachmittag zur freien Verfügung. Eine kleine Gruppe besuchte die Flugwerft in Schleißheim und nahm, neben den zahlreichen Flugzeugen, die übersichtliche Zahl der Raumfahrtexponate in Augenschein.
Um 18:00 Uhr trafen sich wieder alle in der Jugendherberge Dachau und genossen das Abendessen, anlässlich des wöchentlichen Veggie Day mit Käsespätzle.
Nach 19:45 Uhr folgten zwei Vorträge: Ein Teilnehmer referierte über die „Vinci Upper Stage Engine for Ariane 6“ und ein Teilnehmer berichtete über „Ariane 6 Oberstufe, Upper Liquid Propulsion Module“. Diese Vorträge rundeten den Besuchstag bei ArianeGroup und Airbus thematisch sehr gut ab.
Dienstag 28.05.2019 (Oberpfaffenhofen/Weßling)
Nach dem gemeinsamen Frühstück und der Fahrt nach Oberpfaffenhofen-Weßling begann der Besuchstag beim German Space Operations Center, GSOC des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt). Die Organisationseinheit Missionsbetrieb führt im GSOC die operativen projektgesteuerten Arbeiten im Bereich der astronautischen und unbemannten Raumflugmissionen durch.
Herr Markus Trost ist dort zuständig für die Einrichtungen am Boden, u.a. auch für den technischen Betrieb des Kontrollzentrums zur Steuerung und Überwachung des europäischen Columbus-Moduls an der ISS. Herr Trost stellte die Funktion und den Aufbau des GSOC vor und führte durch das Gebäude. Neben der astronautischen Raumfahrt betreut das GSOC auch Satellitenmissionen, die durch das DLR finanziert werden, z.B. Eu:Cropis. Von der „Brücke“ konnte Einblick in vier verschiedene Kontrollräume, die für unterschiedliche Zwecke genutzt werden, genommen werden. Wegen des unersättlichen Wissensdursts der Besucher wurde kurzer Hand ein zweiter Besuch am Nachmittag vereinbart. Bereits um 11:30 Uhr war die Besichtigung bei der nebenan gelegenen OHB System AG angesetzt. Nach der Begrüßung folgte eine Führung durch das Gebäude mit Elektronikentwicklung, REXUS-/MAXUS-Labor (suborbitale Forschungsraketen) und Blick in den Reinraum. Dort wird derzeit u.a. ein Strukturmodell eines der zukünftigen Hauptinstrumente der Meteosat Third Generation (MTG) montiert.
Nach der Führung wurden wir in die Kantine von OHB zum Essen geladen. Danach folgte eine Präsentation zu den Meteosat Third Generation, MTG-Satelliten. Diese werden derzeit von OHB und Thales Alenia Space als Prime-Kontraktoren und zahlreichen Subkontraktoren entwickelt und gebaut. Die neue Wettersatellitenkonstellation für den geostationären Orbit, die von Eumetsat (European Meteorological Satellite Organisation) betrieben werden wird, soll aus vier MTG-I (Imager) und zwei MTG-S (Sounder) Satelliten bestehen. Die „Imager“ werden die Arbeit der vorhergehenden beiden Generationen fortführen und das Wettergeschehen im optischen Bereich, allerdings in deutlich höherer Qualität, abbilden. Die sog. „Sounder“ hingegen setzen neue hochauflösende Spektrometer ein, die es ermöglichen sollen die Verteilung der Feuchtigkeit in der Atmosphäre dreidimensional zu erfassen.
Neben den Satelliten-Bussen werden bei OHB auch ein Teil der wissenschaftlichen Instrumente entwickelt und gebaut. Nach heutigem Stand soll 2021 der erste MTG-I mit einer Ariane 5 gestartet werden. Der erste MTG-S soll 2022 folgen. Generell sind die Satelliten dafür ausgelegt mit Ariane oder mit Falcon 9 zu starten.
Die zweite Präsentation befasste sich mit der ESA-Forschungsmission Plato (PLAnetary Transits and Oscillations of stars). Es ist die dritte Mission der M-Klasse im Rahmen des Programms Cosmic Vision der ESA. Auch hier ist OHB als Prime-Kontraktor zusammen mit Thales Alenia Space für Entwicklung und Bau der Sonde, die am Lagrange Punkt 2 des Sonne-Erde-Systems stationiert werden soll, verantwortlich. Gestartet soll 2026 werden, um dann nach extrasolaren Planeten zu suchen, sowie diese und ihre Sonnen zu untersuchen. Wobei erdähnliche Planeten in der habitablen Zone von besonderem Interesse sind. Der Raumflugkörper wird dafür mit einem Array von 26 Teleskopen ausgestattet.
Nachdem am Morgen beim DLR die Zeit für alle Fragen zu knapp war, nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die räumliche Nähe für einen zweiten Besuch im GSOC. Dort stand mit dem Leiter der Missionskontrolle ein weiterer kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung, so dass keine noch so detaillierte und „verbohrte“ Frage unbeantwortet blieb.
Nach der Fahrt zurück und dem Abendessen in der Jugendherberge klang der Tag mit Diskussionen, einer Raumfahrt-Dokumentation und einem -Film aus.
Mittwoch 29.05.2019 (Garching)
Am Morgen ging es nach dem Frühstück in der Jugendherberge Dachau nach Garching zum Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE). Wegen einer Baustelle für eine Erweiterung des Max-Planck-Instituts für Physik gab es am Anfang bezüglich des Zugangs etwas Verwirrung. Aber eine freundliche Dame vom Max-Planck-Institut für Astrophysik zeigte uns den Weg durch das Gebäude zur richtigen Anlaufstelle. Dort wurden wir durch Frau Hannelore Hämmerle begrüßt. Sie hielt einen spannenden Einführungsvortrag über die Arbeit des MPE. Das MPE ist der experimentellen und theoretischen Erforschung des Raumes außerhalb der Erde und astrophysikalischer Phänomene gewidmet. Wobei die experimentelle Forschung im Vordergrund steht. Im Gegensatz dazu befasst sich das Institut für Astrophysik mehr mit den theoretischen Grundlagen und entsprechenden rechnergestützten Simulationen.
Danach folge Herr Bogensberger, der einen Einblick in die Röntgenastronomie gab. Das MPE war maßgeblich an der ROSAT-Mission beteiligt, welche als erste den gesamten Himmel im Bereich der Röntgenstrahlung abgetastet hat.
Derzeit wird intensiv an einem Nachfolger, eROSITA genannt, gearbeitet. Es wird vom DLR finanziert und das MPE ist das führende wissenschaftliche Institut, welches das Projektmanagement trägt. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit anderen deutschen Instituten und dem IKI (Instituts für Weltraumforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften) in Moskau. Die Teleskopstruktur und die Röntgenkameras werden vom MPE entwickelt. Zusammen mit dem russischen Teleskop ART-XC soll eROSITA auf dem russischen Satelliten Spektrum-Röntgen-Gamma (Spektr-RG / SRG) voraussichtlich am 21.06.2019 mit einer Proton-M von Baikonur starten.
eROSITA soll über einen Zeitraum von vier Jahren den kompletten Himmel acht mal komplett abscannen. Es wird mit einer 20fach höheren Empfindlichkeit als bei ROSAT gerechnet.
Danach folgte eine Präsentation von Sebastiano von Fellenberg. Er berichtete über seine Forschungsarbeit, welche sich mit Infrarot-Beobachtung der Region um das supermassive Schwarze Loch (ca. 4 Millionen Sonnenmassen) im Zentrum unserer Milchstraße befasst. Dabei genießt ein junger Stern, S2 genannt, der auf seiner 16jährigen Umlaufbahn um das schwarze Loch diesem am nächsten kommt, größere Aufmerksamkeit. Auf seiner Bahn erreicht er bis zu 3% der Lichtgeschwindigkeit. Durch die Beobachtung von S2 konnte u.a. auch die allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein erneut bestätigt werden.
An Hand einer Animation aus den aufgezeichneten Daten wurde auch gezeigt, dass das Schwarze Loch, genauer seine direkte Umgebung außerhalb des Schwarzschild-Radius, immer wieder im infraroten Licht stark aufleuchtet. Diese sog. Flares werden auf das Aufleuchten von Gas und Staub, welches kurz vor dem Verschlingen durch das Schwarze Loch, stark aufgeheizt wird, zurückgeführt.
Zum Abschluss des Besuchs beim MPE beantwortete Frau Hämmerle noch alle aufkommenden Fragen.
Die Mittagspause verbrachten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Gelände des Forschungs- und Hochschulcampus Garching.
Ab 14:00 Uhr wurde dann das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) besucht. Das Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ist das Hochschulrechenzentrum für die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), die Technische Universität München (TUM) und die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Auch die Hochschule für angewandte Wissenschaften München (HM) und die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf sowie zahlreiche weitere Wissenschaftsinstitutionen, die Bayerische Staatsbibliothek und der Bibliotheksverbund Bayern nutzen Leistungen des LRZ. Zusätzlich betreibt das LRZ Hochleistungsrechensysteme für alle bayerischen Hochschulen sowie einen nationalen Höchstleistungsrechner, der zu den leistungsfähigsten Rechnern in Europa zählt und allen öffentlichen deutschen Forschungseinrichtungen zur Verfügung steht.
Die generelle Einführung und die Vorstellung des Zentrums für virtuelle Realität und Visualisierung (V2C) übernahm Herr Rainer Oesmann vom LRZ. Dabei wurden Beispiele der Anwendung des SuperMuc-(NG) Hochleistungsrechensystems und der Visualisierung gezeigt, u.a. die Simulation der Magmaströme im Erdinneren und die Kontinentalbewegungen der letzten 200 Millionen Jahre als 3D-Animation. Danach hatten die Interessierten Gelegenheit sich in der sog. CAVE virtuell durch den Kaisersaal der Neuen Residenz Bamberg zu bewegen. Die CAVE ist ein würfelförmiger Raum bei dem auf drei Wände, Boden und Decke projiziert werden kann.
Herr Oesmann erläuterte die Geschichte und Funktion des LRZ und die grundsätzliche Projektkonzeption für die Anschaffung und den Betrieb eines Höchstleistungsrechners. Demnach wird ein neuer Hochleistungsrechner als Projekt für einen üblicherweise sechsjährigen Betrieb ausgeschrieben, allerdings in zwei Phasen installiert. Die ca. drei Jahre zwischen den beiden Phasen sorgen dafür, dass die in der zweiten Phase aufgestellten Racks deutlich weniger Flächenbedarf, bei gleichzeitig deutlich höherer Leistungsfähigkeit aufweisen.
Das LRZ versucht den Strombedarf der Superrechner durch Warm-Wasserkühlung zu minimieren. Das Wasser wird durch die Abwärme der Rechner von ca. 40°C auf 60°C aufgeheizt. Man nutzt diese Wärme zur Gebäudeheizung und zum Betrieb von Absorptionswärmepumpen, welche Kühlwasser für andere Anwendungen erzeugen. Überschüssige Wärme kann bei diesem Temperaturniveau über Kühler (ohne Kältemaschine) an die Umwelt abgegeben werden.
Donnerstag 30.09.2019
Für Donnerstag (Christi Himmelfahrt) war keine größere Raumfahrt-Exkursion eingeplant. Statt dessen stand der Tag eher im Zeichen von Erholung und Einkehr. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten den Vormittag für einen Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau.
Am späteren Nachmittag referierte dann Steve Münker sehr ausführlich und eingehend über die Mission „Hayabusa 2“ der japanischen Raumfahrtbehörde Jaxa zum Asteroiden Ryugu. Die bisherigen Missionserfolge waren so umfangreich, dass der Vortrag nicht komplett abgeschlossen werden konnte. Statt dessen musste er zum Einbruch der Dunkelheit abgebrochen werden, denn ein besonderer Programmpunkt war für diesen Abend noch vorgesehen, nämlich Lagerfeuer mit Stockbrot! Hierzu wurden die mit dieser Sitte teilweise noch nicht so vertrauten extra durch einen neunjährigen Experten verstärkt! Dieser hatte für die für Freitag geplante Exkursion eine offizielle Schulbefreiung erwirkt und war bereits am Abend vorher angereist. Zu später Stunde konnte trotz fast geschlossener Wolkendecke ein ISS-Transit beobachtet werden, was für diesen Tag den würdigen Abschluss bildete.
Freitag 31.05.2019 (Garching)
Nach dem obligatorischen Frühstück und der erneuten Fahrt nach Garching, wurde diesmal am ESO Supernova, dem Planetarium und Besucherzentrum der ESO (Europäische Südsternwarte) geparkt. Im dortigen Foyer wurden wir von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Astrophysik empfangen, der früher als Student und Doktorand bei der ESO gearbeitet hat und jetzt gelegentlich als Führer bei der ESO tätig ist.
Er führte sowohl in Funktion und Geschichte der Organisation als auch des Hauptquartiers der ESO ein. Es besteht aus unterschiedlich alten Gebäudeteilen, die in kreisförmigen Gebäudestrukturen angeordnet sind. Immer wieder wird in der Architektur auf die Arbeit der ESO referenziert, z.B. entspricht der Durchmesser eines runden, neuen Gebäudes exakt dem Durchmesser des derzeit in Bau befindlichen Extremly Large Teleskop (ELT) von 39 Metern. So kann man sich angesichts der Größe des Gebäudes eine grobe Vorstellung von der Dimension des wissenschaftlichen Instruments, das gerade in Chile entsteht, verschaffen.
Bei der Besichtigung konnte auch ein Blick in den Reinraum der ESO geworfen werden. Dort wird derzeit ein Prototyp eines Spiegelelements des ELT getestet. Der Hauptspiegel des ELT (M1) wird aus 798 sechseckigen aluminiumbeschichteten Spiegelsegmenten bestehen. Insgesamt wird es fünf Spiegelebenen geben, wobei vier davon als aktive Spiegel ihre eigenen Massenverformungen und thermischen Verzerrungen durch diverse Aktuatoren ausgleichen können. Leider verschlechtern sich die optischen Eigenschaften der Aluminiumschicht relativ schnell. Daher geht man davon aus, dass im Betrieb täglich (!) mindestens zwei Segmente ausgetauscht werden müssen, um neu bedampft zu werden. Dazu wird es einige Reservesegmente geben, damit der Austausch jeweils während der Tagzeit abgeschlossen werden kann, so dass nachts uneingeschränkt beobachtet werden kann.
Der kleinste Spiegel M5 ist als Teil der adaptiven Optik in der Lage die durch die Atmosphäre erzeugten Verzerrungen auszugleichen. Mehrere Laser erzeugen hierzu in ca. 90 km Höhe in der Atmosphäre einen künstlichen Stern. Dessen über das Spiegelsystem aufgenommenen ungewollten Verzerrungen werden durch gezielte Verformung von M5 mehrere hundert mal pro Sekunde ausgeglichen. Diese Technologie wird bereits bei vielen bestehenden optischen Teleskopen, wie z.B. dem aus vier großen Einzelteleskopen bestehenden Very Large Telescope (VLT) der ESO angewendet.
Nach der Besichtigung des Hauptquartiers der ESO nutzten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Möglichkeiten des Forschungs- und Hochschulcampus Garching für eine kurze Mittagspause.
Danach wurde die große Dauerausstellung im ESO Supernova besichtigt. Darin zeigt eine interaktive astronomische Ausstellung in 13 Themenbereichen „das Leben im Universum“. Auf der Website der Einrichtung wird diese hochinteressante und ansprechende Einrichtung wie folgt beschrieben: „Sie bringt den Besuchern scheinbar weit entfernte und abstrakte Themen näher, indem sie einen Bezug herstellt zwischen den Menschen und dem Universum, der Astronomie im Allgemeinen, dem Leben im Universum und unseren Beobachtungen des Universums mit Hilfe der ESO-Einrichtungen.“
Die durchgängig barrierefreie Ausstellungsfläche schraubt sich in einer Rampenspirale in dem extra dafür entworfenen Gebäude zunächst bis in den 2. Stock, um sich dann im zweiten Gebäudeteil bis ins Untergeschoss hinunterzudrehen.
Zusätzlich gibt es zur Zeit im Erdgeschoss die Sonderausstellung „Laser, Licht, Leben“. Sie gibt Einblicke in die Lasertechnologie von den Anfängen bis heute und beleuchtet visionäre Möglichkeiten ihrer Anwendung, einschließlich ihrer „Nutzung“ in der Science Fiction.
Den Abschluss des Besuchs bildete eine Vorführung im im Gebäude untergebrachten Planetarium, welches den über hundert möglichen Zuschauern auf der größten geneigten Kuppelprojektion in Deutschland, Österreich und Schweiz (als Planetariumsprojektion) auf 14 m Durchmesser eine digitale 360°-Projektion zeigt. Nach einer Live-Einführung in die Himmelsbeobachtung, Astronomie und den Sternenhimmel wurde der „Film“ „Von der Erde zum Universum“ gezeigt.
Nach der Rückfahrt zur Jugendherberge und dem Abendessen konnte Steve Münker seinen Vortrag über Hayabusa 2 abschließen, wobei diese Asteroiden-Mission ja noch andauert und hoffentlich noch viele spannende Erkenntnisse und Ereignisse bereithält.
Ein weiterer Teilnehmer aus dem Kreis des Raumcon-Forums hielt als thematischen Abschluss des Treffens einen Vortrag über „Klimageschichte“. Gerade in Zeiten in denen der menschengemachte Klimawandel praktisch für jeden spürbar wird, kann es für das Verständnis sehr hilfreich sein, über die historische Entwicklung des Klimas der Erde Bescheid zu wissen. Wobei sich der Vortrag im wesentlichen „nur“ auf die letzten rund 50 Millionen Jahre der Erdgeschichte beschränkte. Ursprünglich war es auf der Erde meistens deutlich wärmer als heute, da u.a. der CO2-Gehalt in der Atmosphäre durch Vulkanismus und andere Effekte deutlich höher war als heute. Damit lag auch der Meeresspiegel einige hundert Meter höher und einiges der heutigen Landfläche war überflutet.
Dass wir heute in deutlich „kälteren“ Zeiten leben liegt u.a. an Indien! Allerdings nicht als Land sondern als Sub-Kontinent. Durch die Kontinentalbewegungen ist der ursprünglich eigenständige indische (Sub-)Kontinent vor zig Millionen Jahren mit dem asiatischen Kontinent „zusammengestoßen“ und seit dem türmt sich immer mehr das Himalaya-Gebirge auf. Dieses und andere Hochgebirge (z.B. die Alpen) sind wiederum ein wichtiger Teil des Wasserkreislaufs. Eigentlich sind wesentliche Bestandteile dieser Gebirge nicht wasserlöslich, jedoch durch das aus der Luft im Wasser aufgenommene CO2 entsteht Kohlensäure und damit werden wiederum Bestandteile des Materials ausgewaschen, binden dabei das CO2 und lagern sich insbesondere am Meeresgrund ab. Einen Teil dieses Vorgangs kann man in Tropfsteinhöhlen beobachten, allerdings wird dort der aus dem Gestein gelöster Kalk als sichtbare Tropfsteine wieder abgelagert. Das CO2 welches dauerhaft in Sedimentschichten eingelagert wird, fehlt auf Dauer im Luft-Wasser-Kreislauf und trägt somit auch nicht mehr zum Treibhauseffekt bei.
Deshalb kann man in den letzten 50 Millionen Jahren einen stetig abnehmenden CO2-Gehalt und damit auch sinkende Durchschnittstemperaturen „beobachten“. Dies bedeutet insbesondere, dass die Pole seit dieser Zeit fast durchgängig eisbedeckt sind.
Parallel dazu gibt es jedoch Effekte, die über einige zehn- bis hunderttausend Jahre hinweg größere Schwankungen verursachen, so dass die „bekannten“ Eiszeiten entstanden. Diese zyklischen Veränderungen werden u.a. auch auf Änderungen der Rotationsachse der Erde, Änderungen der Exzentrizität der Umlaufbahn um die Sonne und andere Einflüsse zurückgeführt.
Die letzte Eiszeit endete vor ca. 18.000 Jahren, bis dahin waren auch weite Teile der höheren Breiten z.B. auch weite Teile von Europa mit Eis bedeckt. Die aktuelle Warmzeit müsste nach den üblichen zyklischen Schwankungen ihr Maximum bereits überschritten haben, der gegenteilige Effekt ist jedoch zu beobachten. Eine wesentliche Ursache ist der Einfluss des Menschen. Vor rund 8.000 Jahren begann der Mensch mit Ackerbau, womit bereits eine Erhöhung des CO2-Ausstoßes verbunden war. Der beginnende verstärkte Nass-Reisanbau hat zusätzlich zu einer Erhöhung des Methan-Anteils in der Atmosphäre geführt.
Allerdings, der Anstieg des CO2-Gehalts seit Beginn der Industrialisierung übertrifft dies alles bei weitem.
Zu später Stunde folgte dann ein Brainstorming über die Raumcon-Treffen 2020, 2021 und sogar 2022. Wobei Ziele und Termine erst bekannt gegeben werden, wenn verbindliche Buchungen getätigt wurden.
Danach fanden sich noch genügend Freiwillige um den Seminarraum aufzuräumen und die Raumfahrt-Bilder wieder abzunehmen.
Samstag 01.06.2019 Abreisetag
Am Samstag standen dann nur noch Frühstück, Zimmer räumen und verabschieden auf dem Programm. Abschließend ist insbesondere dem Organisationsteam, allen voran Ilka Meuer, den Gastgebern der Exkursionen, den Vortragenden, der Jugendgästehaus „Max Mannheimer Haus“ in Dachau und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ein (wieder) wunderbar gelungenes und informatives Raumcon-Treffen 2019 zu danken!
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