Während der sichtbaren Erweiterungs- und Wartungsarbeiten, welche im Wesentlichen die Besatzung der Raumfähre Discovery übernahm, hatte die ISS-Stammbesatzung jede Menge eigene Aufgaben zu erfüllen.
Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: NASA.
Am 17. März, knapp zwei Tage nach ihrem Start, näherte sich die Discovery der Internationalen Raumstation. Dabei vollführte sie in festgelegter Entfernung eine Rolle rückwärts, während der die ISS-Crew Fotos von der Unterseite der Raumfähre anfertigte. Diese werden auf der Erde sehr genau ausgewertet. Unter anderem darauf beruht die Entscheidung, ob das Hitzeschild des Shuttles für den Wiedereintritt bereit ist. Diese Bilder wurden von Sandy Magnus und Michael Fincke an Bord der Station gemacht und später zur Erde gefunkt. Die Besuchsvorbereitungen schlossen auch eine spezielle Überprüfung der Luftventilation und weiterer Systeme ein. Zehn Personen an Bord sind für diese eine stärkere Belastung. Täglich werden Luftstromsensoren gecheckt und die CO2-Konzentrationen gemessen.
Der Kopplung schlossen sich die Dichtheitsprüfung, das Öffnen der Luken, eine herzliche Willkommenszeremonie, eine Sicherheitseinweisung und der Austausch der persönlichen Schalensitze in der Sojus-Landekapsel an. Sandy wechselte in die Discovery-Besatzung, während Koichi Wakata zum ersten japanischen Mitglied einer ISS-Stammbesatzung wurde.
Und während die Crew von STS 119 ihre Aufgaben in Angriff nahm, verschiedene Systeme aktivierte und die ersten Warentransporte vornahm, ging der Alltag der Stammbesatzung ebenfalls weiter. Dieser soll im Mittelpunkt dieses Artikels stehen. Über die Mission STS 119 der Raumfähre Discovery haben wir in den Statusreports bereits tagesaktuell und ausführlich informiert.
Berichte der Shuttle-Mission STS 119
Noch am Kopplungstag wurden spektrometrische Daten am Strahlungsmessexperiment Matroschka gesichert. Hier sind in mehreren Schichten verschiedene Strahlungssensoren in einem korpusähnlichen System untergebracht, mit denen man die Belastung eines menschlichen Körpers durch Energie- und Teilchenstrahlung genauer ermitteln und deren Folgen besser abschätzen will. Im russischen Segment wurde vor der Kopplung ein Beschleunigungsmesser des Typs Dakon-M in Betrieb genommen, um die Bewegungen, die bei der Kopplung und dem Verbundflug auf die gesamte Station übertragen werden, aufzuzeichnen. Mit Dakon-M, das Teil des Experiments IZGIB ist, werden vor allem die Auswirkungen von Stößen und Vibrationen auf bewegliche Teile wie Ventilatoren und Stabilisierungskreisel untersucht. Ventilatoren zur Bewegung der Luft arbeiten in der Station dutzendweise im Dauerbetrieb. Abnutzung und Verschmutzung sorgen für Ausfallgefahren und höhere Geräuschentwicklung. Nach dem Ankoppeln der Raumfähre wurde mit Hilfe eines Laptops das WLAN der Station auf das Shuttle erweitert. Ein spezieller Router sorgte für ein kräftiges Signal.
Als am 18. März das Gitterelement S6 aus der Ladebucht der Discovery gehoben, an den Shuttlemanipulator übergeben und nach Positionswechsel wieder vom Canadarm2 übernommen wurde, waren ebenfalls Stationsmitglieder daran beteiligt. Für ein biomedizinisches Experiment (Integrated Immune) zur Untersuchung von Veränderungen des menschlichen Immunsystems wurden am Mittwoch und an den folgenden Tagen jeweils morgens Speichelproben genommen, die das Shuttle zur genaueren Untersuchung auf die Erde mitnahm. Koichi programmierte die Sportgeräte mit seiner persönlichen PCMCIA-Karte und stellte sie damit auf seine Bedürfnisse ein. Jeder der Langzeitflieger muss täglich 2,5 Stunden Sport treiben, damit der Muskelschwund in Grenzen gehalten werden kann.
Außerdem wurde ein 17-stündiger Filtervorgang (Jod) in der Wasserversorgung im US-Segment durchgeführt. Eine anschließende Probenauswertung zeigte, dass das Wasser mikrobiologisch in Ordnung ist. In Swesda wurde nach längerer Messkampagne ein Strahlungsmesssystem abgebaut und in Sarja verstaut. Auch in Kibo wurde ein Mikrogravitationsmessgerät in Betrieb genommen. Experimente werden durch die geringfügigen Bewegungen der Station durch Steuermanöver, die Restatmosphäre, die Bewegungen der Raumfahrer und Vibrationen aktiver Geräte gestört. Deshalb sprechen die Spezialisten nicht von Schwerelosigkeit sondern Mikrogravitation. Kleine Kräfte gibt es immer. Schließlich aktivierte Koichi im japanischen Labor das Experiment DomGene, bei dem Zelllinien von Nieren- bzw. Leberzellen von Amphibien kultiviert werden. Untersuchungsgegenstände sind Zelldifferenzierung und Morphogenetik unter Weltraumbedingungen.
In Kibo wurde ein neues Dosimeter eingebaut, mit dem man die Strahlenbelastung in diesem Teil der Station messen kann. In Destiny wurde die Arbeit des Tiefkühlsystems GLACIER dokumentiert. Im Verlaufe der Woche wurde ein Teil der Einheit gegen eine verbesserte Version ausgetauscht. Aufgrund ihrer geringeren Masse, benötigt man weniger Energie. Außerdem wurden erste Proben eingelagert, die bis –185 °C heruntergekühlt werden können. Diese Proben waren in einer ähnlichen Tiefkühleinheit im Shuttle untergebracht und sind für Experimente bestimmt. Biologische Proben sind bei derart niedrigen Temperaturen inaktiv. Wenn man mit ihnen auf der Station experimentell tätig werden möchte, werden sie in speziellen Bioanlagen (Inkubatoren) aufgetaut.
Koichi und Mike überprüften den Sokol-Anzug des Japaners. Er wird im Notfall und bei der Landung im Sojus-Raumschiff getragen und schützt vor Dekompression, falls die Luft entweicht. Wakata soll aber im Juni mit einer Raumfähre zur Erde zurückkehren und wird seinen Sokol wahrscheinlich nicht benötigen. Abends begann für die Missionsspezialisten der Discovery, Swanson und Arnold, das Campout, bei dem sie im „Vorraum“ der Ausstiegsschleuse Quest Luft mit vermindertem Druck atmen. Dabei wird Stickstoff aus dem Blutkreislauf abgeatmet, der beim bevorstehenden Ausstieg zu körperlichen Schäden führen könnte. In den US-Raumanzügen wird bei Außenbordarbeiten reiner Sauerstoff verwendet. Dies hat Vorteile, wie man sieht aber auch einen Nachteil.
Täglich auf dem Plan der dreiköpfigen ISS-Besatzung standen Statusprüfungen an verschiedenen Lebenserhaltungs, Betriebs- und Forschungssystemen, Wartungs- und Reinigungsarbeiten, medizinische Routinekontrollen, Sport, Sensorkalibrierungen, Datensicherungen, …
Am 19. März absolvierten Swanson und Arnold den ersten Ausstieg der STS-119-Mission. Dabei montierten sie das Gitterelement S6 am Steuerbordende der Gitterstruktur und schlossen es an Energie-, Daten- und Kühlmittelleitungen an. Außerdem wurden Halterungen und Abdeckungen entfernt. Anschließend wurde der 18 Meter lange Stationsmanipulator von der mobilen Plattform auf der Gitterstruktur an die Außenseite des Moduls Unity verlegt. Da der Manipulator über zwei Greifsysteme verfügt, ist dies recht einfach. Die eine „Hand“ greift die Befestigung an Unity, die andere lässt los. Allerdings erfordert dies hohe Präzision, weswegen der computerunterstützte Prozess ruhig und kontrolliert abläuft.
Zur Vorbereitung auf die Rückkehr zur Erde trug Juri Lontschakow die Unterdruckhose Tschibis. Hier wird eine schwerkraftähnliche Belastung für die Beine erzeugt. Während der etwa einstündigen Übungen werden die Körperfunktionen u. a. mittels EKG und Blutdruckmessung überwacht. Am 23. März stieg Juri noch einmal in die luftdichte Spezialhose.
Weitere Aufgaben für die Expedition 18 waren das Ausfüllen von Ernährungsprotokollen, Untersuchungen der Handschuhe der Außenbordarbeiter auf biologische Kontaminationen (Lab on a Chip), das Nehmen von Abstrichproben an den Oberflächen verschiedener Geräte in Swesda und Sarja (Biodegradatsija), die Installation einer neuen Arbeitseinheit der Proteinkristallisationsdiagnoseanlage (PCDF) im ESA-Modul Columbus, Übergabeaktivitäten vor allem zwischen Sandy und Koichi, das Updaten von Notfalldateien auf insgesamt 13 Computern der Station und die Foto-Dokumentation verschiedener Punkte der Erdoberfläche, die aktuell von besonderem Interesse sind. Dazu zählten am Donnerstag der ausgetrocknete Etoscha-Salzsee in Namibia, patagonische Gletscher in Chile sowie große Luftwirbel im Tschad. An den folgenden Tagen wurden auch das Luquillo-Waldgebiet in Puerto Rico, der Vulkan Santa Maria in Guatemala, Addis Abeba in Äthiopien, der Arkenu-Krater in Libyen, Luftwirbel über Algerien, Küstenbereiche im US-Bundesstaat Georgia, der Tenomer-Einschlagskrater in Mauretanien und die Barringer-Einschlagskrater in Arizona (USA) sowie das Kingman-Riff im Nordpazifik unter die Lupe genommen.
Am 20. März wurden die Solarzellenpaneele problemlos ausgefahren. In der Station wurde vielfältiges Stückgut transportiert. Juri beschäftigte sich mit der Messung des elektrischen Potenzials am russischen Segment während die Discovery ihre Triebwerke verwendete. Dazu war im Dezember 2008 eine spezielle Langmuir-Sonde außenbords installiert worden. Routine war die Inspektion der Schockabsorber unter den Sitzen in der Landekapsel von Sojus-TMA 13. Morgens hatten sich zu den Speichelproben im Auftrag der NASA noch Urin- und Blutproben für die RSA gesellt: ein Piks in den Finger und ein Tröpfchen Blut zur Untersuchung der roten Blutkörperchen.
Am folgenden Tag fand der zweite Ausstieg statt. Swanson und Acaba arbeiteten an der Gitterstruktur. Währenddessen kam es zum kurzzeitigen Verlust der Lagekontrolle der Station. Diese war kurz zuvor vom russischen, triebwerksbasierten System an die Drallräder in Z1, einem Gitterelemant auf dem Verbindungsmodul Unity, übergeben worden. Daraufhin wurden erhöhte Umdrehungszahlen der Lageregelunhskreisel festgestellt. Die Steuerung übernahm daraufhin das angekoppelte Space Shuttle. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Betriebsparameter nicht ganz exakt eingestellt waren. Der Programmierer war davon ausgegangen, dass sich die mobile Basis am Arbeitspunkt 4 befand. In Wirklichkeit war sie aber ein paar Meter davon entfernt am Arbeitspunkt 1. Bereits dieser kleine Unterschied bewirkte das fehlerhafte Arbeiten der Lageregelung. Im Prinzip ist an Bord der Station in allen Bereichen höchste Präzision gefragt. Einen Schaden haben aber weder die Station noch die außenbords arbeitenden Astronauten genommen. Sie haben es wahrscheinlich nicht einmal bemerkt.
Juri wechselte eine defekte Erweiterungseinheit im zentralen Computersystem des Servicemoduls Swesda, Koichi korrigierte den Anschluss eines optischen Datenkabels an der PCDF in Columbus. Die europäischen Wissenschaftler auf der Erde hatten auf eine zu geringe Datenrate aufmerksam gemacht. Außerdem wurde an der Wasseraufbereitungsanlage gearbeitet. Nachdem die defekte Destillationseinheit gegen ein mitgebrachtes, baugleiches Ersatzsystem ausgetauscht worden war, wurden verschiedene Tests ohne und später mit Flüssigkeit vorgenommen. Offenbar kann die Anlage nun in Betrieb gehen.
Am Sonntag wurde das Nachfüllen der Stickstofftanks am Modul Quest aus Vorräten der Discovery abgeschlossen. (Das Auffüllen der Sauerstofftanks wurde zwei Tage später beendet.) Juri installierte in Swesda das Telemetriesystem Istotschnik-M, mit dem Daten von anfliegenden Sojus-Raumschiffen empfangen werden können. Es war zuvor mit einem Progress-Transporter zur Station gelangt. Der Stationsmanipulator wurde wieder auf die mobile Basis verlegt. Schließlich wurden noch mehrere Pressekontakte gepflegt.
Am 23. März begann Koichi mit der Einnahme eines speziellen Medikaments, mit dem man dem bisher unvermeidlichen Knochenabbau in der Schwerelosigkeit entgegenwirken will. Die Therapie besteht aus einer Injektion vor dem Flug und der regelmäßigen Einnahme von Tabletten. Anschließend absolvierte Wakata einen Durchgang des neurologischen Experimentes 3D-Space. Dabei wird die These untersucht, dass veränderte visuelle Wahrnehmung auch die Motorik beeinflusst. Das Experiment stammt aus Frankreich und wurde von einem Japaner im amerikanisch basierten Teil der Internationalen Raumstation durchgeführt. 😉
Im Labormodul Destiny wurde ein Schülerexperiment abgeschlossen. Dazu entnahm Mike dem Commercial Generic Bioprocessing Apparatus 5 eine Kassette mit Schmetterlingen und Spinnen. Diese waren mittels Kamera beobachtet worden. Die Daten werten Schüler auf der Erde aus. Juri trug zum Schlafen ein spezielles Shirt, in dem Sensoren untergebracht sind, die praktisch kontaktlos seine Lebensfunktionen überwachen (Sonokard).
Ein besonderes Manöver wurde zum Ausweichen von Weltraumschrott durchgeführt. Man drehte die Station so, dass die Discovery mit der flachen Unterseite voran flog. Dadurch vergrößert sich der Luftwiderstand des gesamten Komplexes. Die Geschwindigkeit sank bei dieser dreistündigen aerodynamischen Abbremsung um 0,26 Meter pro Sekunde, die Flughöhe um 460 Meter. Damit gewinnt man im Verlaufe von Tagen ausreichend Abstand von dem etwa 10 Zentimeter großen Metallteil. Die Bahn war aber auch danach für die bevorstehenden Manöver der Discovery und des Raumschiffs Sojus-TMA 14, das die Ablösung für die Stammbesatzung bringt, geeignet.
Die Aktivitäten vom 24. März sind oben bereits weitgehend dargestellt worden (Integrated Immune, Sonokard, Sauerstoffauffüllung, Erdbeobachtung, Routineaufgaben). Erwähnenswert ist noch eine Telekonferenz mit dem US-Präsidenten Barack Obama und verschiedenen weiteren Persönlichkeiten sowie Pressevertretern. Juri durfte außerdem eine Kondenswasserprobe aus einer Absorberanlage in Swesda entnehmen.
Am Abflugtag drehte sich nahezu alles um die Abkopplung der Discovery. Verschiedene eingefrorene Proben von bereits durchgeführten Experimenten wurden in speziellen doppelwandigen Isolierbeuteln in das Gefriersystem der Discovery transportiert. Auch die Speichelproben der letzten Tage gehörten dazu. Nach der Abschiedszeremonie wurden die Luken geschlossen und nach der Abkopplung der Übergangsadapter PMA 2 enthermetisiert. Auf diese Weise wird Schimmelbildung und ähnlichen biologischen Kontaminationen am effektivsten entgegengewirkt.
Viel Zeit für Beschaulichkeit war auch nach dem Abflug der Discovery nicht, da das nächste Raumschiff bereits im Anflug war. Mittlerweile ist die Expedition 19 an Bord der ISS. Davon aber im näcshsten ISS-Beitrag mehr.
Vorherige ausführliche Meldungen:
- Was so alles anfällt … (28.2.)
- Wartung, Wissenschaft und Ausstiegsvorbereitungen (7.3.)
- Ausstieg, Geburtstag und Besuchsvorbereitungen (17.3.)
Raumcon: