ISS-Aufbauflug 2A.1

Der zweite Flug eines Space Shuttles zur Internationalen Raumstation.

Autor: Michael Schumacher & Paul Blasl

Bezeichnungen: ISS-AF-2A.1 / STS-96
Start: 27. Mai 1999, 10:49 UTC
Ankopplung: 29. Mai 1999, 04:23 UTC
Abkopplung: 3. Juni 1999, 22:39 UTC
Landung: 6. Juni 1999, 06:02 UTC

Unter dem Kommando des Astronauten Kent Rominger flog die Discovery mit einer siebenköpfigen Besatzung als zweites Space Shuttle zur Internationalen Raumstation. Der Pilot war Rick Husband. Die primäre Aufgabe dieser Mission war es Versorgungsgüter für die ersten Langzeitbesatzungen zu der noch unbewohnten ISS zu bringen. Dafür führte die Raumfähre ein Spacehab Doppelmodul als Lagerraum mit.

Die ersten Tage im Orbit
Nach einem relativ ereignislosen Countdown startete die Discovery als erstes Space Shuttle im Jahr 1999 vom Kennedy Space Center in Florida. Zwar verschob man den geplanten Start um sieben Tage, nachdem die Isolierung des externen Tanks während eines Hagelsturms am 8. Mai beschädigt wurde und erst repariert werden musste, aber sonst gab es keine Ereignisse, die den Start verzögert oder gar verhindert hätten.
Neun Minuten nach dem Start am 27. Mai befand sich die Raumfähre mit ihrer Crew schließlich in einer 315 Kilometer hohen Umlaufbahn um die Erde. Wie gewöhnlich, wurden diverse Systeme an Bord überprüft, so begutachteten die Astronautinnen Ellen Ochoa und Julie Payette die Nutzlastbucht der Discovery mittels Kameras, die am Roboterarm des Space Shuttles angebracht sind, und testeten somit auch gleich die Funktionstüchtigkeit des Arms. Die beiden Frauen öffneten außerdem die Luken zum Spacehab-Modul in der Nutzlastbucht. Später wurden einige Frachtstücke vom Mitteldeck der Raumfähre dorthin gebracht, um Platz für die Überprüfung dreier Raumanzüge, die später in der Mission noch gebraucht werden würden, zu schaffen.

v.l.n.r.: Daniel Barry, Kent Rominger, Julie Payette, Ellen Ochoa, Waleri Tokarew, Rick Husband, Tamara Jernigan

Bilder: NASA
Alle Zeiten in UTC

Derweil führte Kent Rominger einige Triebwerkszündungen durch, um die Umlaufbahn des Orbiters an die der Internationalen Raumstation anzupassen.
Während dieser frühen Phase der Mission fiel eine der vier Kameras aus, welche in den Ecken der Nutzlastbucht des Space Shuttles installiert sind. Da aber genug Redundanz zur Verfügung stand, gab es deswegen keine Beeinträchtigung im Laufe der restlichen Mission; alle Vorgänge außerhalb konnten ausreichend von den restlichen verfügbaren Kameras dokumentiert werden.

Ankunft an der Station und der Weltraumspaziergang
Am 29. Mai um 4:23 Uhr morgens dockte Kent Rominger die Discovery nach eigenen Manövern an die ISS an. Währenddessen befanden sich dich beiden Raumfahrzeuge über der russisch-kasachischen Grenze. Nach einigen Dichtheitschecks öffneten die Astronauten die Luke zum Kopplungsadapter PMA-2, an dem sie gerade angelegt hatten. Rominger und Pilot Rick Husband entfernten daraufhin vier Elektronikbauteile aus dem Modul, um für die späteren Transfers zur ISS mehr Platz zu schaffen. Diese kastenförmigen Boxen stellen dem Kopplungsmechanismus des Moduls elektrischen Strom zur Verfügung. Da dieser aber erst im nächsten Jahr beim Anbau des Labormoduls Destiny wieder gebraucht werden würde, verstaute man die vier Boxen bis zur Space Shuttle-Mission STS-101.

Tamara Jernigan hält einen Teil des Frachtarms Strela
(Bild: NASA)

Nachdem Daniel Barry und Tamara Jernigan ihre Ausrüstung überprüft hatten, stiegen die beiden Astronauten am 30. Mai um 2:56 Uhr zum ersten und einzigen Weltraumspaziergang dieser Mission aus. Als erstes brachten sie einen Frachtarm amerikanischer Bauart, genannt Orbital Transfer Device, zur Station. Daraufhin waren Komponenten eines zweiten, russischen Frachtarms namens Strela an der Reihe. Beide waren in der Nutzlastbucht der Discovery auf einem Integrated Cargo Carrier gelagert und wurden durch Barry und Jernigan auf die Außenhaut der Kopplungsadapter angebracht. Während späteren Weltraumausstiegen sollen sie beim Bewegen größerer Lasten helfen.
Im weiteren Verlauf brachten Daniel Barry und Tamara Jernigan zwei mobile Fußhalterungen und drei Werkzeugtaschen an verschiedenen Stellen an der Außenseite der noch jungen Internationalen Raumstation an. Zum Schluss befestigten sie eine Abdeckung über einer Halterung, an der das Modul Unity beim Start während des letzten Aufbauflugs zur ISS in der Nutzlastbucht des Space Shuttles angebracht war, begutachteten lackierte Flächen an den Stationsmodulen und inspizierten eine Antenne an Unity. Dieser Weltraumspaziergang, bei dem die beiden Raumfahrer rund 320 Kilogramm an Fracht zur ISS transportierten und installierten, endete letztlich um 10:51 Uhr nach sieben Stunden und 55 Minuten als Daniel Barry und Tamara Jernigan sich wieder in der Luftschleuse der Discovery befanden. Zu dieser Zeit war dies der zweit längste Weltraumspaziergang, der bis dato durchgeführt worden war. Es war auch der vierte in der Geschichte der Internationalen Raumstation.

Der Besuch des Stationsinneren und die Verladung der Fracht
Am 31. Mai um 1:14 Uhr öffneten Tamara Jernigan und der Kosmonaut Waleri Tokarew die Luke zum Modul Unity; um 2:07 Uhr hatten sie sich schließlich zu Sarja Zugang verschafft. Wie beim letzten Aufbauflug 2A im Dezember 1999, mussten sie in der noch unbewohnten Internationalen Raumstation mehrere Luken, die sich zwischen den einzelnen Sektionen des orbitalen Außenpostens befinden, separat öffnen; von daher rüht auch die lange Zeitspanne zwischen dem erstmaligen Eindringen in Unity und Sarja.

„Lademeisterin“ Ellen Ochoa im Spacehab Modul bei der Arbeit
(Bild: NASA)

In der Station angekommen standen zu allererst kleinere Reparatur- und Wartungsarbeiten auf dem Programm. Julie Payette und Waleri Tokarew tauschten so zum Beispiel im Sarja-Modul 18 Ladekontrollgeräte aus. Sarja besitzt sechs Akkus, deren Kapazität damals leicht gesunken war. Man führte das auf die Kontrollgeräte zurück, wovon jeder Akku je drei Stück davon besitzt – von daher auch insgesamt 18 solcher Geräte, die man schließlich beschloss auszutauschen. Weiters installierten Waleri Tokarew und Daniel Barry gemeinsam Schalldämmstoff am Ventilationssystem Sarjas, um den Lärmpegel innerhalb des Moduls zu verringern, während später Barry mit dem Piloten der Discovery Rick Husband im Modul Unity Reparaturen am frühen S-Band Kommunikationssystem vornahm. Sie tauschten einen Stromverteiler und den Empfänger der Anlage aus, die es der Missionskontrolle in Houston ermöglichte, unter anderem die Systeme Unitys und anderer amerikanischer Module in der frühen Phase des Baus der Station zu überwachen.
Die darauffolgenden drei Tage verbrachte die Besatzung der Discovery damit, Fracht, die in dem Spacehab Modul in der Nutzlastbucht der Raumfähre gestartet worden war, zur Station zu transportieren und dort zu verstauen. Ellen Ochoa war dabei sozusagen der Lademeister der Discovery – sie kontrollierte und protokollierte die Fracht, die das Space Shuttle verließ oder an Bord kam. Ihr Pendant auf der ISS war Julie Payette. Insgesamt wurden knapp 1.620 Kilogramm Fracht, wie Bekleidung, Laptops, Schlafsäcke, aber auch über 300 Liter an Wasser, zur Station transportiert; 18 Frachtstücke, welche zusammen fast 90 Kilogramm wogen, kamen währenddessen auf das Space Shuttle, um zur Erde zurückgebracht zu werden.
Bevor man die Luken zwischen den beiden Raumfahrzeugen wieder Dicht machte, brachte die Besatzung der Discovery Teile eines Systems von Dehnungsmessstreifen innerhalb der Station an, welche den Ingenieuren am Boden helfen würden, die Auswirkungen auf ältere Module durch das Anbringen weiterer in Zukunft genauer zu verfolgen. Ferner reinigte man Luftfilter und überprüfte die Rauchmelder der Station. Mit den Kameras am Roboterarm der Raumfähre begutachteten Ellen Ochoa und Julie Payette außerdem eine weitere Antenne an der Außenseite Unitys.

Die Abreise und Rückkehr zur Erde

Die ISS nach der Abkopplung der Discovery im Juni 2000 – Unity im Bild oben, Sarja unten
(Bild: NASA)

Nachdem die letzten Arbeiten an Bord der Internationalen Raumstation abgeschlossen waren, schloss man am 3. Juni schließlich die Luken innerhalb und zur Station; zu Sarja um 6:40 Uhr, um 7:12 Uhr zum Kopplungsadapter PMA-1 und die letzte Luke zu Unity um 8:44 Uhr morgens. Damit verbrachte die Besatzung der Discovery rund 79 ein halb Stunden in der ISS. Nachdem die Luken dicht waren, zündeten Shuttle-Kommandant Kent Rominger und der Pilot Rick Husband um 9:30 Uhr die Steuerdüsen des Space Shuttles Discovery 17 Mal und brachten damit die ISS und sich selbst in eine leicht elliptische Umlaufbahn mit 396 mal 388 Kilometern Höhe über der Erde.
Nach rund 5 Tagen und 18 Stunden, dockte Pilot Rick Husband die Discovery um 22:39 Uhr vom Kopplungsadapter PMA-2 der Internationalen Raumstation ab. In einer Entfernung von etwa 120 Metern umkreiste die Raumfähre daraufhin die Station zweieinhalb Mal, was der Besatzung ermöglichte das Äußere der ISS eingehend mittels Fotos zu dokumentieren. In der Nacht zum 4. Juni um 0:53 Uhr zündete Rick Husband die Treibwerke der Discovery und flog sie damit endgültig von der Station weg.
Neben den gewöhnlichen Landevorbereitungen in den darauffolgenden Tagen wurde auch ein von Schülern aus der ganzen Welt gebauter Satellit namens STARSHINE, der von der Discovery mit in den Orbit befördert wurde, am 5. Juni ausgesetzt. Die Raumfähre setzte letzten Endes am 6. Juni um 6:02 Uhr auf der Landebahn des Kennedy Space Centers in Florida auf. Es war die 11. Nachtlandung eines Space Shuttles.

Verwandte Artikel:

Nach oben scrollen