Der erste Flug eines Space Shuttles zur Internationalen Raumstation
Autor: Michael Schumacher & Paul Blasl
Unter dem Kommando des Astronauten Robert Cabana flog die Endeavour mit einer sechsköpfigen Besatzung als erstes Space Shuttle zur Internationalen Raumstation. Der Pilot war Frederick Sturckow. Die Aufgabe dieser Mission war es das Modul Unity und zwei Pressurized Mating Adapter, Kopplungsadapter, zur Station zu bringen und anzudocken. Weiteres erfolgte die Inbetriebnahme erster Systeme der Station.
Der verzögerte Start des ersten US-Moduls
Ursprünglich war der Start der Endeavour für den 3. Dezember 1998 geplant. Ungefähr 4 Minuten vor dem Start sank kurz der Druck in einem der drei Hydrauliksysteme der Raumfähre, wodurch ein Alarm an Bord ausgelöst wurde. Der Countdown wurde 31 Sekunden vor dem Start unterbrochen, damit das Problem genauer eingeschätz werden konnte. Ingenieure des Space Shuttle Systems versuchten möglichst rasch die Lage zu verstehen und gaben schließlich grünes Licht für die Fortführung des Countdowns. Dies war aber nicht mehr rechtzeitig möglich und der Start musste auf den nächsten Tag verschoben werden, da das Startfenster lediglich fünf Minuten betrug und schon zu viel Zeit vergangen war.
Nachdem die Endeavour schließlich am 4. Dezember ohne weitere Probleme abhob, näherte man sich dem ersten Modul der ISS, Sarja, durch mehrere Bahnmanöver. Währenddessen wurden die Raumanzüge, die die Crew des Space Shuttles während der Mission noch brauchen würde, planmäßig überprüft. Außerdem kontrollierte Nancy Currie, die Spezialistin für den Roboterarm des Shuttles bei diesem Flug, einen Tag nach dem Start am 5. Dezember eben diesen auf Funktionstüchtigkeit.
Dabei konnte die Nutzlast der Endeavour über die am Arm befestigten Kameras im Orbit das erste mal eingehender begutachtet werden.
Am Modul Unity waren bereits vor dem Start an beiden Enden die beiden Kopplungsadapter PMA-1 und PMA-2 für die Internationale Raumstation montiert. Diese drei Teile wurden in der Nacht auf den 6. Dezember schließlich von Nancy Currie mit Hilfe des ferngesteuerten Roboterarms des Space Shuttles aus dessen Nutzlastbucht gehoben. Danach bewegte sie die Module senkrecht über den Kopplungsmechanismus der Raumfähre, welcher letztlich gegen 23:45 Uhr durch einen Triebwerksstoß an PMA-2 andockte. Die Crew der Endeavour verschaffte sich daraufhin Zutritt zu dem ersten der drei nun angekoppelten Module, dem Kopplungsadapter PMA-2.
Die Kopplung der ersten beiden Bauteile der ISS
Robert Cabana flog das Space Shuttle letzten Endes am 6. Dezember auf rund 10 Meter an das Modul Sarja heran. Letzteres wartete bereits seit 16 Tagen im Orbit und wurde noch am selben Tag um 23:47 Uhr von Nancy Currie mit dem Roboterarm der Endeavour ergriffen. Nachdem Sarjas vorderer Kopplungsstutzen exakt über einen vergleichbaren auf PMA-1 ausgerichtet wurde, aktivierte Robert Cabana in der Nacht auf den 7. Dezember um 2:07 Uhr kurz die Triebwerke des Shuttles, um die beiden Module aneinanderzukoppeln. Dies gelang aber in der Tat erst bei einem weiteren Versuch gegen 2:48 Uhr, nachdem Nancy Currie den Roboterarm von Sarja löste. Damit ragte die nun annähernd 36 Tonnen schwere Internationale Raumstation mit der rund 23 Meter messenden Spannweite der Solarzellenflügel des Moduls Sarja mehr als 23 Meter aus der Nutzlastbucht des Space Shuttle Endeavour, was der Höhe eines siebenstöckigen Gebäudes entspricht. Mit dem rund 20 Tonnen schweren Modul Sarja wurde außerdem das bis dato schwerste Objekt mit dem Roboterarm eines Space Shuttles bewegt.
Nancy Currie machte nach der erfolgten Kopplung mit Hilfe der Kameras des Roboterarms Bilder zweier Antennen an Sarja, welche Teil der Reservenavigationshilfe des Moduls sind, nach dem Start aber nicht erfolgreich ausgefahren werden konnten.
Der erste Weltraumspaziergang der Mission
Am 7. Dezember um 22:10 Uhr verließen die beiden Astronauten Jerry Ross und James Newman das Space Shuttle durch die Luftschleuse und begannen damit die erste geplante Extra Vehicular Activity, kurz EVA, der Mission. Die beiden Raumfahrer verbanden zuallererst Unity und Sarja an der Außenseite mit wichtigen Daten- und Stromleitungen. Dabei waren rund 40 Anschlüsse notwendig. Außerdem wurden mehrere Handläufe installiert, die zukünftigen Astronauten die Fortbewegung an der Außenseite der Module erleichtern soll. Zuletzt wurde James Newman mit Hilfe des Roboterarms zum Ende des Moduls Sarja gebracht. Dort begutachtete er die beiden unausgefahrenen Antennen, die Nancy Currie schon am selben Tag durch Kameras betrachtet hatte. Man wollte herausfinden, was man tun müsse, um sie zum Ausfahren zu bewegen. Währenddessen entfernte Jerry Ross einige Abdeckungen an Unity, die Gerätschaften nach dem Start vor den extremen Temperaturschwankungen im Orbit schützten sollten. Am Morgen des 8. Dezembers um 5:31 Uhr beendeten Jerry Ross und James Newman letztendlich den ersten Weltraumspaziergang der Mission nach 7 Stunden und 21 Minuten.
Noch während der EVA wurden vom russischen Missionskontrollzentrum zwei Spannungswandler aktiviert, sodass das erste Mal Strom von den russischen Solarzellen zum Modul Unity fließen konnte. Im amerikanischen Kontrollzentrum in Houston registrierte man schließlich um 3:49 Uhr, wie die ersten Systeme des Moduls hochfuhren.
Die zweite EVA und das erstmalige Betreten einer neuen Raumstation
Nachdem die Crew des Space Shuttles Endeavour einen halben Tag frei bekommen hatte, begann der zweite Weltraumspaziergang am 9. Dezember um 20:30 Uhr, als wieder die beiden Astronauten Jerry Ross und James Newman die Luftschleuse der Raumfähre verließen. Als erstes wurden zwei kastenartige Antennen an der Außenseite Unitys montiert. Diese sind Teil des sogenannten „frühen“ S-Band Kommunikationssystems, welches den ersten Besatzungen der ISS für Videokonferenzen dienen und den Kontrollzentren die Überwachung der Module vom Boden aus ermöglichen würde. Dazu würden noch einige Arbeiten innerhalb der noch jungen Internationalen Raumstation von Nöten sein. Danach widmeten sich Jerry Ross und James Newman der Demontage von Transporthalterungen an den vier Kopplungsmechanismen an der Mantelfläche des zylinderförmigen Moduls Unity, an denen weitere Module der Station angedockt werden würden. Außerdem brachte man Abdeckungen an zwei Computer an der Außenseite Unitys an, um sie gegen die starke Sonneneinstrahlung im Orbit zu schützen. Schließlich wurde James Newman abermals am Ende des Roboterarms zu Sarja gehievt, um dort erstmal eine der beiden festgefahrenen Antennen zum Ausfahren zu bewegen, was auch erfolgreich gelang. In der Nacht zum 10. Dezember gegen 3:35 Uhr kehrten Jerry Ross und James Newman zur Luftschleuse Endeavours zurück und schlossen damit den zweiten Weltraumspaziergang der Mission nach 7 Stunden und 2 Minuten ab.
Am selben Tag noch um 19:54 Uhr öffneten Shuttle-Kommandeur Robert Cabana und der russische Kosmonaut Sergei Krikaljow, der ebenfalls an der Mission teilnahm, die Luken zum Modul Unity und betraten daraufhin zusammen als erste Menschen die Internationale Raumstation. Nach etwas mehr als einer Stunde gegen 21:12 Uhr öffneten sie schließlich die Luke in das Modul Sarja. Um sich Zutritt zu verschaffen, mussten jedoch insgesamt sechs Luken in der folgenden Reihenfolge geöffnet werden:
- Die Luke des Kopplungsmechanismus der Endeavour
- Die Luke des Kopplungsadapters PMA-2
- Die Luke zu Unity
- Die Luke zum zweiten Kopplungsadapter PMA-1 am anderen Ende Unitys
- Die Luke zum Modul Sarja
- Und eine weitere Luke innerhalb Sarjas
Jerry Ross und James Newman begannen auch gleich mit den ersten Arbeiten innerhalb der damals noch brandneuen Raumstation. Im Modul Unity vollendeten sie die Installation des frühen S-Band Kommunikationssystems, dessen Antennen sie einen Tag zuvor an der Außenseite des Unitys bereits angebracht hatten, und testeten die Anlage ausgiebig. Währenddessen wurde in Sarja durch Sergei Krikaljow und Nancy Currie ein fehlerhaftes Ladegerät ausgetauscht. Die Crew der Endeavour bereitete weiters Equipment für den Gebrauch durch die erste Langzeitbesatzung der ISS vor. Nachdem als letztes am 11. Dezember Ventilationsschleuche in den Modulen angebracht wurden, schlossen Robert Cabana und Sergei Krikaljow die sechs erwähnten Luken wieder; um 22:41 Uhr jene zwischen PMA-1 und Sarja und in der Nacht zum 12. 26 Minuten nach Mitternacht die Luke zu Unity. Die Internationale Raumstation war während des Besuches der Endeavour also 28 Stunden und 32 Minuten bemannt.
Der dritte und letzte Weltraumspaziergang
Am Abend des 12. Dezembers um 20:33 Uhr erfolgte der letzte Weltraumausstieg der Mission. Abermals waren Jerry Ross und James Newman für die Außenbordaktivitäten eingeteilt. Die Kontrollzentren hatten zuvor durch Kameras beobachtet, dass sich Kabel an der Außenseite der ISS durch die extremen Temperaturschwankungen im Orbit immer wieder sehr spannten. Aus diesem Grund war es ihre erste Aufgabe einige Kabelbinder zu entfernen, die sie bei den beiden früheren Weltraumspaziergängen angebracht hatten, und so Spannung von den Kabeln zu nehmen. Danach befestigten sie eine Werkzeugtasche an den Kopplungsadapter PMA-1 und trennten nicht mehr benötigte Anschlüsse am Kopplungsmechanismus zwischen PMA-1 und Sarja voneinander. Außerdem installierten sie einen weiteren Handlauf an der Außenseite Sarjas. Schließlich schaffte es dieses Mal Jerry Ross am Ende des Roboterarms die zweite der beiden festgefahrenen Antennen an Sarja zum Ausfahren zu bewegen. Am Ende des Weltraumspaziergangs machten Jerry Ross und James Newman noch einige Fotos der damals noch jungen Internationalen Raumstation, um ihren Ausbauzustand zu dokumentieren. In der Nacht zum 13. Dezember um 03:32 Uhr beendeten die beiden Raumfahrer nach 6 Stunden und 59 Minuten ihre letzte EVA.
Die Rückkehr zur Erde
Am selben Tag um 20:25 Uhr koppelte Frederick Sturckow, der Pilot der Endeavour, das Space Shuttle von der Station ab und flog fast 2 Mal um die ISS, was der restlichen Crew genug Möglichkeiten bot weitere Bilder der Raumstation zu schießen. Gegen 22 Uhr zündete Sturckow die Triebwerke der Raumfähre und flog sie von der ISS weg. Damit würde die Internationale Raumstation nun bis in den Mai 1999 alleine und unbemannt ihre Kreise um die Erde ziehen.
In den letzten Tagen der Mission wurden im Orbit zwei relativ kleine Satelliten, ein argentinischer und ein 300 Kilogramm schwerer der US Air Force, ausgesetzt. Am 16. Dezember 1998 um 2:46 Uhr wurden schließlich die Triebwerke der Endeavour ein letztes Mal gezündet, um die Umlaufbahn zu verlassen und zur Erde zurückzukehren. Die Landung der Raumfähre erfolgte um 3:53 Uhr am Kennedy Space Center in Florida. Dies war die zehnte Nachtlandung eines Space Shuttles.
Verwandte Artikel: