Der Interface Region Imaging Spectrograph (IRIS) der US-Raumfahrtbehörde NASA wurde in der vergangenen Nacht erfolgreich ins All befördert. Er soll örtlich begrenzte Beobachtungen der mittleren Schichten der Sonnenatmosphäre ermöglichen, um zum Verständnis ihrer bislang weitgehend unbekannten Dynamik beizutragen.
Ein Beitrag von Michael Clormann. Quelle: NASA, Raumcon. Vertont von Peter Rittinger.
IRIS wurde von der NASA in Kooperation mit dem amerikanischen Unternehmen Lockheed Martin realisiert und mit Hilfe eines Pegasus-XL-Launchers der Orbital Sciences Corporation gestartet. In den frühen Morgenstunden europäischer Zeit wurde die Rakete von ihrem Trägerflugzeug knapp zwölf Kilometer über dem kalifornischen Pazifik abgeworfen und erreichte mit Zündung des eigenen Motors wenig später den vorgesehenen sonnensynchronen Orbit für ihre Nutzlast. Abgehoben hatte die Lockheed L-1011 „Stargazer“ der Orbital zu dieser Startkampagne von der Vandenberg Air Force Base an der nahegelegenen US-Westküste. Das Teleskop selbst gehört zum Small Explorer Programm (SMEX) der NASA, dessen Ziel die Durchführung preisgünstiger Wissenschaftsmissionen zur Erforschung unseres Sonnensystems und des Tiefenraums ist. Erst im Juni vergangenen Jahres war mit dem Röntgen-Teleskop NuSTAR ein weiterer SMEX-Satellit von einer Pegasus XL in die Umlaufbahn befördert worden.
Das UV-Spektrometer von IRIS soll nach seiner Inbetriebnahme, in voraussichtlich etwa zwei Monaten, nach der technischen Überprüfung und Kalibrierung seiner Komponenten, als Ergänzung zu den bestehenden Weltraumteleskopen Solar Dynamics Observatory (SDO) und Hinode der USA und Japans fungieren. Von ihnen hebt sich das neue Teleskop vor allem durch den eng fokussierten Beobachtungsausschnitt seines Primärinstruments ab. Während etwa das SDO die solare Aktivität makroskopisch erfasst, wird IRIS Phänomene von nur rund 250 Kilometern Durchmesser in der Atmosphäre unseres Zentralgestirns auflösen können. Auch der Untersuchungsgegenstand unterscheidet sich: während andere Sonnenbeobachtungs-Missionen vor allem deren Oberfläche oder die äußere Korona ins Visier nehmen, ist IRIS auf die dazwischen liegende Chromosphäre, Quelle der solaren UV-Strahlung, und die sogenannte Übergangsregion zur Korona spezialisiert.
In diesen mittleren Schichten der Sonnenatmosphäre, so glauben Forscher, liegt der Schlüssel zum Verständnis der zentralen Vorgänge beim Transfer von Energie und Plasma von der Sternoberfläche nach außen. Die Chromosphäre ist dabei, im Vergleich zur Korona, noch relativ dicht, energiereich und beherbergt aller Wahrscheinlichkeit nach die maßgeblichen thermischen und magnetischen Prozesse für die Entstehung des Sonnenwindes und koronaler Massenauswürfe. Ihre Auswirkungen spüren wir von Zeit zu Zeit noch auf der Erde, etwa in Form von Wettereinflüssen oder der Gefährdung von empfindlichen elektronischen Instrumenten wie Satelliten im Erdorbit. IRIS wird nun in der Lage sein, eng begrenzte Ausschnitte der Chromosphäre in ihrem vollen thermischen Spektrum im Zeitverlauf zu beobachten und daraus entsprechende neue Schlüsse zu erlauben.
Eine konkrete Frage, die in diesem Kontext nach Antworten verlangt, ist jene nach der extrem hohen Temperatur der Korona: während die Sonnenoberfläche nur rund 6.000 Kelvin heiß ist, steigt die Temperatur des Atmosphärenmaterials bis zu den äußeren, dünnen Schichten auf mehrere Millionen Kelvin an. Eine befriedigende Erklärung für dieses schon lange bekannte Phänomen besteht bisher nicht und könnte womöglich aus den Daten von IRIS gewonnen werden.
Bahndaten des IRIS: 669,98 km (Apogäum) X 622,96 km (Perigäum) / 97,899° (Bahnneigung)
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