Ionentriebwerke: Science-Fiction oder Science-Fact?

Science-Fiction Fans wissen, dass man für Flüge in Erdnähe ein „Unterlicht“-Ionentriebwerk benutzen würde. Aber ist so ein Antrieb nun Science-Fiction oder Science-Fact?

Autor: Gero Schmidt.

Science Fiction: Menschliche Raumschiffe erforschen die Galaxie.
(Bild: ESA/Manchu)

Die Antwort liegt irgendwo dazwischen: Die Entwicklung von Ionentriebwerken lässt sich bis ins Jahr 1959 (oder sogar noch weiter) zurückverfolgen. Zwei Ionentriebwerke wurden 1964 auf dem amerikanischen Satelliten SERT1 getestet. Eines funktionierte, das andere nicht.

Das Prinzip, nach dem Ionentriebwerke funktionieren, ist altbekannte Physik. Ein Gas wird ionisiert, d.h. es wird elektrisch geladen: Man erhält positiv geladene Gasatome (Ionen) und negativ geladene Elektronen. Das ionisierte Gas wird in einem elektrischen Feld stark beschleunigt und verlässt das Triebwerk am hinteren Ende: Das bewirkt einen Schub in die entgegengesetzte Richtung.

Hohe Treibstoffeffizienz
Die ausschließlich im (Fast-)Vakuum des Weltraums eingesetzten Triebwerke stoßen ihren Treibstoff (das ionisierte Gas) mit weit höheren Geschwindigkeiten aus als chemische Raketentriebwerke. Das macht Ionentriebwerke ungemein effizient was den Treibstoffverbrauch angeht: Sie erzeugen mit einem Kilogramm Treibstoff zehnmal so viel Schub wie chemische Triebwerke.

Doch auch wenn das Verhältnis von erzeugtem Schub zu verbrauchtem Treibstoff sehr günstig ist, so ist der Schub an sich, den Ionentriebwerke erzeugen, doch äußerst gering: Astronauten könnten solche Triebwerke beispielsweise nie nutzen, um damit von einem Planeten zu starten. Allerdings wären sie für das Manövrieren und Beschleunigen im Weltraum sehr wohl geeignet, sofern die Astronauten es nicht eilig hätten. Warum? Es braucht eben auf Grund des geringen Schubs mit Ionentriebwerken eine sehr lange Zeit, um hohe Geschwindigkeiten zu erreichen.

Immer mit der Ruhe
Ionentriebwerke entfalten ihre ‚Magie‘ auf eine gemächliche Art und Weise. Die Ionen werden elektrostatisch beschleunigt. Wenn die Energie für diesen Beschleunigungsprozess von Solarpaneelen geliefert wird, spricht man von Solar Electric Propulsion (SEP) (= Solar-elektrischer Antrieb). Solarpaneele von der Größe wie sie typischerweise auf heutigen Raumfahrzeugen eingesetzt werden, erzeugen eine Leistung von einigen Kilowatt.

Ein solargetriebenes Ionentriebwerk könnte daher nicht mit dem großen Schub eines chemischen Raketentriebwerks konkurrieren. Dafür hat das Ionentriebwerk allerdings den Vorteil, dass es für Monate oder sogar Jahre betrieben werden kann, solange die Sonne scheint und der Treibstoffvorrat nicht erschöpft ist, während die Brenndauer eines chemischen Triebwerks im allgemeinen nicht mehr als ein paar Minuten beträgt.

Science Fact: Die europäische Raumsonde SMART-1 fliegt nach ihrem Start Anfang September 2003 mit Hilfe eines Ionenantriebs zum Mond. (Bild: ESA)

Ein weiterer Vorteil, den ein geringer Schub mit sich bringt, ist die Möglichkeit, dass Raumfahrzeug sehr feinfühlig kontrollieren zu können, was sich insbesondere bei wissenschaftlichen Missionen, die eine hochpräzise Zielausrichtung benötigen, bezahlt macht.

Die Stellung der ESA sichern
Das Ionentriebwerk wurde das erste Mal zwischen 1998 und 2001 auf der Deep Space 1-Mission der NASA als Hauptantriebssystem getestet. Die SMART-1 Mission der ESA, deren Start für Ende August geplant ist, wird den Mond zum Ziel haben und die Einsatzfähigkeit von Technologien demonstrieren, die für zukünftige Missionen über große Distanzen benötigt werden. Dies schließt den Einsatz eines solarelektrischen Triebwerks, im Zusammenspiel mit Manövern, die sich die Gravitation von Planeten und Monden zunutze machen, ein, auch das eine Erstleistung.

SMART-1 wird die Unabhängigkeit der ESA in Bezug auf den Einsatz von Ionentriebwerken sicherstellen. Andere wissenschaftliche Missionen werden Ionentriebwerke für komplexe Manöver in Erdnähe einsetzen. Zum Beispiel wird die ESA-Mission LISA Gravitationswellen aufspüren, die aus dem fernen Universum zu uns kommen. Auch zukünftige ESA-Missionen zu den Planeten werden Ionentriebwerke an Bord haben.

Mehr Science-Fact als Science-Fiction
Auch wenn die Realität vielleicht nicht ganz so aufregend ist wie das, was man auf der Kinoleinwand zu sehen bekommt, so ist doch durch SMART-1 und zukünftige Missionen klar, dass Ionentriebwerke mittlerweile mehr Science-Fact als Science-Fiction sind.

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