Interview mit Dr. Roland Brodbeck

„Vielleicht gibt es auf dem Mars noch heute kleinere vulkanische Aktivitäten.“

Ein Beitrag von 28.12.2003

Am Weihnachtstag traf die europäische Mission Mars Express beim Roten Planeten ein, in wenigen Tagen erreichen ihn auch die beiden US-Rovers. Unsere Kollegen vom TrekZone Network (TZN) trafen vor kurzem Mars-Kenner Dr. Roland Brodbeck an der Universität Zürich. Im Interview erklärt der Physiker, warum auf dem Mars früher sehr wahrscheinlich große Flüsse existiert haben, wieso es keine Vulkanausbrüche mehr gibt und wie sich der gelegentliche „Schneefall“ begründen lässt.

TZN: Herr Dr. Brodbeck, wie lässt es sich erklären, dass es bei den Mars-Polen ständig zur Bildung von Eisschichten kommt – und wieso nur bei den Polen?

Mars mit ausgebildeter spdlicher Polkappe, Aufnahme aus dem Jahr 2001
(Bild: NASA)

Dr. Roland Brodbeck (RB): Der Mars hat einen gewissen „Wasserdampfhaushalt“. Man weiß ja zum Beispiel, dass es nicht weit unter dem Boden Wärmefrost gibt. Dass man die Erkenntnis besitzt, dass die Polkappen einen Kern haben, der aus Eis besteht, ist eine einfache Temperaturüberlegung – es wird zu warm, sodass es nicht Trockeneis sein kann -, und Polkappen entstehen und vergehen mittelperiodisch, alle paar 10.000 Jahre. Und Pole wirken natürlich auch für Wasserdampfspuren in der Atmosphäre als Kühlfalle.

Wenn es irgendwo verdampft, ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass es sich an den Polen permanent ablagert als in mittleren Breiten. Natürlich sind dies auch Zeiträume, die viel größer sind als hier auf der Erde. Auf dem Mars gibt es ja keinen Niederschlag in dem Sinne, wie wir ihn kennen, mit Schnee und Regen, sondern es gibt höchstens so etwas wie Reifen am Morgen. Dies ist wohl noch das „höchste der Gefühle“ in Sachen Niederschlag.

TZN: Laut Verfassern von amerikanischen Mars-Büchern ist es möglich, dass sich der Rote Planet im Endstadium eines planetaren Zustandes befindet und dass auch die Erde eines Tages so aussehen wird. Wie wahrscheinlich ist dies aus Ihrer Sicht?

RB: Die Entwicklung der Erde wird anders aussehen. Geprägt ist sie in erster Linie von der langsam zunehmenden Leuchtkraft der Sonne. Die Sonne hatte am Anfang, vor etwa fünf Milliarden Jahren, etwa 60 Prozent der heutigen Leuchtkraft und wird auch in Zukunft zunehmen, sodass vielleicht in einer Milliarde Jahren die Ozeane zu verdampfen beginnen. Das heißt, nachher würden wir auf der Erde eher Zustände haben, die heute der Venus ähneln, als dass sie mit dem Mars vergleichbar wären.

Der Weg der Erde ist also anders als beim Mars – wegen der geringen Schwerkraft wird beispielsweise auch die Atmosphäre langsam wegerodiert.

TZN: Dann ist es folglich also möglich, dass es auf der Erde eines Tages kein Leben im eigentlichen Sinne mehr geben wird?

RB: Ja, es wird auf der Erde in einer Milliarde Jahren so heiß werden, dass Leben nicht mehr möglich ist, und in wahrscheinlich etwa eineinhalb Milliarden Jahren wird auch noch die letzte, in irgendeinem Gestein versteckte Mikrobe verschwunden sein.

TZN: Zum Thema Stürme: Wie ergibt sich auf dem Mars diese – im Vergleich zu anderen Planeten – sehr hohe Sturmaktivität?

Sandstürme auf dem Mars und auf der Erde vor der Küste Nordafrikas – die Ähnlichkeiten sind unübersehnbar.
(Bild: ESA)

RB: Eine etwas schwierige meteorologische Frage… Es gibt zwei Aspekte bei diesen globalen Staubstürmen. Klar herrscht in der Mars-Atmosphäre nur etwa ein Prozent des Erd-Druckes, oder noch weniger, dafür gibt es über den ganzen Planeten verteilt den Hämatitstaub. Dieser ist natürlich besonders gut dafür geeignet, um in die Höhe transportiert zu werden. Wieso es jetzt ungefähr alle paar Jahrzehnte zu einem globalen Sturm kommt, der für ein paar Monate den ganzen Mars umhüllt, ist wahrscheinlich nicht in ein, zwei Sätzen zu beantworten, da wären Klimamodelle vonnöten, welche dies rekonstruieren könnten. Auch wenn dieses ganze Thema beim Mars natürlich etwas einfacher ist als auf der Erde, wo wir auch noch Ozeane haben.

TZN: Um gleich bei den Ozeanen zu bleiben: Wie wahrscheinlich ist es, dass es früher auf dem Mars tatsächlich große Flüsse gegeben hat, also große Mengen von Wasser? Vermutungen gibt es ja zur Genüge – aber gibt es auch wirklich schon Beweise für diese vielen Theorien?

RB: Es gibt starke Hinweise, und es wird daran gearbeitet. Einerseits gibt es dieses Strömungsverhalten, das man großräumig sieht, von den Überschwemmungen. Im Landegebiet von Mars Pathfinder beispielsweise befindet sich Ares Valles. Dort gibt es Krater, stromlinienförmige Inseln, die eigentlich nur durch heftige Flussereignisse entstanden sein können. In den Detailstrukturen können gewisse Formationen auch mit Wind erklärt werden. Auf der Südhalbkugel gibt es auch Sedimentablagerungen, die man sich am besten so erklären kann, dass dort über längere Zeit ein See mit flüssigem Wasser zu finden war.

Um dies definitiv abzuklären, muss eine Raumsonde dort landen und diese Sedimente konkret untersuchen, ob diese wirklich durch Wasserablagerung entstanden sind, oder ob es letztendlich vielleicht doch eine Kombination aus Wind und vulkanischen, periodischen Ablagerungen ist, aus denen diese Strukturen hervorgegangen sind. Wasser ist im Moment die wahrscheinlichere Erklärung. Die Mars-Rover, die im nächsten und übernächsten Monat landen, können uns vielleicht einen Schritt weiterbringen.

TZN: Vor langer Zeit gab es auf dem Mars ja auch Vulkanausbrüche. Wieso gibt es heute keine aktiven Vulkane mehr?

Der Vulkan Olympus Mons ist mit etwa 21 Kilometern Höhe der größte Vulkan des Sonnensystems.
(Bild: NASA)

RB: Das kommt daher, weil die ideologische Mars-Geschichte geprägt ist vom langsamen Auskühlen des Planeten. Geheizt wird das Planeteninnere primär durch radioaktive Elemente wie Uran und Thorium, die durch den natürlichen Zerfall abgebaut werden. Das heißt, es wird langsam kühler. Dadurch lässt der Vulkanismus langsam nach, und weil es keine Plattentektonik gibt, konzentriert sich dieser auf einzelne Orte. Deshalb ist der Olympus Mons so groß geworden. Ob es schon seit einer oder zwei Milliarden Jahren keine Vulkanausbrüche mehr gibt oder diese heute noch minimal auftreten, ist mittlerweile wieder etwas ungewisser als auch schon. Vielleicht gibt es noch kleinere vulkanische Aktivitäten.

TZN: Die südliche Hemisphäre des Mars ist übersät mit Kratern, während die nördliche von weiten, flachen Ebenen geprägt ist. Wie lässt sich dies erklären? Hat Wasser bei der Entstehung dieser Landschaften ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt?

RB: Etwas, das man mal sicher sagen kann, ist, dass die Oberfläche der Nordhalbkugel offenbar jünger ist oder ein Prozess diese Oberfläche nach dem ersten Bombardement aus dem Sonnensystem noch einmal umgestaltet hat. Die Oberfläche der Südhalbkugel muss offensichtlich so alt sein wie die Mond-Hochländer. Deshalb ist die Kraterdichte ja ungefähr vergleichbar mit der Mars-Südhalbkugel. Ob es auf der Nordhalbkugel wirklich einmal einen Ozean gab oder ob andere geologische Prozesse sie umgestaltet haben, werden Untersuchungen der nächsten Jahre zeigen.

TZN: In Ihren Berichten und Dokumentationen auf Mars2003.de erklären Sie unter anderem, dass es auf dem Mars gelegentlich auch eine Art Schneefall geben würde, in sehr begrenztem Rahmen.

RB: Genau. In erster Linie handelt es sich dabei natürlich um Ablagerungen, eher in Form von Reifen, die sich dann auch über Jahrhunderte oder Jahrtausende hinziehen.

Wie lässt sich das nun erklären. Auf der Südhalbkugel sieht man ja Kraterränder, „Ausflussstrukturen“, und eine Art Kanal, der irgendwo an einem Hang beginnt. Ein Erklärungsmodell geht davon aus, dass sich unter gewissen klimatischen Bedingungen an diesen Schattenhängen Reifen zu einem Schnee-Staub-Gemisch sammelt, und wenn das Klima dann wieder etwas milder wird – dadurch, dass die Polachse und auch die Exzentrizität der Mars-Bahn im Laufe von zehntausenden von Jahren schwankt -, dass dies wieder abzuschmelzen beginnt, wenn die Sonne in dieser Region einmal besonders stark in Erscheinung tritt. So ist es möglich, dass Wasser in kleiner Form für eine kurze Zeit flüssig existieren könnte.

Eine ganz kleine Reifschicht sieht man beispielsweise auf dem Foto, das den Landeplatz von Viking 2 zeigt. Die Schicht, die das Gelände ein bisschen weiß macht, ist allerdings wahrscheinlich nur Bruchteile eines Millimeters stark, nicht mehr.

TZN: Wir haben darüber gesprochen, wie es auf der Erde in ferner Zukunft aussehen könnte. Wie sieht es beim Mars aus – wie zeigt sich der Rote Planet in ein paar tausend oder in ein paar Millionen Jahren? Gibt es da auch eine nennenswerte Entwicklung?

RB: Man müsste wohl sogar eher in Form von ein paar Milliarden Jahren denken. Ich habe bis jetzt aber noch nie eine hoch wissenschaftliche Untersuchung gesehen, die spekuliert, wie der Mars in beispielsweise zwei Milliarden Jahren aussehen könnte. Der tragende Faktor ist wahrscheinlich die zunehmende Sonnenerwärmung. Ob dies allerdings zu einem milderen Mars-Klima mit flüssigem Wasser führt, ist Spekulation.

Was man sicher sagen kann, ist, dass der Mars genug weit von der Sonne entfernt ist, um ihr Rotes-Riesen-Stadium überstehen zu können. Aber ob es auf dem Roten Planeten noch mal eine feuchte Phase geben wird und der Thermafrost beispielsweise schmilzt, ist spekulativ.

TZN: Wir bedanken uns für das Gespräch.

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