Intelsat 29e nach Anomalien auf Abwegen

Der vor etwas mehr als drei Jahren ins All transportierte Kommunikationssatellit Intelsat 29e konnte nach einem Treibstoffleck und weiteren Anomalien seine Position im Geostationären Orbit nicht halten und hat begonnen zu driften.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Boeing, Intelsat, Spacenews.

Boeing
Intelsat 29e über der Erde – Illustration
(Bild: Boeing)

Das Unternehmen Intelsat S.A. aus Luxemburg teilte am 10. April 2019 mit, dass es wegen eines Ausfalls der über Intelsat 29e ausgestrahlten Dienste weiterhin zu Beeinträchtigungen für Kunden in der Karibik, in Lateinamerika und im Bereich des Nordatlantiks komme.

Intelsat berichtete, eine am 7. April 2019 aufgetretene Beschädigung am Antriebssystem von Intelsat 29e habe zu einem Treibstoffleck und zu einer Unterbrechung des Sendebetriebs geführt. Während der Arbeiten zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft sei es am 9. April 2019 dann zu einem Verlust aller Kommunikationsverbindungen zu dem Satelliten gekommen.

Nach dem Verbindungsabbruch waren laut Intelsat anschließend sporadische Kontakte zu Intelsat 29e möglich. Intelsat versicherte, dass man weiter intensiv mit Boeing, dem Hersteller des Satelliten, zusammenarbeitete, um die Situation zu bereinigen.

Intelsat 29e hat seine bis Anfang April eingehaltene Position im Geostationären Orbit (GEO) bei 50 Grad West verlassen und driftet derzeit mit einer Geschwindigkeit von etwa einem halben Grad pro Tag nach Osten. Den alten US-amerikanischen Bahnverfolgungs- und Datenrelaissatelliten TDRS 3 hat Intelsat 29e im Bereich von 48,8 West bereits passiert, offenbar ohne dass der Flugweg von Intelsat 29e zu kontrollieren oder zu beeinflussen war.

Boeing
Intelsat 29e beim Hersteller
(Bild: Boeing)

Der Branchendienst Spacenews berichtete am 10. April 2019, dass vom privaten Unternehmen ExoAnalytic Solutions, das im Bereich der Weltraumüberwachung tätig ist, im Bereich um Intelsat 29e neue Objekte beobachtet worden seien. Ob es sich bei den neuen Objekten um bei einem zerstörerischen Ereignis abgestoßenes Material vom Satelliten oder um ausgetretenen, gefrorenen Treibstoff, oder beides handele, sei offen.

Intelsat 29e ist ein auf Basis des Satellitenbus Boeing 702MP entworfenes und gebautes Raumfahrzeug, dessen Grundkörper ohne Ausleger und Antennen Maße von rund 6 auf 3 auf 2 Metern aufweist. Das Antriebssystem des Satelliten arbeitet mit den Treibstoffkomponenten Hydrazin (N2H4) und Distickstofftetraoxid (NTO / nitrogen tetroxide / N2O4). Neben dem Apogäumsmotor sind zwölf 4N-Einstofftriebwerke vom Typ MR-111C und vier 22N-Einstofftriebwerke vom Typ MR-106L von Aerojet Rocketdyne an Bord. Die Startmasse des in Boeings Werk in El Segundo im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien gebauten Satelliten betrug 6.552 kg, die Leermasse 2.946 kg.
Die Energieversorgung der Satellitensysteme von Intelsat 29e erfolgte durch zwei Solarzellenausleger, die sich aus jeweils vier Segmenten zusammensetzten und dem Raumfahrzeug eine Spannweite von insgesamt rund 44 Metern gaben. Am Ende der projektierten Einsatzdauer von ursprünglich mindestens 15 Jahren sollten die Solarzellenausleger von Intelsat 29e zusammen noch mindestens rund 15.800 Watt elektrische Leistung bereitstellen können. Für die Stromspeicherung besitzt der Satellit vier Lithium-Ionen-Akkumulatorensätze.

Intelsat 29e ist ein Raumfahrzeug aus einer Serie von neuartigen Kommunikationssatelliten für ein Netzwerk mit hohem Durchsatz unter der Bezeichnung Intelsat EpicNG. Er ist bereits der zweite derartige Satellit, der Probleme mit seinem Antriebssystem bekommen hat. Intelsat 33e hatte nach seinem Start im Spätsommer 2016 einer Fehlfunktion seines Apogäumsmotors vom Typ LEROS erlitten.

Bisher hat Intelsat nicht öffentlich mitgeteilt, welche Auslöser das Unternehmen als ursächlich für die Probleme an Bord von Intelsat 29e betrachtet. Neben in Konstruktion und Nutzung des Satelliten liegenden möglichen Ursachen sind auch solche wie Kollisionen mit einem Stück Weltraumschrott oder einem natürlichen Körper denkbar. Im Augenblick ist der angeschlagene Satellit eine Bedrohung für andere Raumfahrzeuge im GEO.

Intelsat 29e alias IS-29e ist katalogisiert mit der NORAD Nr. 41.308 und als COSPAR-Objekt Nr. 2016-004A.

Update 24. April 2019:
Mit Datum vom 18. April 2019 teilte Intelsat mit, dass die zuvor kommunizierte Anomalie zum Totalverlust von Intelsat 29e geführt habe. Zusammen mit Boeing sei ein gemeinsamer Untersuchungsausschuss eingerichtet worden, dessen Aufgabe es sei, eine umfassende Analyse der Ursachen der Anomalie vorzunehmen.

Intelsat 29e driftet weiter. Am Tag, als Intelsat mitteilte, dass der Satellit ein Totalverlust sei, bewegte sich Intelsat 29e im Bereich von 41 Grad West im Umfeld des GEO. Zwischenzeitlich ist der Satellit im Bereich um 33 Grad West unterwegs.

Eine geregelte Passivierung, wie sie bei Betriebsende von großen Kommunikationssatelliten wünschenswert ist, war bei Intelsat 29e vermutlich nicht möglich. Vorgesehen war nach dem Erreichen eines sogenannten Friedhofsorbits in einem gewissen Sicherheitsabstand zum GEO sicherlich, Tanks und Leitungen von übriggebliebenem Treibstoff und Druckgasen zu befreien, Akkumulatoren von ihrer Stromversorgung zu trennen und zu entladen, sowie vorher nicht benutzte redundante pyrotechnische Komponenten – das können zum Beispiel Ventile sein – auszulösen. Unterlagen der US-amerikanischen Regulierungsbehörde FCC legen nahe, dass vom an Bord von Intelsat 29e befindlichen Treibstoff 70,6 Kilogramm für das Erreichen eines Friedhofsorbits im Rahmen von Maßnahmen zur Außerbetriebnahme des Satelliten reserviert waren.

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