Am 16. September 2021 deutscher Zeit um 02:02 Uhr MESZ startete vom Startrampe LC-39A des Kennedy Space Center eine Falcon 9 die erste vollständig zivile bemannte Weltraummission. Die Mission der CrewDragon-Kapsel endete keine 72 Stunden später mit der Wasserung im atlantischen Ozean vor der Küste Floridas.
Ein Kommentar von Patrick Schemel. Quellen: CNBC, Inspiration4.com, SpaceX.
Angekündigt wurde die Inspiration4-Mission Anfang Februar dieses Jahres, als erste privat finanzierte Dragon-Mission. Verknüpft wurde das Ganze durch den Finanzier (und Kommandanten) der Mission, Jared Isaacman, mit einem Spendenaufruf für ein US-amerikanisches Kinderkrankenhaus. Isaacman, der sein Milliardenvermögen mit dem Zahlungsdienstleiser Shift4 Payments gemacht hatte, vergab jeweils einen weiteren Sitzplatz an eine Mitarbeiterin besagten Kinderkrankenhauses, einen an eine Person, die mit der Infrastruktur seiner Firma einen Onlineshop ermöglichte und einen an einen Spender beziehungsweise eine Spenderin im Zuge seiner Kampagne. Aus rechtlichen Gründen blieb der Zugang auf US-Bürger beschränkt und auch ein Werbespot im Rahmen des Super Bowl brachte Inspiration4 dem Ziel, 200 Millionen US-Dollar einzusammeln (Isaacman selbst kündigte direkt bei der Ankündigung von Inspiration4 an, die ersten 100 Millionen selbst zu spenden) wenig näher. Übrigens sollte es lediglich gelingen, jeweils 30 Millionen Dollar vor und während des Fluges einzusammeln, erst eine nach der Wasserung angekündigte Großspende des SpaceX-Gründers Elon Musk über 50 Millionen brachte die Initiative auf einen vorläufigen Endstand von 210 Millionen US-Dollar.
Unterdessen schritten die Vorbereitungen voran und als erste Mitfliegerin wurde die neunundzwanzigjährige Hayley Arceneaux benannt. Als Kind litt sie an Knochenkrebs, der im St. Jude Children’s Research Hospital, der durch die Mission unterstützten Klinik, erfolgreich behandelt werden konnte. Arceneaux arbeitet heute in besagtem Krankenhaus und wurde durch den Flug zur jüngsten US-Amerikanerin im All. Gleichzeitig wurde sie zur ersten Person im Weltraum mit einer internen Prothese (aufgrund ihrer Erkrankung musste unter anderem ein Teil ihres Oberschenkelknochens durch eine Prothese ersetzt werden). Die weiteren Sitze gingen an Sian Proctor, eine Geologieprofessorin, die zuvor auch schon in der engeren Auswahl einer NASA-Astronautengruppe gewesen war, und Christopher Sembroski, einem Ingenieur und Veteran der US-Luftstreitkräfte. Ihr Astronauten-Training absolvierte die Gruppe direkt beim Anbieter des Fluges, SpaceX. Für den Flug kam die Crew-Dragon-Kapsel Resilience, die zuvor die Crew-1-Mission zur ISS und zurück gebracht hatte, erneut zum Einsatz sowie eine bereits zweifach eingesetzte Erststufe (B1062). Obwohl der Start zur besten Sendezeit in den USA (20 Uhr an der Ostküste) erfolgte und sich die Leute hinter der Mission redlich um Aufmerksamkeit bemühten, blieben die Zuschauerzahlen deutlich unter denen der ersten bemannten Dragon Mission im Mai 2020 zurück. Auch eine begleitend erschienene Netflix-Dokuserie (samt Start-Livestream des Mediengiganten auf YouTube) konnte das Ruder offensichtlich nicht herumreißen. Der Medienrummel, der noch im Juli auf Jeff Bezos` suborbitalen (und somit weit anspruchsloseren) Flug folgte blieb, zumindest in Deutschland, aus. Insbesondere die (mangelnde) Sinnhaftigkeit seines Fluges sowie die ökologischen Folgen wurden von einigen Kommentatoren aufs Korn genommen. Diese glänzten bisweilen nicht gerade mit Fachkenntnis und arbeiteten sich nicht selten wohl eher an Multimilliardär und Amazon-Gründer Jeff Bezos ab. Anlass genug, um nun im Hinblick auf die erste vollständig kommerzielle bemannte „richtige“ Weltraummission (man muss nur hinreichend genau spezifizieren, dann ist alles ein erstes Mal…) den Sinn solcher Missionen zu hinterfragen.
Um die vier Menschen in eine Umlaufbahn zu befördern, verbrauchte die Falcon 9 in Erst- und Zweitstufe ganze 112.050 Liter an Kerosin. Ganz offensichtlich ein ökologischer Alptraum, zumal das hochgiftige Hydrazin der Dragon-Kapsel da noch hinzukommt. Auch der wissenschaftliche Nutzen ist, bedingt durch die nicht einmal drei Tage währende Mission (was aber immer noch ein zigfaches der wenigen Minuten Mikrogravitation bei suborbitalen Hopsern ist) und die enge Kapsel, beschränkt. Es wurde zwar eine begrenzte Anzahl an Experimenten durchgeführt, die den Aufwand aber wohl bei weitem nicht rechtfertigen werden. Auch die in Pressemitteilungen immer wieder gebrauchte Formulierung, dass diese Mission den Weltraum für alle öffne, stimmt so nicht ganz. Die Erfahrung bleibt beschränkt auf die Wenigen, die einige Dutzend Millionen US-Dollar für ein Ticket übrig haben. In einer Pressekonferenz nach dem Flug erwähnte ein Vertreter von SpaceX, dass das Interesse vonseiten privater Personen an einem Dragon-Sitz durch die Inspiration4-Mission stark angestiegen sei und man daher plane, das Angebot stark auszudehnen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass der erdnahe Orbit in Zukunft zu einem weiteren Spielplatz der Reichen werden könnte.
Inspiration4 mag zwar vielmehr eine weitere adrenalingeladene Erfahrung für Jared Isaacman (der übrigens auch im Besitz einer Firma ist, die Düsenjets vermietet) gewesen sein, die den netten Nebeneffekt hatte, einige Spenden für ein Kinderkrebskrankenhaus zu sammeln (weitaus mehr wäre wahrscheinlich zusammengekommen, hätte Isaacman neben den von ihm bereits gespendeten 100 Millionen Dollar die Flugkosten direkt gespendet), ihre indirekte Bedeutung als Startschuss für kommerzielle bemannte Missionen in den Erdorbit dürfte dennoch enorm sein. Bereits im Januar soll die nächste solche Mission folgen, allerdings mit dem Unterschied, dass die Dragon-Kapsel bei dem durch Axiom Space organisierten Flug für ungefähr eine Woche an der ISS festmachen wird. An Bord werden sich neben drei „privaten Astronauten“ auch ein Firmenangestellter befinden, bei dem es sich um einen ehemaligen NASA-Astronauten handelt. Drei weitere solcher Flüge hat das Unternehmen bereits bei SpaceX gebucht und arbeitet zudem an eigenen Modulen, die (für den Anfang) an die ISS ankoppeln sollen. Es ist daher davon auszugehen, dass durch die Dauer und die zusätzlichen Kapazitäten auch der (wissenschaftliche) Nutzen entsprechend stark ansteigen wird. Da man die teure Infrastruktur so oder so vorhalten muss und auf Wiederverwendung der Kapseln setzt, dürfte eine höhere Flugrate langfristig zu weiteren Kosteneinsparungen pro Flug führen, was wiederum direkt dem größten Kunden NASA (und womöglich zukünftig auch anderen Weltraumagenturen) zugutekommen dürfte. Diese schätzt übrigens, durch das Commercial-Crew-Programm, bei dem die Agentur nur noch als Käufer einer Dienstleistung auftritt und das System nicht mehr selbst betreibt, bereits 20 bis 30 Milliarden US-Dollar im Vergleich zu einem herkömmlichen Beschaffungs-Ansatz, wie etwa bei Orion, gespart zu haben. Auch der Zugang zum Erdorbit wird sich durch die Verfügbarkeit von zukünftig zwei Kapseln, wenn Starliner dann endlich einsatzbereit ist, stark verbessern. Und auch die enorme Menge an verbrauchtem Kerosin relativiert sich, wenn man bedenkt, dass ein einzelner Airbus A380 fast die dreifache Menge an Treibstoff aufnehmen kann und dabei pro Jahr ziemlich sicher mehr Flüge absolviert als die komplette Falcon-Raketenfamilie.
Alles in allem liegt die Bedeutung der Inspiration4-Mission wohl zuvorderst darin, als Wegbereiter für zukünftige private Flüge in den Erdorbit zu dienen. Auch der Zugang für Weltraumagenturen in den niedrigen Erdorbit wird sich stark verbessern, was im Zusammenspiel mit sinkenden Startkosten für Trägerraketen dazu führen könnte, dass mehr Forschung im All möglich wird. Begleitend wird aller Voraussicht nach auch die Zahl kurzer (Milliardärs-) Trips in die Umlaufbahn steigen, wobei auch das dadurch verdiente Geld den positiven Nutzen haben wird, ein vornehmlich für wissenschaftliche Zwecke konstruiertes Gefährt zu refinanzieren. Zumal auch solche Flüge dazu führen können, die Begeisterung für das Thema Weltraum auf der Erde zu steigern.
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INSPIRATION4 auf Falcon 9 – 1. Privater Raumflug mit Crew Dragon