Mit dem Abschalten des europäischen Telekommunikationssatelliten ECS-4 am 1. Dezember endet die Erfolgsstory der ersten Generation von Relaisstationen im Weltraum, die ausschließlich in Europa entwickelt und gebaut wurden.
Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: ESA.
Die Federführung zur Realisierung dieser damals innovativen Raumflugkörper lag in den Händen der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, die die Überwachung des Flugbetriebes über ihre Bodenstation in Redu, Belgien, für ECS-4 bis zum heutigen Tag übernommen hat. ECS-4 wurde unter der Bezeichnung Eutelsat I F4 vom internationalen Anbieter von Satellitenkommunikationslösungen Eutelsat betrieben.
Mitte der 70er Jahre wurde von der ESA ein ehrgeiziges Programm zur Entwicklung eines fortschrittlichen Nachrichtensatellitensystems in Europa aufgelegt, das ECS/OTS-Programm. Bis dahin hatten amerikanische Unternehmen den Markt für derartige Satelliten beherrscht. Da aber bereits damals klar war, dass das Kommunikationsgeschäft in den nächsten Jahren überproportional wachsen würde, war es für die europäische Wirtschaft erforderlich, sich von dieser Abhängigkeit zu lösen und an dem rasanten Wachstumsmarkt zu partizipieren.
Die Geschichte hat bewiesen, dass dies gelungen ist. Heute sind Firmen, wie Astrium oder Alcatel gleichwertige Satellitenproduzenten im weltweiten Geschäft, die bereits auch so manchen amerikanischen Kunden gewinnen konnten.
Das Programm umfasste zwei Teile: Erstens den Bau mehrerer Testsatelliten und zweitens die Realisierung eines operationellen europäischen Kommunikationssatellitensystems, für dessen Betrieb später die zwischenstaatliche Organisation Eutelsat gegründet wurde. Inzwischen ist Eutelsat privatisiert und ein erfolgreicher weltweit agierender Dienstleister für modernste Satellitenkommunikation.
Zunächst wurden die Testsatelliten unter der Bezeichnung OTS (Orbital Test Satellite) entwickelt. Sie waren für die geostationäre Umlaufbahn konzipiert, dreiachsenstabilisiert und beruhten auf einem damals revolutionären Konzept. Sie bestanden nämlich aus je einem so genannten Versorgungs- und einem Nutzlastmodul. Im Versorgungsmodul wurden alle für den Betrieb eines geostationären Satelliten nötigen Funktionen konzentriert. Dazu gehören u.a. die Energieversorgung sowie die Lage- und Bahnregelung des Raumflugkörpers. Zu diesem Grundbaustein kann relativ schnell und kostengünstig ein Nutzlastmodul mit den spezifischen Systemen zur Erfüllung der Aufgaben eines Satelliten hinzugefügt werden. Heute werden weltweit alle Kommunikationssatelliten nach diesem Baukastenprinzip gebaut. OTS besaß als erster Nachrichtensatellit Transponder (die elektronischen Sende- und Empfangsrelais an Bord des Nutzlastmoduls), die in den Frequenzbereichen 11 und 14 GHz arbeiteten und den Experimentatoren die Gelegenheit gaben, gleichzeitig digitale Breitbandübertragungen zwischen grossen Stationen und Schmalbandübertragungen zwischen kleinen Stationen zu erproben. Der Satellit besaß sechs Antennen, die Westeuropa, den Mittleren Osten, Nordafrika, die Azoren, die Kanarischen Inseln, Madeira und Island abdeckten. Nach einem Fehlstart des ersten Satelliten 1977 gelangte OTS 2 am 11. Mai 1978 in die Umlaufbahn und arbeitete mehrere Jahre erfolgreich.
Nach den gesammelten Erfahrungen mit OTS folgte in den 80er Jahren die ECS-Serie (European Communications Satellite). Insgesamt wurden vier Satelliten in den Orbit befördert. Ein fünfter ging bei einem Fehlstart 1985 verloren. ECS-4 wurde am 16. September 1987 mit einer Ariane-Trägerrakete gestartet und nach seiner Inbetriebnahme an den künftigen Besitzer Eutelsat übergeben. Dort versah er als Eutelsat I F4 seinen Dienst. Die geplante Lebensdauer von 7 Jahren wurde weit überschritten, ein Indiz für das zukunftsweisende Konzept und die hohe Qualität europäischer Raumfahrtprodukte. Zusammen mit seinen Geschwistern versahen die 9 Transponder an Bord von ECS-4 zuverlässig ihren Dienst auf verschiedenen Positionen im geostationären Orbit. ECS-4 ist nun der letzte der europäischen ECS-Relaisflotte im All, der nach über 15 Jahren Dienst abgeschaltet wurde und auf eine so genannte Friedhofsposition über dem geostationären Arbeitsorbit befördert wird. Dieses Manöver ist erforderlich, um Platz für neue aktive Satelliten zu schaffen. Damit geht eine Ära in der europäischen Raumfahrt zu Ende, die zur Schaffung einer leistungsfähigen Infrastruktur und zu international erfolgreich aktiven Raumfahrtunternehmen in Europa auf dem Sektor der Telekommunikation geführt hat.