Nachdem der Start von GSAT 4 am 15. April 2010 nicht gelang, will die Indische Weltraumforschungsorganisation (ISRO) elektrische Triebwerke jetzt zum ersten Mal an Bord des neuen Kommunikationssatelliten GSAT 9 testen.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ISRO, Keldysch, The New Indian Express.
Aktuell hofft die ISRO auf einen Start von GSAT 9 im Frühjahr 2017 auf der GSLV Mk. II mit der Flugnummer F09. An Bord des neuen Satelliten, der mit dem üblichen chemischen Apogäumsmotor und chemischen Triebwerken für Bahnkorrekturen und Lageregelung ausgerüstet sein wird, sollen elektrische Triebwerke als Alternative beim Bahnerhalt zum Einsatz kommen.
GSAT 4 war unter anderem mit zwei Hall-Effekt-Triebwerken des Typs KM-45 für den Ausstoß von Xenon mit einem Nominalschub von 17 Millinewton vom staatlichen russischen Forschungszentrum Keldysch aus Moskau ausgestattet gewesen. Ergänzt wurden sie durch zwei in Indien konstruierte Triebwerke mit einem Nominalschub von jeweils 13 Millinewton. Zusammen sollten sie zweieinhalb Jahre die Manöver zum Bahnerhalt in Nord-Süd-Richtung übernehmen.
Zur Steuerung und Kontrolle der elektrischen Triebwerke war ein G4-PPCS für „GSAT 4 power processing and control system“ genanntes System installiert. Der Speicherung von Xenon und der Versorgung der Triebwerke war eine als G4-XFS für „GSAT 4 xenon feed system“ bezeichnete Baugruppe gewidmet. 27 Kilogramm Xenon führte GSAT 4 in der Anlage mit.
Derzeit besitzen Satelliten der GSAT-Reihe mit Massen im Bereich zwischen 2 und 2,5 Tonnen Lebensdauern zwischen 10 und 12 Jahren. Mit Hilfe elektrischer Triebwerke soll sich die Einsatzdauer eines solchen Satelliten um bis zu 4 Jahre ausdehnen lassen, wenn keine chemischen Antriebssysteme mehr mitgeführt werden.
Bei den derzeitigen Satelliten macht getankter Treibstoff für chemische Triebwerke einen großen Anteil an der Startmasse aus. Die ISRO spricht von 40 – 50 Prozent. Wenn es nicht mehr erforderlich ist, solch eine große Menge chemischen Treibstoffs mitzuführen, sind für die dem Anwendungszweck des Satelliten gewidmete Anlagen und Geräte größere Massen möglich.
Die für GSAT 9 vorgesehenen Triebwerke vom Typ KM-88 sind fertig entwickelt. Ihr Entwurf erfolgte nach einem Aufrag aus Indien wiederum beim Forschungszentrum Keldysch, das zwischenzeitlich eine Anzahl von flugtauglichen Exemplaren nach Indien geliefert hat. An Bord von GSAT 9 – welcher auf dem indischen Satellitenbus I-2K aufgebaut ist – werden die Triebwerke mit einem Schub von 72 Millinewton nur für den Bahnerhalt verwendet werden, bei zukünftigen indischen Kommunikationssatelliten könnten sie alle anfallenden Antriebsaufgaben bewältigen.
Am Projekt beteiligt sind hauptsächlich das Satellitenanwendungszentrum der ISRO (ISRO Satellite Applications Centre, ISAC), das Zentrum für Flüssigkeitstriebwerkssysteme (Liquid Propulsion Systems Centre, LPSC) und das Vikram Sarabhai Raumfahrtzentrum (Vikram Sarabhai Space Centre, VSSC).
Für GSAT 9 ist eine Auslegungsbetriebsdauer von 12 Jahren vorgesehen. Während seiner aktiven Einsatzzeit soll der Satellit neben der Bereitstellung unterschiedlichster Kommunikationsverbindungen mit 12 Ku-Band-Transpondern auch eine Nutzlast für das indische System zur Unterstützung von GPS im Bereich Indiens durch zusätzliche Korrektursignale, GAGAN für „GPS Aided Geo Augmented Navigation“ genannt, an Bord betreiben.
Die kumulierte Nutzlastleistung wird auf rund 2,3 Kilowatt beziffert. Die Versorgung der Nutzlast und des raumflugtechnischen Teils von GSAT 9 mit elektrischer Energie erledigen nach Plan zwei Solarzellenausleger, die in Zeiten ohne ausreichende Sonneneinstrahlung durch Akkumulatoren unterstützt werden.
Als voraussichtliche Startmasse des dreiachstabilisierten Satelliten werden rund 2.330 Kilogramm genannt. Nach dem Start auf einer indischen Rakete des Typs GSLV Mk. II will man das Raumfahrzeug auf eine Position bei 48 Grad Ost im Geostationären Orbit (GEO) steuern, um von dort aus das gesamte indische Mutterland sowie die Inseln der Andamanen und Nikobaren zu erreichen.
Die Konstruktion des neuen Satelliten gleicht nach Angaben aus Indien im Wesentlichen der von INSAT 4C. Letzterer wurde bei einem Fehlstart auf einer GSLV-Rakete am 10. Juli 2006 zerstört.
Den am GSAT-9-Projekt beteiligten Institutionen, Wissenschaftlern und Ingenieuren ist zu wünschen, dass der Raketentyp GSLV bzw. GSLV Mk. II nach einer langen Entwicklungs- und Testperiode, die von zahlreichen Schwierigkeiten gekennzeichnet war, zwischenzeitlich so weit gereift ist, dass auch GSAT 9 ohne Störungen auf den geplanten Erdorbit gebracht werden kann.