Ein Grund zum Lächeln für treue Fanboys? Das Multi-Purpose Crew Vehicle (MPCV) der NASA fliegt mit alter Appletechnik im Bordrechner. Könnte man sagen …
Ein Beitrag von Roman van Genabith. Quelle: NASA.
Das Raumfahrzeug Orion verkörpert die Zukunft der bemannten Raumfahrt, wie sie sich die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtagentur (NASA) vorstellt. Mit dem Multi-Purpose Crew Vehicle (MPCV) sollen zukünftig wieder Astronauten mit amerikanischer Technik in die Umlaufbahn und erstmals seit den Apollomissionen auch wieder darüber hinaus gelangen.
Seinen Erstflug absolvierte Orion am 5. Dezember 2014, Raumfahrer.net berichtete. Dabei durchflog Orion u.A. den sog. Van-Allen Gürtel und war für etwa 15 Minuten starker elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt.
Der Van Allen-Gürtel ist eine die Erde ringförmig umgebende Zone starker elektromagnetischer Aktivität, die durch energiegeladene Teilchen, die vom Erdmagnetfeld eingefangen werden, erzeugt wird. Diese nach dem 2006 verstorbenen US-amerikanischen Astrophysiker James Alfred van Allen benannte Anomalie gliedert sich in zwei Strahlungszonen:
Die innere Zone erstreckt sich in einer Distanz von 700-6000 km von der Erde und wird hauptsächlich durch Energiereiche Protonen charakterisiert, während in der äußeren Zone in etwa 15.000 km Höhe Elektronen dominieren.
Während frühere Annahmen von einer Entstehung des Gürtels durch die Einwirkung von Sonnenwinden und kosmischer Strahlung ausgingen, legen neuere Forschungsergebnisse, die u.A. durch die beiden Sonden Van Allen A und Van Allen B gewonnen werden konnten nah, dass die starke Ladung der Teilchen in diesem Bereich durch eine Wechselwirkung der kosmischen Strahlung mit dem Magnetfeld der Erde entsteht, vgl.G.D. Reeves et. all; Electron Acceleration in the Heart of the Van Allen Radiation Belts (in Science 06/2013 (hinter Paywall)).
Die Strahlenbelastung von bis zu 200 mSv/h im Kernbereich des inneren Gürtels und bis zu 50 mSv/h im Kernbereich des äußeren Gürtels, gemessen hinter 3 mm dickem Aluminium, kann für bemannte Raummissionen gesundheitlich relevante Implikationen bedeuten und ist bei Aufenthalten in diesen Regionen daher zu berücksichtigen.
Doch nicht nur der menschliche Organismus reagiert auf Strahleneinwirkung in großen Höhen oder im Weltraum unvorteilhaft. Die im Weltraum herrschenden Strahlungseinflüsse sind „Gift“ für die Bordelektronik von Raumfahrzeugen, die daher auf besonders robuste Komponenten angewiesen ist. Was bei einem Blick auf die Spezifikationen im ersten Moment wie ein Ausflug ins technische Museum wirkt, ist den destruktiven Umwelteinflüssen außerhalb der Atmosphäre und dem Umstand, dass nach erfolgtem Start in der Regel keine physische Wartung mehr möglich ist, geschuldet.
Eine der bei Raummissionen drohenden Beeinträchtigungen der technischen Installationen sind u.A. sog. Single Event Upsets (SEU), diese beim Durchgang hoch energetischer Teilchen, etwa Protonen, wie sie im Van Allen-Gürtel vorkommen, in Halbleiterelementen auftretenden Speicherfehler können u.A. zu Bitflips – Zustandsänderungen eines Bits in einem Speicherbaustein – führen, was gewonnene Messdaten korrumpieren oder die Funktionsfähigkeit des Bordcomputers beeinträchtigen kann.
Da Erdmagnetfeld- und Atmosphäre die Energiereiche solare und kosmische Strahlung großteils absorbieren und die auf der beschriebenen Wechselwirkung zwischen Erdmagnetfeld und äußerer Strahleneinflüsse erst deutlich außerhalb der Atmosphäre auftritt, sind störende Einflüsse durch ionisierende Teilchendurchgänge überwiegend ein Problem der Luft-, vor Allem aber der Raumfahrt, wenn auch zunehmend kleinere Strukturbreiten auch konventionelle Halbleiterbauteile, etwa in Computern und Smartphones, anfällig werden lassen.
Zum Schutz der Elektronik in Raumfahrzeugen sind verschiedene Strategien möglich. Gegen niedrigenergetische Teilchen können Abschirmungen gegen ionisierende Teilchen wirksam sein. Diese haben jedoch neben dem augenfälligen Nachteil zusätzlichem Gewichts das Problem, dass beim Durchgang hochenergetischer Teilchen Sekundärstrahlung erzeugt wird, die ihrerseits schädigende Wirkungen zeitigen kann.
Methoden zur Fehlerkorrektur können Speicherinhalte gegen auftretende Einzel- oder Mehrbitfehler schützen. Die Triple Modular Redundancy (TMR) gewährleistet die Konsistenz von Speicherdaten eines zu sichernden Bauelements durch drei zusätzliche identische Module und eine nachgeschaltete Entscheidungsinstanz. Dieses „Voter“ genannte Element übernimmt jeweils das von der Mehrheit der drei gleichwertigen Module ausgegebene Ergebnis.
Moderne Prozessoren (CPUs) und Speicherbausteine zeichnen sich durch eine ständig abnehmende Strukturbreite der Baugruppen in Halbleiterelementen aus, so korreliert beispielsweise eine im Sinne erhöhter Rechenleistung steigende Transistorenanzahl mit einer abnehmenden Strukturbreite, um eine höhere Performance auf gleicher oder geringerer Fläche zu realisieren. Dies ist ein Grund für die Verwendung weniger dicht gepackter unf somit robusterer Baugruppen für den Einsatz in der Raumfahrt.
Bevor Apple bei seinen Notebooks auf die verbreiteten Intel-CPUs umstieg, setzte der Smartphone- und Computerhersteller lange auf Prozessoren aus IBMs PowerPC-Familie. Zwölf Jahre nach seiner ersten Markteinführung des Prozessorvariante 750FX findet ein Vertreter dieser Reihe Eingang in eine Weltraummission. Wie geek.com berichtet, wurde in der von Honeywell, einem US-amerikanischen Mischkonzern, dessen Luft- und Raumfahrtsparte, die u.A. Triebwerke für Businessjets herstellt und neben Airbus und Boeing auch die NASA als verlässlichen Abnehmer hat, gefertigten Steuerkonsole ein Hauptprozessor der PowerPC-750FX-Reihe verbaut.
Dieser von IBM und Motorola hergestellte Chip trieb das Anfang 2003 erschienene Notebook iBook G3 an. Ebenso wie im Apple-Notebook taktet er im MPCV mit 900 MHz bei einer Bus-Geschwindigkeit von 166 MHz. Der PowerPC-750FX verfügt über einen 512 KByte L2-Chache und wurde im 130-nm-Prozess hergestellt. Leistungsseitig verglichen kommt der alte iBook-Prozessor in etwa auf das Level eines Samsung Galaxy S3 Smartphones.
Das aktuelle iPhone 6/6+ besitzt mit dem von Apple selbst designten A8 eine CPU, die im 20-nm-Verfahren gefertigt wurde. Im Vergleich gesehen belegen die Zahlen einerseits die Tendenz zur Miniaturisierung bei kontinuierlicher Leistungsmaximierung im Halbleiterdesign und gleichzeitig die abnehmende Beständigkeit heutiger Elektronik gegen hochenergetische Strahlung. Der erwähnten Redundanz trug das unlängst gestartete Orion-Modell mit drei baugleichen Bordcomputern Rechnung, die jeweils über zwei sich gegenseitig überwachende PowerPC-750FX-Einheiten verfügen.
Die verantwortlichen Ingenieure sind sich der Herausforderung durch höhere Strahlenniveaus weiter draußen im Raum bewusst, sind jedoch zuversichtlich, dass der Orion-Bordcomputer sich in seinem jetzigen Design bewähren und keine dauerhaften Schäden nehmen wird. Daher werden die bemannten Orion-Flüge mit zwei statt deren drei Einheiten auskommen müssen. Einzig die für das Missionsprofil eines bemannten Schiffes zu lange Reboot-Zeit von 20 Sekunden erfordert, dass die redundante Reserveeinheit bei zukünftigen Flügen permanent mitlaufen wird.
Neben der höheren Ausfallsicherheit ist ein weiterer Vorteil bei der Nutzung älterer Komponenten die größere Erfahrung mit ihnen. Da nach dem Start kein Austausch mehr erfolgen kann, sind Erfahrungswerte mit einem Bauteil eine entscheidende Ressource für die Ingenieure am Boden im Falle von Problemen.
Allerdings haben die NASA-Ingenieure nicht einfach ein paar 750FX-Einheiten aus dem Karton geholt und in ihr neues Flaggschiff eingebaut. Der Auftragsfertiger der NASA Honeywell verbaut in Lizenz speziell für Weltraumbedingungen gehärtete Versionen des PowerPCs. Diese sind u.A. gegen Vibrations- und Strahlungseinwirkungen isoliert.
Der nächste als Exploration Mission 1 (EM1) bezeichnete Flug von Orion soll nach aktuellem Planungsstand bis spätestens 2018 stattfinden und u.A. das Startabbruchsystem einem Test unterziehen. Außerdem wird EM1 der Erstflug des NASA Space Launch Systems (SLS), der neuen US-amerikanischen Schwerlastrakete, die erstmals eine höhere Nutzlast als die mit Apollo berühmt gewordene Saturn-5-Rakete starten können soll.
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