Der Start der NASA-Mission IBEX markiert ein neues Kapitel in der Erforschung der Grenze unseres Sonnensystems. Die Sonde wird eine Region untersuchen, über die wir bisher nur sehr wenig wissen.
Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: NASA.
Am 16. Dezember 2004 dringt die 27 Jahre zuvor gestartete Raumsonde Voyager 1 in die Randbereiche der Heliosphäre vor. Trotz weiterer Daten der Schwestersonde Voyager 2, welche die selbe Schwelle im August 2007 überquert, fehlt der Wissenschaft weiter das große Bild der Grenzregion unseres Sonnensystems. Denn wie die Schockwelle zwischen Sonnenwind und interstellarem Teilchenstrom wirklich aussieht und welchen zeitlichen Schwankungen sie unterworfen ist, ist völlig ungeklärt. Der Interstellar Boundary Explorer (IBEX) der NASA soll das ändern.
Die Sonne schleudert ständig einen dichten Strom geladener Teilchen ins Planetensystem, der jedoch nur wenig mit irdischen Orkanen gemein hat. In jeder Sekunde verliert unser Stern rund eine Million Tonnen Masse, die als Sonnenwind mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 400 Kilometern pro Sekunde in das Sonnensystem vordringen. Diese erzeugen eine Blase aus solarer Materie mit einer scharfen Bugwelle und einem längeren Schweif, die wir als Heliosphäre bezeichnen. In wachsendem Abstand zur Sonne nimmt ihre Dichte immer weiter ab, bis der Teilchenstrom schließlich beginnt, mit der interstellaren Materie zu interagieren: Auf seiner Bahn um das Zentrum der Milchstraße bewegt sich das Sonnensystem durch einen Teil des interstellaren Raums, der aus einem dünnen Materiegemisch besteht. Hier tummeln sich Staub, Überreste von Supernovae, Teilchen aus dem Wind anderer Sterne und Atome, die direkt nach dem Urknall entstanden. Am Rande der Heliosphäre werden zuerst die Sonnenwindteilchen abgebremst und erreichen am Termination Shock Unterschallgeschwindigkeit, was zu einem Aufheizen und veränderten Magnetfeldern führt. In der Heliopause kommen beide Teilchenströme zum Stillstand. Auf der anderen Seite beginnt der beeinflusste Bereich des interstellaren Mediums mit dem Bow Shock.
Während die Voyager-Sonden mehrere Punkte des Termination Shock erkunden konnten, reicht ihr Instrumentarium nicht für großräumigere Untersuchungen dieser Region aus. Voyager 2 passierte die Schwelle innerhalb von mehreren Tagen gleich fünfmal und in einem Abstand von rund 84 Astronomischen Einheiten (AE), während Voyager 1 bei der Passage der Grenze noch 94 AE von der Sonne entfernt war. Das heißt, dass die Grenzregion des Sonnensystems starken Schwankungen unterliegt, die vermutlich mit den Aktivitätszyklen der Sonne zusammenhängen und nicht nur im Jahres-, sondern auch im Tagesrhythmus variieren.
IBEX ist die erste Mission, die eine globale Karte der Grenze unseres Sonnensystems erstellen soll. Die unbetankt nur 107 Kilogramm schwere Sonde wurde am 19. Oktober von Bord eines Frachtflugzeugs aus rund 12 Kilometern Höhe mit einer Pegasus XL-Trägerrakete gestartet. Die auch im Budget leichtgewichtige 165 Millionen US-Dollar-Mission gehört zum Small Explorer-Programm der NASA und soll Vorkommen und Dichte neutral geladener Atome in der Grenzregion aufzeichnen. Die Messungen werden während der zwei Jahre dauernden Mission zu einer Karte des Termination Shock zusammengeführt.
Aus dem Erdorbit lässt sich die Grenze der Heliosphäre nur mit Hilfe von energetic neutral atoms (ENAs) nachvollziehen. Treffen energetische geladene Teilchen des Sonnenwindes mit den neutralen interstellaren Atomen zusammen, kommt es zu einem Ladungsaustausch. Das nun neutrale Teilchen verlässt daraufhin als ENA den Ort des Geschehens auf einer gerade Flugbahn, da es anders als Ionen nicht mehr durch äußere Magnetfelder beeinflusst werden kann. Misst man nun Masse und Energie der ENAs aus einer definierten Richtung, sind direkte Rückschlüsse auf die Interaktionen in ihrem Entstehungsgebiet möglich.
Das Fliegengewicht IBEX kann seine wissenschaftliche Aufgabe mit nur zwei Instrumenten erfüllen. IBEX-Hi und IBEX-Lo sollen die neutralen Atome aufnehmen, diese zur besseren Bestimmung ionisieren und schließlich in festgelegten Energiebereichen identifizieren und zählen. Ein Kollimator wird das Sichtfeld der Instrumente eingrenzen, um einzelne Raumregionen genau beproben zu können. Die Messungen kann IBEX – ein klarer Vorteil gegenüber den Voyager-Veteranen – bequem von zu Hause aus vornehmen: Die Sonde wird in eine stark exzentrische Erdumlaufbahn geschossen, auf der sie 5.000 bis 300.000 Kilometer von der Erde entfernt. Das ist wichtig, da die Magnetosphäre des Planeten sonst genaue Messungen behindern kann. Der Perigäum innerhalb des Einflussbereichs des Erdmagnetfelds soll zur Übertragung der Daten an die Bodenstation genutzt werden.
Ziel der IBEX-Mission ist ein besseres Verständnis der Grenze unseres Sonnensystems, die rund 100 AE oder 15 Milliarden Kilometer von uns entfernt liegt. Erst kürzlich wurde sie erstmalig von aktiven Raumsonden durchquert, die bereits vor Jahrzehnten die Erde verließen. Mit indirekten Messmethoden gelingt es IBEX, die Region von der Erde aus zu vermessen. Die Grenze wird nicht nur durch Schwankungen in der Sonnenaktivität ständig verschoben, sondern auch durch externe Einflüsse wie explodierende Sterne, deren Strahlungseinflüsse auch das Leben auf der Erde beeinflussen können.
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Verwandte Webseiten:
- NASA: IBEX-Missionsprofil (engl.)
IBEX Missions-Webseite (engl.)
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