Hyperschall-Triebwerke

Mit Hilfe so genannter Hyperschall-Triebwerke sollen Flugzeuge in absehbarer Zukunft in bisher unvorstellbare Geschwindigkeitsbereiche vorstoßen, und auch für wiederverwendbare Raumfahrzeuge scheinen solche Triebwerke interessant zu sein.

Autor: Michael Stein.

Das Scramjet-Testflugzeug X43-A (gelbe Markierung) an der Spitze der Trägerrakete, die von einem B 52-Bomber aus gestartet wird.
(Grafik: NASA)

Hyperschall-Triebwerke sollen in Geschwindigkeitsbereichen arbeiten, die mit heute üblichen Düsentriebwerken nicht mehr zu erreichen sind: Die Konstrukteure dieser zur Zeit noch am Anfang der praktischen Erprobung stehenden Technologie wollen mit ihnen Geschwindigkeiten zwischen Mach 3 und Mach 20 erreichen (ein Mach entspricht einfacher Schallgeschwindigkeit).

Die grundlegenden Ideen für die Konstruktion von Staustrahltriebwerken sind nicht neu. Bereits im Jahr 1928 wurde dem Ungarn Albert Forno ein (deutsches) Patent für ein Triebwerk erteilt, das alle wesentlichen Elemente und Konzepte des so genannten Ramjet-Triebwerks enthielt. Warum es dann nicht schon lange Flugzeuge gibt, die mit zehn- oder zwanzigfacher Schallgeschwindigkeit zwischen den Kontinenten hin- und herfliegen? Einer der wichtigsten Gründe ist sicherlich das Problem des Tests eines solchen Antriebs. Prinzipbedingt funktionieren die nachfolgend näher vorgestellten Hyperschall-Triebwerke erst ab etwa Mach 3 aufwärts. Solange die Flugzeug- und Triebwerkstechnologie also nicht weit genug ist, um Testflugzeuge auf diese extremen Geschwindigkeiten zu bringen, damit ein Hyperschall-Triebwerk getestet werden kann, können die besten theoretischen Konzepte auch nicht umgesetzt werden.

Aufbau und Arten von Staustrahltriebwerken

Das experimentelle Scramjet-Triebwerk des HyShot-Programms an der Spitze der Trägerrakete.
(Foto: University of Queensland)

Zwei wesentliche Elemente zeichnen ein Staustrahl-Triebwerk aus: Es ist ein luftatmendes Strahltriebwerk, und es verfügt (im Gegensatz zu konventionellen Düsentriebwerken) nicht über eine Turbine.

Wie jedes andere Düsentriebwerk auch wird in einem Staustrahltriebwerk komprimierter Luftsauerstoff mit Treibstoff vermengt. Dieses Gemisch wird anschließend verbrannt, expandiert dadurch und erzeugt beim Austritt aus dem Triebwerk einen in entgegengesetzter Richtung wirkenden Schub. Bei konventionellen Strahltriebwerken, wie sie heutzutage in der zivilen und militärischen Luftfahrt verwendet werden, wird die einströmende Luft mit Hilfe von Turbinenschaufeln im Inneren des Triebwerks zunächst komprimiert, bevor der Treibstoff zugegeben und das Gemisch verbrannt wird. Diese Verdichtung durch eine Turbine ist bei Staustrahltriebwerken nicht notwendig: Durch die extrem hohe Geschwindigkeit, mit der die Luft in das Triebwerk einströmt, reicht bereits eine speziell geformte Düse aus (der so genannte Überschalldiffusor), um die notwendige Verlangsamung und damit Kompression der Luft für den Verbrennungsvorgang zu erreichen.

Ramjet-Triebwerke (= Staustrahl-Triebwerke) sind für Geschwindigkeiten von etwa Mach 3 bis Mach 6 geeignet. Bei geringeren Geschwindigkeiten ist die Kompression der einströmenden Luft für den Betrieb nicht groß genug, und bei höheren Geschwindigkeiten wird die Brennkammer zu heiß. Ab etwa Mach 5 kommen dann die so genannten Scramjet-Triebwerke (= Supersonic-Combustion Ramjets [Überschallverbrennungs-Staustrahltriebwerke]) ins Spiel, bei denen die einströmende Luft aufgrund eines anders geformten Überschalldiffusors weniger stark komprimiert wird und die Temperatur im Triebwerk auch weniger stark ansteigt; im Gegensatz zum Ramjet-Triebwerk bleibt die Luft bei ihrem Weg durch das Triebwerk überschallschnell. Als theoretisches Limit für Hyperschall-Triebwerke dieser Bauart gelten Geschwindigkeiten von etwa Mach 25.

Gegenüber einem Raketenantrieb haben die eben beschriebenen Antriebsarten den entscheidenden Vorteil, dass sie keinen Oxidator wie Sauerstoff mit sich führen müssen – diese Funktion übernimmt der Luftsauerstoff. Dadurch kann die Größe und das Gewicht des Flugzeugs verringert werden, was natürlich eine erhebliche Kostenersparnis bedeutet. Als Treibstoff wird bei den derzeit laufenden Versuchen flüssiger Wasserstoff verwendet. Aufgrund der niedrigen Temperatur dieses Treibstoffs kann er vor dem Verbrennungsvorgang auch zur Kühlung des Triebwerks beitragen. Alleine mit Staustrahltriebwerken kann ein Flugkörper allerdings nicht betrieben werden. Für niedrige Geschwindigkeitsbereiche werden immer konventionelle Triebwerke benötigt, die ihn auf die erforderliche „Betriebsgeschwindigkeit“ für Staustrahltriebwerke bringen.

Der Verlauf des HyShot-Tests. Nur für rund fünf Sekunden (gelbe Markierung) wurde das Triebwerk gezündet.
(Grafik: University of Queensland)

Praktische Versuche
Wie zu Beginn bereits erwähnt kann das Prinzip des Staustrahltriebwerks bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken, und auch erste Flugtests fanden schon vor rund 40 Jahren statt. Im Februar 1959 flog das französische Flugzeug Griffon II mit einem so genannten „Turboramjet-Triebwerk“ mit einer Geschwindigkeit von 1.640 km/h. Zu dieser Zeit begannen auch amerikanische, russische und britische Tests mit Staustrahltriebwerken, die aber aufgrund des unzureichenden Stands der Technik allesamt erfolglos blieben. Zuletzt stellte die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA im Jahr 1993 das National Aerospace Plane-Programm aufgrund von Kostenüberschreitungen ein, dessen Ziel die Entwicklung eines mit Staustrahltriebwerken angetriebenen Flugzeugs war.

In den letzten Jahren ist jedoch wieder mehr Schwung in die Entwicklung von Ramjet– und Scramjet-Triebwerken gekommen. Die NASA baut im Rahmen ihres X-43A-Programms drei rund 3,5 Meter lange Flugmodelle, mit denen Scramjet-Antriebe getestet werden sollen. Hierzu werden die Testflugkörper durch eine Rakete beschleunigt und sollen nach Erreichen einer Flughöhe von etwa 30 Kilometern mit Hilfe des eigenen Staustrahltriebwerks Geschwindigkeiten bis Mach 10 erreichen. Der erste derartige Versuch schlug jedoch am 2. Juni 2001 fehl, da die „Starthilfe-Rakete“ während des Flugs versagte.

Ein anderes Zentrum für die Entwicklung solcher Triebwerke ist die University of Queensland in Australien, wo erst vor einigen Tagen ein anscheinend erfolgreicher Test eines Scramjet-Triebwerks stattgefunden hat. Seit rund 20 Jahren wird dort theoretische Grundlagenforschung zu diesem Thema betrieben, und seit 1987 steht den Forschern dort ein Windkanal zur Verfügung, der speziell für die Arbeit an Scramjet-Triebwerken entworfen ist. Im Rahmen des so genannten HyShot-Forschungsprogramms wurde gemeinsam mit internationalen Partnern – darunter auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt – im letzten Jahr erstmalig ein experimentelles Scramjet-Triebwerk an der Spitze einer Höhenforschungsrakete getestet. Aufgrund eines Fehlers in der Trägerrakete schlug dieser erste Test jedoch fehl.

Beim nun anscheinend geglückten zweiten Anlauf wurde erneut ein solches Triebwerk mit Hilfe einer Höhenforschungsrakete vom australischen Startplatz Woomera aus bis auf eine Höhe von etwa 330 Kilometer geschossen. Nach Erreichen des Gipfelpunktes der parabelförmigen Flugbahn stürzte die Rakete antriebslos zur Erde zurück. Nach dem Erreichen einer Geschwindigkeit von Mach 7,6 in rund 35 Kilometern Höhe wurde für etwa fünf Sekunden das Scramjet-Triebwerk zu Testzwecken gezündet, bevor es samt Trägerrakete kurze Zeit später auf der Erdoberfläche zerschellte.

Ausblick
Man braucht kein Pessimist zu sein, um zu prognostizieren, dass es wohl noch viele Jahre dauern wird, bis das erste nicht-experimentelle Flugzeug (oder Raumfahrzeug?) mit einem Scramjet-Triebwerk abhebt. Angesichts der enormen technischen Probleme und der damit verbundenen hohen Entwicklungskosten ist im Moment noch nicht absehbar, wann – wenn überhaupt – diese Triebwerke neue, kostengünstige Transportmittel für den Weg in den Erdorbit wie auch Flugzeuge für ultraschnelle Interkontinentalflüge möglich machen werden.

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