Huygens ist auf dem Weg zum Titan!

Heute nacht um 04:24 Uhr kam das Signal von Cassini, dass die Abtrennung von Huygens genau so verlaufen ist wie geplant. Ein Ausblick auf den weiteren Verlauf von Huygens´ Mission.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: ESA.

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Cassini schickt Huygens auf ihren letzten Weg.
(Illustration: ESA)

Wie die NASA nach dfer Auswertung der von Cassini übermittelten Telemetriedaten meldete, traten keinerlei Fehler auf. Das Abstoßmanöver verlief exakt so wie geplant.

Damit ist Huygens nun endlich unterwegs und wir können gespannt sein, ob sich der Abstieg durch die Titanatmosphäre so abspielt wie theoretisch errechnet und bereits 1995 bei einem Ballon-Abwurfversuch aus über 30 Kilometer Höhe erfolgreich simuliert wurde. Die ESA hat betont, dass Huygens vorwiegend als Abstiegs- und nicht als Landesonde konzipiert wurde. Die Primärmission der Sonde umfasst also nur den Abstieg und endet mit dem Aufschlag auf der Titanoberfläche. Funktioniert die Sonde bis dahin (und gelangen die Daten zur Erde…), wird das gesamte Projekt bereits als Erfolg gewertet. Dass die Sonde den Aufschlag übersteht und noch eine Weile Daten liefert, hoffen wir natürlich alle, aber dies zählt dann schon als erweiterte Mission.

Der weitere Ablauf aus Sicht der Erde in mitteleuropäischer Zeit:

25.12. 15:38 Uhr Cassini nimmt Kontrollbilder von Huygens auf.

26.12. 22:08 Uhr Test von Cassinis Huygens-Relaisempfänger.

28.12. 05:07 Uhr Cassini ändert seine Flugbahn zum Vorbeiflug am Titan am 14.01.05 in 60.000 km Entfernung.

01.01. 05:44 Uhr Vorbeiflug an Iapetus in 117.500 km Entfernung.

07.01. 11:07 Uhr Beginn der kritischen Huygens-Relaisphase für Cassini: Fast alle Instrumente deaktivieren, Datenspeicher leeren und vorbereiten, vollautomatische Abwicklung der Relaisphase ohne Einwirkung der Bodenstation.
14.01. 11:13 Uhr Huygens erreicht den Eintrittspunkt 1.270 km über dem Titan.

„Das Ausklinken heute ist ein weiterer Meilenstein der Mission Cassini/Huygens„, erklärte der Wissenschaftsdirektor der ESA, Dr. David Southwood. „Nach sieben Jahren Zusammenleben kam heute die gütliche Trennung. Wir danken unseren Partnern bei der NASA herzlich für’s Mitnehmen. Cassini und Huygens werden nun eigene Wege gehen, aber wir rechnen damit, dass sie bis zum Ende dieser faszinierenden Mission in Kontakt bleiben werden. All unsere Hoffnungen und Erwartungen richten sich jetzt auf die ersten Daten aus einer neuen Welt, von deren Erforschung wir seit Jahrzehnten träumen.“

Schlussphase von Huygens‘ siebenjähriger Reise
Die gemeinsam von der NASA, der ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI entwickelte Mission begann am 15. Oktober 1997 mit dem Start des Sondenpaares an Bord einer Titan 4B/Centaur von Cape Canaveral in Florida. Die beiden Sonden brachten beim Start insgesamt 5 548 kg auf die Waage, was sie zur bisher größten Raumsonde zu den äußeren Planeten machte. Um die für die Reise zum Saturn erforderliche Geschwindigkeit erreichen zu können, mussten sie vier Vorbeischwungmanöver absolvieren – zwei an der Venus, eins an der Erde und ein weiteres am Jupiter. Am 1. Juli ist das Paar als erstes Raumfahrzeug in eine Umlaufbahn um den Saturn eingetreten.

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Huygens im Anflug auf den Titan.
(Illustration: ESA)

Im Verlauf seiner dritten Umrundung des Ringplaneten führte der Orbiter am 17. Dezember ein Manöver durch, das ihn und Huygens auf einen kontrollierten Kollisionskurs mit Titan brachte. Wie geplant, fand am 22. Dezember eine Feinabstimmung statt, um Huygens auf seinen nominalen Eintrittskurs zu bringen. Während Huygens auf diesem Kurs bleiben und am 14. Januar in die Atmosphäre des Titan eintauchen wird, muss Cassini am 28. Dezember ein weiteres Kurskorrekturmanöver vornehmen, um nicht ebenfalls auf dem Saturnmond einzuschlagen.

Huygens befindet sich während ihres 20tägigen Flugs in Richtung Titan in „abgeschaltetem“ Zustand. Vier Tage vor der Abtrennung wurde ein Dreifach-Timersystem programmiert, das die Systeme der Sonde kurz vor ihrer Ankunft am Titan reaktivieren wird.

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Huygens über Titan.
(Illustration: ESA)

Erforschung der Atmosphäre des Titan
Wenn alles nach Plan verläuft, wird Huygens am 14. Januar um etwa 11.13 Uhr (MEZ) in einem relativ steilen Winkel von 65° und mit einer Geschwindigkeit von 6 km/s in die Atmosphäre des Titan eintauchen. Das Zielgebiet befindet sich über der südlichen Hemisphäre auf der Tagseite. Die von einem ablativen Hitzeschild geschützte Sonde wird binnen drei Minuten auf 400 m/s abbremsen und anschließend in rund 160 km Höhe ihren 2,6-m-Lenkfallschirm entfalten. Dieser Schirm wird nach 2,5 Sekunden die hintere Abdeckung der Sonde entfernen, so dass sich der Hauptschirm mit seinen 8,3 m Durchmesser entfalten und die Sonde stabilisieren kann. Anschließend wird der vordere Schild abgeworfen, und die Sonde, deren Hauptzweck die Erforschung der Atmosphäre des Titan ist, wird Einlässe öffnen und Ausleger ausfahren, um die wissenschaftlichen Daten zu erfassen. Sämtliche Instrumente werden unmittelbaren Kontakt zur Atmosphäre haben, um eingehende Messungen ihrer Struktur, Dynamik und chemischen Zusammensetzung vornehmen zu können. Gleichzeitig wird die Sonde während ihres Abstiegs Bildaufnahmen der Titanoberfläche machen. Diese Daten werden direkt an den Cassini-Orbiter gefunkt, der sich dem Titan während dieser Zeit auf bis zu 60 000 km nähern wird. Radioteleskope auf der Erde werden außerdem versuchen, die Signale direkt zu empfangen.

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Huygens wechselt den Schirm.
(Illustration: ESA)

Nach 15 Minuten wird Huygens in rund 120 km Höhe ihren Hauptfallschirm abwerfen, worauf ein kleinerer Bremsschirm mit 3 m Durchmesser zum Einsatz kommt, um innerhalb der Laufzeit der Batterien der Sonde den weiteren Abstieg durch die Atmosphäre zu ermöglichen.

Vom Eintauchen in die Atmosphäre bis zum Aufprall von Huygens auf der Oberfläche des Titan mit einer Geschwindigkeit von rund 6 m/s werden etwa 140 Minuten vergehen. Wenn die Sonde all dies ohne Schaden übersteht, beginnt dann ihre erweiterte Mission der unmittelbaren Charakterisierung der Oberfläche dieses Saturnmondes, solange die Batterien reichen und Cassini vom Landeplatz aus „sichtbar“ ist, das heißt maximal 130 Minuten.

Anschließend wird der Cassini-Orbiter seine Hauptantenne wieder der Erde zuwenden und die von Huygens gesammelten Daten überspielen, die 67 Minuten später von der 70-m-Antenne der NASA im australischen Canberra empfangen werden sollen. Es sind drei Übertragungen vorgesehen, um sicherzugehen, dass keine Daten verlorengehen. Danach wird Cassini seine Mission der Erforschung des Saturn und seiner Monde fortsetzen, wobei er in den kommenden Monaten und Jahren noch Dutzende Male am Titan vorbeifliegen wird.

Eine Sonde in den Tiefen von Raum und Zeit
Der Titan ist größer als der Merkur und etwas kleiner als der Mars. Was ihn einzigartig macht, ist seine dichte, dunstige, stickstoffreiche Atmosphäre mit ihren Kohlenstoffverbindungen, die wertvolle Hinweise zur Beantwortung der Frage beinhalten könnten, wie die Erde bewohnbar wurde. Es wird vermutet, dass die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre stark der der Erde vor Beginn des Lebens ähnelt; sie ist allerdings kälter (-180°C), weswegen es dort kein Wasser in flüssiger Form gibt. Die Ergebnisse der Erkundungen vor Ort durch Huygens dürften uns also in Kombination mit den weiträumigeren Beobachtungen, die Cassini bei seinen wiederholten Vorbeiflügen am Titan machen wird, dabei helfen, nicht nur eins der exotischsten Mitglieder unseres Sonnensystems, sondern auch die Entwicklung der Erdatmosphäre in ihrem Frühstadium sowie die Mechanismen zu verstehen, die zur Entstehung des Lebens auf der Erde geführt haben.

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Im August 1997 wurde Huygens an ihrem Mutterschiff Cassini montiert.
(Bild: ESA)

Europas Hauptbeitrag zur Cassini-Mission, die Huygens-Sonde, wurde im Auftrag der ESA von einem Industrieteam unter der Leitung von Alcatel Space gebaut. Die 320 kg schwere Sonde führt sechs Instrumente zur Erforschung der Titanatmosphäre während ihres Abstiegs mit. An der Entwicklung dieser wissenschaftlichen Nutzlast waren Labors und Forschungs-Einrichtungen in allen ESA-Mitgliedstaaten, den USA, Polen und Israel beteiligt. Das Huygens-Atmosphären-Strukturinstrument (HASI) wird Temperatur- und Druckprofile messen sowie Winde und Turbulenzen untersuchen. Außerdem kann es Blitze erfassen und – falls es zu einer erfolgreichen Landung kommt – sogar die Leitfähigkeit und absolute Dielektrizitäts-Konstante der Oberfläche messen. Das Gaschromatograph-Massen-Spektrometer (GCMS) wird eine chemische Feinanalyse der Atmosphäre und der mit dem Aerosol-Sammel- und Pyrolysegerät (ACP) gesammelten Aerosole vornehmen. Das abbildende Abstiegs-Spektralradiometer (DISR) wird Bilder, Spektren und andere Daten über die Atmosphäre, die Strahlungsbilanz, die Wolkenstruktur, die Aerosole und die Oberfläche sammeln. Das Doppler-Windexperiment (DWE) soll ein zonales Windprofil erstellen, während das wissenschaftliche Oberflächenmodul (SSP) den Landeplatz untersuchen wird, wenn Huygens nach dem Aufprall noch funktionsfähig ist.

Die Mission Cassini/Huygens ist ein Gemeinschaftsvorhaben der NASA, der ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL), eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena, leitet die Mission im Auftrag des NASA-Büros für Weltraumwissenschaft in Washington. Der Cassini-Orbiter wurde vom JPL entworfen, entwickelt und gebaut.

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