Ein Mond aus Gestein und brodelnder Lava umkreist möglicherweise einen Planeten 550 Lichtjahre von uns entfernt. Dies vermutet ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Bern aufgrund von theoretischen Vorhersagen und entsprechenden Beobachtungen. Dieser Exo-Mond – ein Mond außerhalb unseres Sonnensystems – wäre eine extreme Version des Jupitermonds Io, also ein Exo-Io. Eine Medienmitteilung der Universität Bern.
Quelle: Universität Bern.
Der Jupitermond Io ist der vulkanisch aktivste Körper in unserem Sonnensystem. Nun gibt es Hinweise, dass auch außerhalb unseres Sonnensystems beim Exoplaneten Wasp 49-b ein aktiver Mond, ein Exo-Io, versteckt sein könnte. «Es wäre eine gefährliche, vulkanische Welt mit einer geschmolzenen Oberfläche aus Lava, eine lunare Version von heißen Supererden wie 55 Cancri-e», sagt Apurva Oza, Postdoc am Physikalischen Institut der Universität Bern, «ein Ort, wo Jedis den Tod finden, wie Anakin Skywalker weiß.» Doch das Objekt, das Oza und seine Kollegen in ihrer Studie beschreiben, scheint noch exotischer zu sein als die Science Fiction von Star Wars: Der mögliche Exo-Mond würde einen heißen Riesenplaneten umkreisen, der seinerseits in nur knapp drei Tagen einmal um seinen Mutterstern saust – ein Szenario, 550 Lichtjahre von uns entfernt im unscheinbaren Sternbild Hase unterhalb des hellen Orion.
Natriumgas als Indiz
Bisher haben die Astronomen noch keinen Mond aus Gestein jenseits unseres Sonnensystems entdeckt. Auch auf die Existenz der Exo-Io schließen die Forschenden in Bern aufgrund von Indizien: Beim Planeten Wasp 49-b wurde Natriumgas in außergewöhnlich großer Höhe nachgewiesen. «Das neutrale Natriumgas ist so weit vom Planeten entfernt, dass es höchstwahrscheinlich nicht bloß von einem planetaren Wind ausgestoßen wird», sagt Oza. Beobachtungen von Jupiter und Io in unserem Sonnensystem durch das internationale Team zusammen mit Berechnungen des Masseverlusts zeigen, dass ein Exo-Io eine sehr plausible Quelle des Natriums bei WASP 49-b sein könnte. «Das Natrium ist genau dort, wo es sein sollte», sagt der Astrophysiker.
Gezeiten halten System stabil
Bereits 2006 hatten Robert Johnson an der University of Virginia und der verstorbene Patrick Huggins von der New York University, USA, gezeigt, dass große Mengen Natrium bei einem Exoplaneten auf einen versteckten Mond oder Materie-Ring hinweisen könnten, und vor zehn Jahren berechneten Forscher in Virginia, dass ein solch kompaktes System aus drei Körpern – Stern, Riesenplanet auf enger Umlaufbahn und Mond – durchaus über Milliarden Jahre stabil sein kann. Apurva Oza war damals Student in Virginia und nach seiner Doktorarbeit über Mondatmosphären in Paris beschloss er, die theoretischen Berechnungen dieser Forscher für die aktuelle Studie aufzunehmen. Die Ergebnisse dieser Arbeit, die zum Teil im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS entstand, veröffentlicht er nun zusammen mit Johnson und weiteren Forschenden in der renommierten Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.
«Die enormen Gezeitenkräfte in einem solchen System sind der Schlüssel zu allem», erklärt der Astrophysiker. Die Energie, die von den Gezeiten an den Planeten und seinen Mond abgegeben wird, halten die Bahn des Mondes stabil, heizen ihn gleichzeitig auf und machen ihn damit vulkanisch aktiv. In ihrer Arbeit konnten die Forschenden zeigen, dass ein kleiner Gesteinsmond durch diesen extremen Vulkanismus mehr Natrium und Kalium ins All schleudern kann als ein großer Gasplanet, insbesondere in großen Höhen. «Natrium- und Kalium-Spektrallinien sind für uns Astronomen besondere Schätze, weil sie äußerst hell sind», sagt Oza. «Die alten Strassenlaternen, die unsere Strassen mit gelbem Dunst beleuchten, funktionieren mit dem gleichen Gas, das wir jetzt in den Spektren von einem Dutzend Exoplaneten entdecken.»
«Wir müssen noch mehr Hinweise finden»
Die Forschenden verglichen ihre Berechnungen mit diesen Beobachtungen und stießen dabei auf fünf Kandidaten von Systemen, in denen ein versteckter Exo-Mond der zerstörerischen, thermischen Verdampfung trotzen und überleben könnte. Bei Wasp 49-b lassen sich die beobachteten Daten am besten mit der Existenz eines Exo-Io erklären. Allerdings gibt es auch andere Möglichkeiten. So könnte der Exoplanet beispielsweise von einem Ring aus ionisiertem Gas umgeben sein oder nicht-thermische Prozesse könnten eine Rolle spielen. «Wir müssen noch mehr Hinweise finden», gibt Oza zu. Die Forschenden setzen deshalb auf weitere Beobachtungen mit Satelliten im Weltraum und Instrumenten am Boden.
«Während die aktuelle Forschung in Richtung Bewohnbarkeit und Biosignaturen geht, ist unsere Signatur eine Signatur der Zerstörung», sagt der Astrophysiker. Einige dieser Welten könnten durch den extremen Massenverlust in wenigen Milliarden Jahren zerstört werden. «Spannend ist, dass wir diese zerstörerischen Prozesse in Echtzeit überwachen können wie ein Feuerwerk», sagt Oza.
Angaben zur Publikation:
Apurva Oza, et al.: “Sodium and Potassium Signatures of Volcanic Satellites Orbiting Close-in Gas Giant Exoplanets.” The Astrophysical Journal (angenommen): https://arxiv.org/pdf/1908.10732.
Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze
Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann auf dem Mond aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.
Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und mit CHEOPS teilt die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission (Start letztes Quartal 2019).
Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.
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