Das Weltraumteleskop Herschel der Europäischen Weltraumorganisation hält auch nach der Einstellung seiner Beobachtungstätigkeit, jüngst in diesem Monat, noch vielfältige Überraschungen in seinem bisher gesammelten Datenmaterial bereit. Etwa gelangen Aufnahmen, die Licht auf die außergewöhnliche Entstehung und Eigenschaften einiger großer und alter, elliptischer Galaxien zu werfen scheinen.
Ein Beitrag von Michael Clormann. Quelle: ESA, NASA.
Astronomen haben bei einer genaueren Analyse bereits vorliegender Daten des Teleskops den Verschmelzungsprozess zweier Galaxien aufgelöst. Bei einer weiterführenden Untersuchung, auch mit Hilfe weiterer Teleskope, stellte sich dann heraus, dass diese erste Abbildung im fernen Infrarotbereich möglicherweise im Stande ist, ein vergleichsweise neues, bislang ungelöstes kosmisches Verständnisproblem zu lösen: Wieso existierten schon vor etwa zehn Milliarden Jahren, im noch recht jungen Universum, scheinbar alte Galaxien, die ihren Materievorrat zur Neubildung von Sternen bereits aufgebraucht hatten? Ihre Vorkommen widerspricht bisher insofern wissenschaftlichen Erwartung, als zu einem Zeitpunkt, nur drei bis vier Milliarden Jahre nach dem Urknall, das Vorkommen junger, aktiver Galaxien die Regel darstellen sollte.
Herschel hilft nun zu zeigen, so das gestern veröffentlichte Ergebnis der Forscher, wie Galaxien einen beschleunigten „Alterungsprozess“ erfahren können, wenn sie aus der Verschmelzung mehrerer solcher aktiver Spiralgalaxien hervorgehen. Im Zuge ihrer Kollision wird die Entstehungsrate neuer Sterne so enorm gesteigert, dass der Vorrat an frei vorkommenden Gaswolken, die das Ausgangsmaterial neuer Sterne darstellen, rasch aufgebraucht ist. Dieser beschleunigte Prozess kann, wie im Falle der nun beobachteten Verschmelzung, den besagten Materievorrat der aufeinandertreffenden Galaxien innerhalb nur weniger hundert Millionen Jahre verschlingen. Zurück bleiben als Endprodukt große, elliptische Galaxien mit einer erheblichen Anzahl relativ kalter und langlebiger, roter Sterne. Die Geburt neuer Gestirne findet dort weitgehend nicht mehr statt, was diese Riesengebilde, in kosmischer Hinsicht, zu quasi „toten“ Zonen macht. Das konkret von Herschel abgelichtete verschmelzende Galaxiensystem, bisher mit HXMM01 bezeichnet, befindet sich noch in der Anfangsphase seiner voraussichtlich etwa eine Milliarde Jahre dauernden Kollisionsbewegung. In seinem gegenwärtig sichtbaren Zustand stellt HXMM01 die aktivste und effizienteste bisher bekannte Entstehungsstätte für neue Sterne überhaupt dar. Etwa 2000 Objekte von ähnlicher Dimension wie unsere Sonne entstehen dort Schätzungen zufolge pro Jahr. In anderen Galaxien sind dies im selben Zeitraum nur einige wenige, in unserer Milchstraße gar nur etwa ein Stern. Nach der Entdeckung des Phänomens im Ferninfrarot durch Herschel, erfolgte weitere Beobachtung durch bodengestützte Observatorien rund um den Globus, sowie die Hubble-, Spitzer- und das XMM-Newton-Weltraumteleskope der NASA und der ESA.
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