HD 10180: Ein außergewöhnliches Planetensystem

Im Rahmen eines langjährigen Suchprogramms nach Exoplaneten haben Astronomen nun ein besonders interessantes Planetensystem um den 127 Lichtjahre entfernten gelben Zwergstern HD 10180 entdeckt. Dort umlaufen mindestens fünf, eventuell sogar sieben, relativ leichte Exoplaneten ihren Stern. Die Entdeckung könnte eine neue Phase in der Exoplanetenforschung einleiten.

Ein Beitrag von Timo Lange. Quelle: ESO.

Seit der erste Exoplanet um einen anderen Stern vor rund 15 Jahren nachgewiesen wurde, dominierte die Entdeckung von einzelnen, ihren Stern eng umlaufenden Gasriesen die Exoplanetenforschung. Bis heute sind zwar einige Dutzend Planetensysteme mit mindestens zwei Exoplaneten bekannt. Unser Sonnensystem blieb mit seinen acht Planeten von Merkur bis Neptun allerdings das mit Abstand planetenreichste bekannte System. Obwohl klar ist, dass die bisher zur Verfügung stehenden Entdeckungsmethoden große, massereiche und eng umlaufende Gasplaneten favorisieren, ist es eine nach wie vor offene Frage, wie häufig Planetensysteme, die dem unseren ähnlich sind, in unserer Galaxie vorkommen.

ESO and Digitized Sky Survey 2. Acknowledgment: Davide De Martin
Der Stern HD 10180 vom Spektraltyp G1V im südlichen Sternbild Hydrus (kleine Wasserschlange).
(Bild: ESO and Digitized Sky Survey 2. Acknowledgment: Davide De Martin)

Die Entdeckung des planetenreichen Systems um HD 10180 beantwortet diese Frage zwar nicht. Sie wirft aber ein Schlaglicht auf die Diversität planetarer Systeme im Universum und zeigt zugleich die technologische und methodische Weiterentwicklung der Exoplanetenforschung an. Außergewöhnlich ist HD 10180 nicht nur durch die Anzahl massearmer, neptunähnlicher Planeten in einem recht engen Bereich, der bei uns dem inneren Sonnensystem entsprechen würde – alle fünf bestätigten Planeten befinden sich in einem Abstand von 0,06 bis 1,4 AE (Astronomische Einheiten). Darüber hinaus fällt das System auch aufgrund der Abwesenheit großer Planeten der Jupiterklasse aus der Reihe. Zumindest bis zu einem mittleren Abstand von 10 AE konnte die Anwesenheit solcher Gasriesen ausgeschlossen werden. Einen besonderen Reiz erhält das System schließlich durch die mögliche, d. h. noch unbestätigte Existenz eines Planeten mit nur 1,4 Erdmassen. HD 10180 b wäre damit der masseärmste bekannte Planet außerhalb unseres Sonnensystems.

“Dieser bemerkenswerte Fund macht deutlich, dass wir inzwischen in einer neuen Ära der Exoplanetenforschung angekommen sind“, so Christophe Lovis vom Observatorium Genf. Es ginge nicht mehr nur darum, einzelne Planeten zu entdecken, sondern ganze Planetensysteme, deren Untersuchung viel komplizierter sei, merkt Lovis an. Lovis ist Teil des Teams aus Astronomen, die am 3,6-m-Teleskop der ESO auf La Silla in Chile den HARPS-Spektrographen betreiben. HARPS steht für High Accuracy Radial velocity Planetary Search und gehört zu den weltweit führenden Exoplanetenforschungsprojekten. Mit Hilfe des HARPS-Spektrographen können Änderungen in der Radialgeschwindigkeit eines Sterns sehr präzise vermessen werden. Zieht ein Planet während seines Umlaufs einen Stern in unsere Richtung oder von uns weg, ändert sich die Radialgeschwindigkeit. Aus der genauen Analyse dieser Variationen können Astronomen auf die Mindestmasse des Planeten und dessen Abstand vom Zentralstern schließen. Dies wird um so schwieriger, je komplexer das zu untersuchende System ist, da sich die vielen Radialgeschwindigkeitskurven überlagern und die Planeten sich zudem gegenseitig gravitativ beeinflussen, was bei der Berechnung des Systems berücksichtigt werden muss. Dies macht deutlich, dass der Nachweis dieses Multiplanetensystems auch in methodischer Hinsicht eine besondere Leistung darstellt.

Weitere Beobachtungen werden zeigen müssen, ob der erwähnte innerste Planet, HD 10180 b, mit seiner extrem kurzen Umlaufperiode von etwa 28 Stunden tatsächlich existiert. Bei einer Mindestmasse von nur 1,4 Erdmassen handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen felsigen Planeten, der ähnlich wie der Erdmond gebunden rotiert und so seiner Sonne stets eine Seite zuwendet. Die Oberflächentemperaturen auf der Tagseite dürften im vierstelligen Celsiusbereich liegen. HD 10180 b würde damit zur ungewöhnlichen Klasse der extrem heißen und felsigen Planeten gehören, deren erste Vertreter erst in den letzten Jahren unter anderem durch das Weltraumteleskop CoRoT gefunden wurden. Ebenfalls unklar bleibt zum jetzigen Zeitpunkt, ob der äußerste Planet, HD 10180 h, mit 0,2 Jupitermassen ein kleiner Saturn, in der Tat existiert. Das HARPS-Team hat zwar Hinweise auf die Anwesenheit dieses Körpers, der den Stern in 6 Jahren bei 3,4 AE umrundet, betont aber gleichzeitig die noch großen Unsicherheiten bei dieser Annahme.

ESO
Das 3,6-m-Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO). La Silla war der erste ESO-Standort und bietet bei einer Höhe von 2.400 m immer noch sehr gute Bedingungen.
(Bild: ESO)

Durch die fünf recht sicheren Planeten mit Massen von 12 bis 25 Erdmassen befindet sich relativ viel Material nah an dem Stern, was einerseits Fragen an Modelle der Planetenentstehung und -migration aufwirft, andererseits aber auch ein Hinweis darauf sein könnte, dass neptun- und erdähnliche Planeten im Nahbereich bis zu 0,5 AE um sonnenähnliche Sterne tatsächlich häufig vorkommen, wie vorläufige, noch unveröffentlichte Erkenntnisse des HARPS-Projekts anzeigen.

Die nächste Generation von Spektrographen wird in dieser Hinsicht in neue Dimensionen vorstoßen und weltraumgestützte Planetensucher, wie das Kepler Space Telescope der NASA, ergänzen. ESPRESSO ist der Name eines Hochpräzisionsspektrographen, der ab dem Jahr 2014 den HARPS-Spektrographen als führendes Planetensuchinstrument ablösen wird. ESPRESSO soll am VLT (Very Large Telescope) der ESO am Cerro Paranal in Chile installiert werden und noch einmal um mindestens den Faktor 10 genauer sein als HARPS. Instrumente wie ESPRESSO werden die wahre Vielfalt an möglichen Ergebnissen planetarer Entstehungsprozesse deutlich machen und darüber hinaus im Gegensatz zu Kepler auch in unserer Nachbarschaft nach erdähnlichen Planeten in der gemäßigten, habitablen Zone suchen können.

Raumcon-Forum:

Originalveröffentlichung (pdf):

The HARPS search for southern extra-solar planets. XXVII. Up to seven planets orbiting HD 10180: probing the architecture of low-mass planetary systems

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