Mehrere neue Pannen an Bord der japanischen Asteroidensonde machen deren Heimkehr nicht gerade einfacher. Wahrscheinlich wurde bei der zweiten Landung doch keine Probe genommen.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: 5thstar/Planetary Society.
Hayabusa funktioniert zwar noch, wird aber von schweren Pannen gebeutelt, die die Rückkehr zur Erde immer fraglicher machen. Momentan befindet sich die Sonde in etwa 500-1000 Kilometer Entfernung von „Itokawa“. Die Rückreise zur Erde soll nicht vor dem 14. Dezember beginnen. Der genaue Status an Bord ist allerdings einigermaßen mysteriös, da die Datenübertragung zu und von der Sonde derzeit nur eingeschränkt möglich ist.
Hayabusa verfügt über drei Antennen: Die fest montierte „Hochgewinnantenne“ ermöglicht die schnellste Datenübertragung, erfordert aber durch ihren engen Öffnungswinkel eine exakte Ausrichtung auf die Erde bei still stehender Sonde („3-Achsen-Stabilisierung“). Dies ist aber zur Zeit nicht möglich, weil die Sonde derzeit „rotationsstabilisiert“ ist, das heißt, sie rotiert permanent langsam um sich selbst. Selbst die „Mittelgewinnantenne“ ist in diesem Modus nur periodisch nutzbar, wenn die Erde in den Abstrahlbereich der Antenne kommt. Voll nutzbar ist nur die „Niedriggewinnantenne“, aber deren Datenrate ist wiederum zu gering.
Der Übergang zur ersehnten „3-Achsen-Stabilisierung“ ist bisher nicht gelungen, weil das Lageregelungssystem von Hayabusa zunehmend versagt: Nach dem Ausfall von zwei der drei Drallräder, die normalerweise zur Lageregelung der Raumsonde vorgesehen waren, musste das Team um den Projektleiter Prof. Jun’ichiro Kawaguchi auf die eigentlich nur als Reservesysteme vorgesehenen 12 kleinen chemischen Manövriertriebwerke zurück greifen. Seit der geglückten zweiten Landung auf dem Asteroiden „Itokawa“ am 26. November machen aber nun auch die chemischen Triebwerke mehr und mehr Probleme: Im Teil B des chemischen Systems trat ein Leck auf, und der – davon unabhängige – Teil A des Systems entwickelte zu wenig Schub.
In einer Pressekonferenz vermutete Kawaguchi, dass der Treibstoff in den Leitungen gefroren sein könnte. Angesichts der Probleme mit der Sonde wies Kawaguchi auch noch einmal darauf hin, dass Hayabusa immer noch vornehmlich ein Erprobungsflugkörper ist, an dem Technologien wie Ionenantrieb und autonome optische Navigation erstmals erprobt wurden. Darüber hinaus ist Hayabusa auch die erste japanische Raumsonde überhaupt, die über die anspruchsvolle 3-Achsen-Stabilisierung verfügt, im Gegensatz etwa zur NASA, deren Sonden diese Technik schon länger verwenden.
Am 3. Dezember nahm das Lageregelungsproblem kritische Ausmaße an, denn der Winkel der Antennen zur Erde näherte sich 30 Grad und damit drohte die Funkverbindung ganz abzureißen. In seiner Not entwickelte das Team einen Plan, das als Reaktionsmasse für das Ionentriebwerk mitgeführte Xenon durch Ausstoßen aus einem Ventil in den Raum zur behelfsweisen Lageregelung einzusetzen. Entsprechende neue Software wurde in aller Eile entwickelt und zur Sonde überspielt… und tatsächlich, es funktionierte: Die Winkelabweichung der weiterhin rotierenden Sonde konnte auf 10-20 Grad reduziert werden. Damit wächst nun zumindest die Hoffnung auf eine erfolgreiche Rückreise zur Erde und auf ein endgültiges Auslesen der Datenspeicher.
Allerdings dürfte die Auswertung der Datenspeicher nicht einfach sein. Denn während eines Versuchs am 27. November, den Abstand vom Asteroiden zu vergrößern und die 3-Achsen-Stabilisierung wiederherzustellen, war es durch das Versagen der Lageregelung zu einer so gravierenden und lang andauernden Lageabweichung der Sonde gekommen, dass die Solarzellen nicht mehr genug Strom lieferten und es zu einer Tiefentladung der Batterie gekommen war. Die meisten dadurch verursachten Ausfälle waren wohl nicht weiter tragisch, allerdings hat der Datenrecorder (DRAM) der Sonde dabei seine Partitionsinformationen verloren. Es sind also weiterhin Daten darauf gespeichert und lesbar, allerdings dürfte deren Organisation in Dateien ge- oder zerstört sein und die Daten somit wesentlich schwieriger auswertbar sein.
Vorläufige Auswertungen dieser Daten brachten leider ein schockierendes Ergebnis: Das bereits als sicher gemeldete Abfeuern von zwei Projektilen des Probensammelhorns, und damit das Sammeln von Asteroidenmaterial, kann nun nicht mehr bestätigt werden! Ein indirektes Indiz auf ein vielleicht doch erfolgtes Abfeuern sah Kawaguchi lediglich noch in ausgesprochen hohen Temperaturmesswerten innerhalb des Horns, die noch über den Temperaturen während der ersten Landung gelegen haben sollen (als Hayabusa bekanntlich eine halbe Stunde auf der heißen Asteroidenoberfläche verbrachte). Jedenfalls bezifferte Kawaguchi die Wahrscheinlichkeit, dass die Projektile nicht abgefeuert wurden, auf 80 Prozent. (An einer Stelle wurde sogar berichtet, dass in den Daten ein von der Erde gesandter Befehl zur Deaktivierung des Probensammelmechanismus‘ gefunden worden sein soll, aber das erscheint kaum glaublich.)
In jedem Fall wird man erst dann Genaueres wissen, wenn es gelingen sollte, die Proben-Rückkehrkapsel unversehrt zurück zur Erde zu bringen. Das Team will unbedingt versuchen, die Rückreise trotz aller Probleme noch in diesem Jahr anzutreten. Frühestens am 14. Dezember soll die Sonde in einem Zustand sein, in dem dies möglich ist. Sollte es nicht mehr gelingen, kann der nächste Versuch frühestens in zwei Jahren starten, und niemand weiß, in welchem Zustand bis dahin etwa die Batterie der Sonde ist.
Übrigens beteiligte sich auch die NASA an den Versuchen zur Rettung von Hayabusa, indem sie bis zum 8. Dezember der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA die großen 70-Meter-Antennen des Deep Space Network zwei Stunden täglich zur Verfügung stellte. Die großen Antennen werden normalerweise zur Kommunikation mit den sehr weit entfernten Voyager 1 und Voyager 2 sowie mit Cassini mit ihrem sehr hohen Datenaufkommen genutzt. Dadurch, dass die Missionswissenschaftler von Cassini auf für sie reservierte, aber nicht unbedingt benötigte Übertragungszeit verzichteten, konnte diese Zeit der JAXA zur Verfügung gestellt werden.