Grundlagenforschung für Marslandung mit Falcon 9

SpaceX ist immer wieder für überraschende Bilder aus ihren startenden Raketen gut. Nun lieferte die NASA faszinierende Aufnahmen vom kontrollierten Wiedereintritt der ersten Stufe einer Falcon 9 in die Erdatmosphäre. Die Erkenntnisse aus dem Bildmaterial und den Daten von der Rakete sollen helfen, Landetechnologien für künftige Mars-Missionen zu entwickeln.

Ein Beitrag von Roland Rischer. Quelle: NASA, Raumcon.

SpaceX nutzt seine Falcon-9-Starts, um die in ihren Anfängen steckende Technik der sanften Landung einer ersten Raketenstufe zwecks Wiederverwendbarkeit weiterzuentwickeln. Auch die NASA beobachtet die Versuche von SpaceX aufmerksam. Sie hat dabei aber Größeres im Sinn – die Grundlagenforschung zur Landetechnik bei künftigen Marslandungen. Die dünne Mars-Atmosphäre beschränkt die mit herkömmlicher Fallschirmtechnologie sanft zu landende Masse auf rund eine Tonne. Der Mars-Roboter Curiosity stellt damit mehr oder weniger die Obergrenze dar. Das ist aber bei weitem zu wenig, wenn sich dereinst einmal Menschen dort längere Zeit aufhalten sollen und entsprechende Ausrüstung mitbringen müssen.
Neben Aerobrake- (oder Atmosphärenbrems-) Techniken und Überschall-Fallschirmen gehört das Abbremsen von Raumschiffen mit Hilfe der Bordtriebwerke zu den Schlüsseltechnologien für eine Mars-Landung. Nichts Neues, wird der Laie denken, hatten wir schon bei der Mondlandung und anderswo. Das ist richtig, dennoch gibt es keine verwertbaren Erfahrung mit gegen einen überschallschnellen Strom der (Rest-)Atmosphäre arbeitenden Triebwerken und der Wirkung des Abgasstroms auf den durch ihn fliegenden Raketenkörper. Im Fachjargon spricht man von „supersonic retropropulsion“ oder Überschallretrobremsung.

Bil Kleb, NASA/Langley; Guy Schauerhamer, NASA/Johnson
Oben links das Bild eines Windkanalversuchs zur Überschall-Retrobremsung („Test“) und drei darauf aufbauende Computersimulationen, Details siehe hier .
(Bild: Bil Kleb, NASA/Langley; Guy Schauerhamer, NASA/Johnson)

Ein realitätsnaher Test von Aerobrake-Technik und Überschall-Fallschirm erfolgte, wenn auch mit mäßigem Erfolg, am 28. Juni 2014 mit dem LDSD (Low-Density Supersonic Decelerator). Zu Triebwerksbremsungen aus sehr hoher Geschwindigkeit heraus gibt es bislang nur kleinmaßstäbliche Windkanalversuche und darauf aufbauende Computersimulationen. In der Realität wurde die Technik aber noch nicht explizit getestet. Da kommt SpaceX sehr gelegen. Das Flug- und Zündverhalten der Falcon 9 beim Abstieg aus 140 Kilometer Höhe ist in den Augen der NASA ausreichend geeignet, erste Rückschlüsse für die Anwendung dieser Technik bei künftigen Marslandungen zu ziehen.

Zu diesem Zweck wurde der Start des vor wenigen Tagen beendeten ISS-Versorgungsflugs CRS 4 durch SpaceX am 21. September 2014 entsprechend aufwendig verfolgt. Beim Start der Falcon-9-Rakete waren zwei Beobachtungsflugzeuge im Einsatz: das NASA-eigene Höhenforschungsflugzeug WB-57 (bis 18.000 Kilometer Flughöhe möglich) und eine NP-3D Orion der US-Navy. An Bord befanden sich Infrarotkameras mit entsprechender Teleoptik (Telescopic Mid-Wave Infrared) und Zielverfolgungs- und Bildstabilisierungstechnik.

Während des Starts befanden sich die beiden Flugzeuge in ihren Beobachtungsräumen etwa 80 Kilometer von der Raketenflugbahn entfernt. Die Falcon 9 wurde vom Start weg mit den Kameras verfolgt. Hauptziel war jedoch, nach dem Abtrennen von der zweiten Stufe in 90 Kilometer Höhe hochaufgelöste Wärmebilder vom Flug der ersten Raketenstufe durch den Scheitelpunkt rund 140 Kilometer über der Erdoberfläche und dem anschließenden Abstieg zu bekommen. Im Fokus stand die Arbeit des Raketenmotors gegen den überschallschnellen Strom der Restatmosphäre. In der Tat gelang es, während des Abstiegs die Veränderungen des Abgasstrahls der sich an- und abschaltenden Triebwerke zu dokumentieren.

Nasa
Bremsmanöver der Falcon 9 am 21. September 2014 beim kontrollierten Abstieg. Das vollständige Video ist hier zu sehen.
(Bild: Nasa)

Das von der WB-57 aus rund 15 Kilometer Höhe aufgenommene Filmmaterial zeigt anfangs das Herausmanövrieren der ersten Falcon-Stufe aus der Abgasfahne der zweiten Stufe. In etwa 140 Kilometer Höhe ist die Raketenstufe gegen die Flugrichtung gedreht und es erfolgt eine Zündung um den Abstieg kontrolliert einzuleiten. Zwischen 70 und 40 Kilometer Höhe erfolgt das eigentliche Abbremsmanöver unter Bedingungen, die der Marsatmosphäre entsprechen sollen. Der Film endet bei in einer Höhe von ca. 40 Kilometern.

Prof. Robert Braun, Leiter des NASA-Programms zur Erforschung strahltriebwerksbasierter Abstiegstechnologien (Propulsive Descent Technologies PDT), fasste die Ergebnisse wie folgt zusammen: „Das ist der erste hochwertige Datensatz eines Raketensystems, deren Triebwerke bei Überschallgeschwindigkeit und unter Mars-ähnlichen Bedingungen gegen ihre Flugrichtung feuern. Aus der Analyse dieser einzigartigen Daten können Systemingenieure wichtige Schlussfolgerungen für die Anwendung von Bremstriebwerken im Überschallbereich für künftige NASA-Missionen ziehen.“

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