Großinspektion im Columbus-Modul

Eine Woche voller Aufgaben liegt hinter der sechsköpfigen ISS-Stammbesatzung, aber auch die Bodenkontrolleure führten Aktivitäten mit dem Stationsarm und der „Roboterhand“ Dextre durch. (Newsbild: André Kuipers beim TV-Event in Columbus)

Ein Beitrag von Ralf Möllenbeck. Quelle: NASA, Raumfahrer.net, DLR.

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Oleg Kononenko mit seinem Olan-MK in Pirs
(Bild: NASA)

Nach dem anstrengenden Außeneinsatz am 16. Februar hatten Anton Schkaplerow und Oleg Kononjenko eine verlängerte Nachtruhe erhalten, um sich von den Arbeiten erholen zu können. Den restlichen Tag verbrachten sie hauptsächlich mit der Nachbereitung ihrer Exkursion. So wurden die Orlan-MK-Raumanzüge getrocknet, Batterien geladen, die US-Kameras von den Helmen demontiert und eine Bewertung der Arbeiten mit der Bodenmannschaft vorgenommen. Anatoli Iwanischin hat Progress-M 14M wieder in die Stationsstruktur eingebunden. Die Luken des Transporters waren geschlossen worden, um das Kopplungs- und Schleusenmodul Pirs während der Außenbordarbeit als Luftschleuse nutzen zu können. Jetzt sind die Progress-Systeme deaktiviert, flexible Luftschläuche zur Belüftung und Heizung verlegt, Teile des Dockingmechanismus zur besseren Zugänglichkeit demontiert und eine schnell entfernbare Vorrichtung installiert worden, welche den Kopplungsring versteifen soll.

Am gleichen Tag arbeitete André Kuipers mit der zeitweiligen Unterstützung von Dan Burbank am Trainingsgerät MARES (Muscle Atrophy Resistive Exercise System). MARES befindet sich im Columbus-Labormodul und dient der Erforschung des menschlichen Bewegungsapparates, seiner biomechanischen Abläufe und der neuromuskulären Koordination. Hintergrund ist hier ein besseres Verständnis von Effekten der Mikrogravitation auf das Muskelsystem des Menschen. In einer zweiten Sitzung an dem Gerät wurden Funktionstests durchgeführt, die Demontage geprobt und Ergebnisdateien heruntergeladen. Das europäische Trainingssystems zur Eindämmung und Erforschung von Muskelschwund MARES bietet ebenso die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen zu den negativen Effekten von Langzeitmissionen, besonders der Muskelatrophie, zu bewerten. So kann der NASA Grundlagenwissen für ihre geplanten Flüge in den tiefen Raum zur Verfügung gestellt werden.

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André Kuipers mit dem Staubsauger in Kibo
(Bild: NASA)

Am letzten Wochenende stand wie immer das wöchentliche Programm zur gründlichen Stationsreinigung, einschließlich der Module Columbus und Kibo, mit einer Dauer von drei Stunden für die Besatzung an. Diese schließt die Beseitigung von Nahrungsmittelabfällen, die Säuberung von Modulen mit dem Staubsauger, die feuchte Reinigung des Esstisches im Service-Modul und anderer oft berührter Oberflächen ein. Weiterhin werden die Schlaf-Stationen mit einer Standard-Reinigungslösung behandelt und die Lüftungsschlitze von Bildschirmen und Anlagen gesäubert, um Temperaturanstiege zu vermeiden.

Zu Beginn dieser Woche wurden Kontrollfotos vom Canadarm2 angefertigt. Dafür bewegte man den Latching End Effector B, also den einen Greifer am Ende des Stationsarms, ins Sonnenlicht vor die Fenster von Cupola. Dan Burbank schoss hochauflösende Aufnahmen mit einer D2Xs-Digitalkamera von den Zug- und Haltekabeln. Dies soll den Technikern am Boden eine Bewertung des Zustandes der Bauteile nach vielen Jahren Betriebszeit ermöglichen. Am 20. Februar gab es anlässlich des 50. Jahrestages des ersten amerikanischen Raumfluges von John Glenn einen besonderen TV-Event. Dan Burbank und Donald Pettit sprachen hier mit NASA-Administrator Charles Bolden und dem ehemaligen Astronauten und amerikanischen Helden John Glenn.

Im russischem Segment nahm Anton Schkaplerow an seiner dritten Sitzung zum Experiment PNEUMOCARD teil. Hier werden die Auswirkungen der fehlenden Schwerkraft in einer Langzeitstudie untersucht. Daueraufenthalte im All bewirken eine Umverteilung des Blutes in die oberen Körperregionen und eine Beeinflussung des vegetativen Nervensystems (VNS), welches nicht willentlich gesteuert werden kann. Bei der Rückkehr zur Erde kommt es dann vermehrt zu Irritationen der Kreislaufregulierung bei den Raumfahrern. Die Forscher des DLR und des russischen Instituts für Biomedizinische Probleme (IBMP) erhoffen sich nun eine bessere Vorhersage der physischen Reaktionen von Besatzungsmitgliedern bei der Landung aber auch einen realen Nutzen auf der Erde bei Patienten mit orthostatischer Intoleranz.

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Dan Burbank mit BCAT-6 in Kibo
(Bild: NASA)
NASA-TV
André Kuipers arbeitet am CFA in Columbus
(Bild: NASA-TV)

Im Kibo-Labormodul betreute Dan Burbank zur Mitte dieser Woche die Wissenschaftsnutzlast BCAT-6 (Binary Colloidal Alloy Test 6). Bei diesem Experiment werden stündlich sieben Tage lang automatisch Fotos angefertigt, die den Übergang der polymeren und kolloiden Stoffe vom flüssigen in den gasförmigen Zustand dokumentieren. Der ISS-Kommandant ersetzt hier jeden Morgen eine Batterie, ca. 8 Stunden später wird dieser Ersatz erneut durchgeführt. Zwischenzeitlich bereitete André Kuipers die größere Inspektion der Luftumwälzungsanlage im Columbus-Labormodul vor. Hier lud er Batterien des endoskopischen Werkzeugs und räumte den Raum am Ende von Columbus von dort gestauten Taschen CTBs (Cargo Transfer Bags). Damit schaffte er Platz für die Lüftungskanalreinigung und die Säuberung der Auslassgitter. Für weitere Außenaktivitäten der „Roboterhand“ Dextre am Ende des ISS-Roboterarms wurden die Außenfenster von Cupola, Kibo und Destiny geschlossen. Über Nacht erfolgte mit Dextre eine Untersuchung der Außenseite des russischen Sarja-Moduls.

In der zweiten Wochenhälfte fuhr André Kuipers damit fort, in Columbus die Lüftungsventilatoren CFA (Cabin Fan Assembly) und Lüftungskanäle zu inspizieren und zu säubern. Unterstützt wurde er dabei von ISS-Kommandant Dan Burbank. Ein funktionierender Luftaustausch in den Modulen ist zwingend notwendig, da sich sonst an bestimmten Stellen Bereiche mit verbrauchter Luft bilden könnten. Diese wiederum ist gefährlich für die Atmung der Raumfahrer und würde zu Alarmen in der Station führen. Im Swesda-Modul vollendete Anton Schkaplerow die vor einigen Tagen begonnene halbjährliche Überholung IFM (Inflight Maintenance) des Laufbandes TVIS (Treadmill Vibration Isolation System) im russischen Segment. Zum Einsatz kommt nun ein fast neues Laufband, in dem auch einige Teile der alten Apparatur verbaut wurden. Ein unbemannter Geschwindigkeitstestlauf hat anschließend die ordnungsgemäße Funktion der motorgetriebenen Bauteile nachgewiesen.

Anton Schkaplerow und Anatoli Iwanischin nahmen an dem monatlichen Hörtest (On-Orbit Hearing Assessment) der NASA teil. Dieser 30-Minuten-Test wird mit einer speziellen Software auf dem medizinischen Ausrüstungscomputer (MEC-Laptop) durchgeführt. Jedes Ohr der Besatzungsmitglieder wird in minimalen Hörbarkeitsstufen zwischen einer Frequenz von 0,25-10 kHz und einem definiertem Schalldruckpegel getestet. Dazu werden die individuell-spezifischen Prophonics-Ohrhörer, neue Bose-ANC-Kopfhörer, und ein Lauststärkemessgerät (SLM – sound level meter) verwendet. Die Untersuchungsintervalle betragen einen Monat, wobei die erste Messung innerhalb von 14 Tagen nach Ankunft auf der ISS durchgeführt werden muss.

Dan Burbank verbrachte 2,5 Stunden seiner Zeit mit der Reinigung von Bakterienfiltern in den drei Knoten-Modulen, in Destiny und der Luftschleuse Quest. Die ISS-Besatzung hat in der letzten Zeit eine vermehrte Staubbildung zur Bodenstation gemeldet, so dass nun, vier Wochen lang jeden Donnerstag, diese Filterreinigung angeordnet wurde. Ebenfalls 2,5 Stunden brauchte Oleg Kononjenko um acht Lampen und die dazugehörigen Sicherungen im Sevice-Modul gegen entsprechende Ersatzelemente auszutauschen. Im Anschluss daran verstaute er die nicht mehr benötigten Lampen als Abfall in Progress-M 14M. Ebenso wurden an diesem Tag unbrauchbare Flüssigkeiten in die Rodnik-Tanks des Transporters umgepumpt. Progress-M 14M soll am 19. April die ISS verlassen. Anatoli Iwanischin widmete sich dem russischen Experiment SEINER, bei dem er die Ozeane der Erde fotografiert und damit den Experten auf der Erde die Möglichkeit gibt, den aktuellen Zustand, aber auch Veränderungen, in den Weltmeeren zu erkennen.

Mittlere Bahnhöhe der ISS am 23.02.2012: 389,9 km bei einem Höhenverlust von rund 130 Metern in den letzten 24 Stunden

Zukünftige Ereignisse:

  • 29. Februar, Bahnanhebung durch die Triebwerke von Swesda
  • 19. März, ATV-3 „Edoardo Amaldi“ erreicht die ISS
  • 22. März, Bahnanhebung durch ATV-3

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