Von Anfang an war die Mission ein Rennen gegen die Uhr. Bei Konstruktion und Bau der Rover waren große Probleme zu bewältigen.
Autor: Axel Orth
Sie machten Geschichte in mehr als einer Weise.
Nicht nur, weil sie zwei Robot-Geologen auf dem Mars landeten.
Nicht nur, weil sie zwingende Beweise erbrachten, dass auf dem Roten Planeten einst Wasser floss.
Das JPL-Team, das dieses Jahr zwei Rover zum Mars schickte, machte Geschichte, weil sie in dreieinhalb Jahren schafften, wozu Missionsplaner sonst üblicherweise mit sieben Jahren rechnen. Sie belebten ein kränkelndes planetarisches Erforschungsprogram, das die NASA nach dem katastrophalen Verlust von zwei Raumsonden auf dem Weg zum Mars neu aufbauen musste. Sie taten dies ungeachtet ihres Wissens, dass Landungen auf dem Mars immer eine extreme Herausforderung sind, speziell mit einem so kurzen Entwicklungszeitplan.
Größte Annäherung in 60.000 Jahren
Pete Theisinger, der erste Projektmanager, führte eine erfahrene Gruppe von Planetenwissenschaftlern und Raumfahrtingenieuren an, die das Projekt bei der NASA durchsetzen wollten. Während einer Podiumsdiskussion, die vom California Institute of Technology veranstaltet wurde, dem geschäftstragenden Institut des JPL, fragte er ironisch: „Ach ja, was soll schon schiefgehen, auch wenn der Start schon in 37 Monaten ist?“ Das Publikum brach in großes Gelächter aus.
Der Plan des Teams war es, Hardware und Software zu verwenden, die sich bereits bei früheren Raummissionen bewährt hatte. Sie mussten sich beeilen, um die größte Annäherung zwischen Erde und Mars in 60.000 Jahren auszunutzen. „2003 war geometrisch optimal, diese Gelegenheit durfte man einfach nicht verstreichen lassen“, sagte Theisinger. In der Tat war diese Gelegenheit derart optimal, dass, als sie gerade eben beschlossen hatten, denselben Lander zu verwenden wie Mitte der 90er Jahre bei der erfolgreichen Mission Pathfinder, der damalige NASA-Chef Dan Goldin mehr wollte.
Die NASA zahlt die Rechnung
„Wir erhielten einen Telefonanruf. ‚Wieviel mehr würde ein zweiter Rover kosten? Sie haben 45 Minuten Bedenkzeit.'“, erinnert sich Theisinger. Theisinger war der Mann, der den Kontakt mit den hohen Tieren bei JPL und NASA hielt, der dafür sorgte, dass von Anfang an genug Geld da war und das Projekt lief wie ein gut geschmiertes Getriebe. Theisinger war ein hervorragender Projektleiter, und er legt Wert darauf, allen die ihnen gebührende Anerkennung zu zollen, eingeschlossen sein gesamtes Team und seine Frau für ihre moralische Unterstützung. Es ist bereits beschlossene Sache, dass er auch bei der nächsten Marsrover-Mission, die 2009 starten wird, wieder das Steuer übernehmen wird. Und bei der NASA gab Goldin die Befehle, die die Ressourcen aus dem NASA-Budget zu den beiden Mars-Rovern strömen ließ. Damit war das JPL-Team nun offiziell unterwegs.
Selbst die durchdachtesten Pläne…
Der Schlüssel zu ihrem Erfolg war, dass sie ein hochmotiviertes Team von Forschern waren, die einen Sinn für Humor hatten für die Respekt einflößende Aufgabe, die vor ihnen lag. Ohne dass sie es da schon wissen konnten, würde ihnen dieser Humor durch einige schwierige Zeiten helfen, die ihnen noch bevor standen. Alles lief wie geplant für etwa fünf Monate. Im Oktober 2000 dann führten sie eine Designprüfung durch, eine technische Besprechung, bei der Ingenieure, Wissenschaftler und Manager ihre Fortschritte erläuterten und beurteilen mussten, ob die Mars-Lander funktionieren würden. Und damals war es, als das Team entdeckte, dass deren Nutzlast, die Rover, zu groß geraten waren. Weil die neuen Marsrover einen größeren Satz an wissenschaftlichen Instrumenten tragen sollten und mehr Computerausstattung als ihr Vorgänger, waren sie auch sperriger und wogen mehr. Das Team musste eine neue Plattform aus sich entfaltenden Segmenten, ähnlich den Blättern eines Blütenkelchs, konstruieren. Diese Plattform musste auf jeder ihrer sechs Seiten gut fünf Zentimeter länger sein und aus einem leichteren Verbundwerkstoff gefertigt werden. Diese Änderungen waren nicht unmöglich, aber würden die Aufgabe, es rechtzeitig auf die Startrampe zum Mars zu schaffen, wesentlich schwieriger machen. Damit stimmte die Richtung nun wieder. Aber ihre größten Probleme standen ihnen erst noch bevor.
Rennen gegen die Uhr
„Dies hielt uns für die nächsten zweieinhalb Jahre auf Trab“, sagte Richard Cook, Theisingers Stellvertreter und Nachfolger seit Februar diesen Jahres. Cook hat wie Theisinger einen großen Sinn für Humor – ein unverzichtbares Attribut für jemanden mit einer solch anspruchsvollen, manchmal unvorhersehbaren Aufgabe. „JPL und NASA haben über die Jahre eine strukturierte Methode entwickelt, die Dinge anzugehen.“ sagte er. „Wenn Sie eine Terminkrise haben wie wir sie damals hatten, dann stehen Sie mächtig unter Druck und es ist fast unmöglich, es hinzukriegen. Das Team musste neue Wege erfinden und sehr flink bleiben, um die Arbeit zu erledigen.“
Komplizierte Herausforderungen für Ingenieure
Das erste große Problem war Masse. Das Team musste die Rover verkleinern, damit sie in die Lander passten. Zum Beispiel gestalteten sie die Räder nun innen hohl, so dass sie leicht und kompakt gerieten und doch robust genug für das rauhe marsianische Terrain. Wenn Ingenieure sonst ein Raumfahrzeug umkonstruieren, dann lassen sie mindestens 30 Prozent Reserveraum, um auf alles vorbereitet zu sein. Diesmal hatten sie aber nur zehn Prozent. Sie imitierten die Reality-Show „Survivor“ („Feldmesser“), indem sie Gerichtstribunale abhielten, um die Masse im Zaum zu halten. „Ich wollte allen Ernstes Leute aus dem Raumfahrzeug werfen, aber bekam nie die Chance dazu“, scherzte Cook. Natürlich waren keine Leute an Bord des Raumfahrzeugs, nur Sachen. „Wir sorgten dafür, dass jeder im Team mithalf, die Masse von allen und jeden Teilen so gering wie möglich zu halten.“
Testen, verbessern, und wieder testen
Im August 2002, weniger als ein Jahr vor dem Start, begann das Team damit, die Mars-Lander zusammenzubauen. Sie arbeiteten permanent in zwei Schichten, um die Lander rechtzeitig zum Abtransport nach Cape Canaveral in Florida fertig zu stellen. Und selbst nachdem sie die Lander schon ausgeliefert hatten, testeten sie noch an ihren Systemen herum. Einmal hatten sie Probleme mit den Schneidevorrichtungen, die die Rover von ihren Fesseln auf der Plattform befreiten. Ein andermal hatten sie Probleme mit der Elektronik, die die Rover steuerte. Wie technische Wunderkinder, die begeistert Radios und Computer auseinander nehmen und wieder zusammenbauen, zerlegten sie zweimal ihre Mars-Lander und setzten sie wieder zusammen.
Jede Minute zählt
„Die Leute fragen immer ‚Wie konnten Sie wissen, dass Sie es schaffen würden?‘ Wir taten auch nur dasselbe, was wir bei all den vorherigen Problemen getan haben – wir arbeiteten einfach weiter“, sagte Cook. Theisinger fügte hinzu: „Zwischen Sommer 2002 und dem Start 2003 hatte das Team ein einziges Wochenende von zwei Tagen frei und das war Thanksgiving, der wichtigste Feiertag in den USA.“ Was konnte so schwierig sein, dass es Menschen fast ein Jahr lang Tag und Nacht arbeiten lassen konnte, auch an Wochenenden und in Ferien?
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