Goodbye Galileo

Die amerikanische Raumsonde Galileo wird ihre beinahe achtjährige Forschungsmission im Jupitersystem am 21. September mit einem fulminanten Sturz in die stürmische Atmosphäre des riesigen Planeten beenden.

Autor: Michael Stein

Ein schwieriger Beginn

Das Space Shuttle Atlantis setzt 1989 die Raumsonde in Richtung Jupiter aus.
(Bild: NASA)

Die Mission der 5,3 Meter hohen und beim Start rund 2,2 Tonnen schweren Raumsonde Galileo begann im Oktober 1989, als die Raumfähre Atlantis das Raumfahrzeug von einer Erdumlaufbahn aus auf die sechs Jahre lange Reise zum Gasriesen Jupiter schickte. Mit an Bord war auch eine rund 150 Kilogramm schwere Sonde, die sich vor der Ankunft beim Jupiter vom Mutterschiff lösen und in die Planetenatmosphäre eintauchen sollte, um mehr über ihre Zusammensetzung zu erfahren.
 
Doch zunächst ging es in die entgegengesetzte Richtung: Da die ursprünglich vorgesehene dreistufige Rakete, die Galileo nach dem Aussetzen aus der Ladebucht von Atlantis direkt Richtung Jupiter auf den Weg bringen sollte, aus Kosten- und Sicherheitsgründen (die Challenger-Katastrophe war erst drei Jahre her) durch eine schwächere zweistufige Version ersetzt worden war flog Galileo also erst einmal Richtung Venus. Statt der direkten dreieinhalbjährigen Reise zum Jupiter mussten die Missionsplaner Umwege einkalkulieren und die geringere Leistung der Startrakete durch drei Vorbeiflüge an der Venus und der Erde kompensieren. Bei diesen nahen Vorbeiflügen – am 8. Dezember 1992 raste die Raumsonde in nur 303 Kilometer Entfernung an der Erde vorbei – gewann Galileo schließlich die notwendige Geschwindigkeit, um den Jupiter nach fast sechs Jahren doch noch zu erreichen.
 
Im April 1991 sollte die wie ein Regenschirm zu öffnende 4,8 Meter durchmessende Hauptantenne entfaltet werden, doch trotz wochenlanger Bemühungen gelang dies nicht. Damit standen die Missionsspezialisten vor dem Problem, nur noch die kleinere Niedriggewinnantenne für die Datenübertragung von und zur Erde nutzen zu können. Durch intensive Nutzung des Galileo-Bandrekorders zur Zwischenspeicherung von Daten und Aufnahmen, Datenkomprimierung schon an Bord der Raumsonde und einer Verstärkung der Sende- und Empfangsanlagen des Deep Space Network konnte der Schaden jedoch in Grenzen gehalten werden.

Galileo-Aufnahme des Asteroiden Ida und seines winzigen Mondes Dactyl. Dieses Bild ist aus zwei Einzelaufnahmen der Raumsonde zusammengesetzt.
(Foto: NASA)

Zwischenstationen
Nicht erst mit der Ankunft beim Jupiter begann Galileo, den Wissenschaftlern auf der Erde Daten für ihre Computer zu liefern. Schon während der Reise dorthin flog die Raumsonde am 29. Oktober 1992 zum ersten Mal überhaupt in geringer Entfernung an einem Asteroiden vorbei. Nur 1.601 Kilometer trennten Galileo und den Asteroiden Gaspra, so dass die Kameras der Sonde detaillierte Nahaufnahmen dieses unregelmäßig geformten Gesteinsbrockens machen konnten. Noch spektakulärer war Ende August 1993 der Vorbeiflug am ca. 55 mal 24 Kilometer großen Asteroiden Ida: Auf den Aufnahmen entdeckten die verblüfften Astronomen, dass Ida sogar einen winzigen Mond hatte, den sie Dactyl nannten. Der nur etwa eineinhalb Kilometer große Himmelskörper ist der erste entdeckte natürliche Satellit eines Asteroiden.
 
Im darauffolgenden Jahr wurde es erneut spannend. Galileo war die einzige Raumsonde, die den Sturz des Kometen Schoemaker-Levy in die Jupiteratmosphäre im Juli 1994 direkt beobachten konnte. Obwohl die genaue Einschlagszeit nicht bekannt war programmierten die Missionsspezialisten die Kameras und Instrumente der Sonde auf Verdacht und wurden mit einzigartigen Bildern dieses Naturschauspiels belohnt.
 
Die Ankunft
Schon fünf Monate vor der Ankunft von Galileo beim Jupitersystem im Dezember 1995 trennte sich die mitgeführte 339 Kilogramm schwere Jupiter-Atmosphärensonde vom Mutterschiff und flog anschließend antriebslos direkt auf den Gasriesen zu. Der 7. Dezember wurde für das Missionsteam dann ein arbeitsreicher Tag, an dem die Ankunft von Galileo im so genannten Jovianischen System und der Eintritt der Atmosphärensonde in die Jupiteratmosphäre fast zeitgleich stattfanden.

Detailaufnahme der Europa-Oberfläche. Deutlich sind die Furchen, Gräben und Verwerfungen des Eispanzers auf diesem Foto zu erkennen.
(Foto: NASA

Zuerst flog Galileo an den beiden großen Monden Europa (33.000 Kilometer Entfernung) und Io (900 Kilometer Entfernung) vorbei und erreichte danach die größte Annäherung an den Riesenplaneten. Nur acht Minuten später begann die mittlerweile an einem Fallschirm in die Lufthülle des Gasriesen hinabsinkende Atmosphärensonde, Daten über die Jupiteratmosphäre an Galileo zu übermitteln. Für 58 Minuten empfing Galileo Daten der Atmosphärensonde, bevor Sie vom ungeheuren Druck zerquetscht wurde (zum Zeitpunkt der letzten Datenübertragung war sie Drücken von 22 Bar und Temperaturen von 150° C ausgesetzt). Gut eine Stunde später zündete das (übrigens in Deutschland von Messerschmidt Bölkow-Blohm (MBB) gebaute) Haupttriebwerk der Raumsonde und reduzierte die Geschwindigkeit soweit, dass Galileo in einen Orbit um Jupiter eintreten konnte.
 
Das Programm
Damit hatte die so genannte Orbital Tour begonnen. Für den ersten, stark exzentrischen Orbit um Jupiter benötigte die Raumsonde sieben Monate, bis zum Eintritt in die Jupiteratmosphäre wird Galileo auf 35 Umläufe gekommen sein. Während dieser Zeit wurde natürlich nicht nur Jupiter selbst von den Kameras und Instrumenten „auf’s Korn genommen“, auch die Monde waren Ziel des wissenschaftlichen Interesses. Üblicherweise dauerten die Beobachtungsphasen, bei denen die Raumsonde beispielsweise nahe an einem Mond vorbeiflog und Daten sowie Aufnahmen sammelte, einige Tage, denen mehrwöchige Kommunikationsphasen folgten. In dieser Zeit wurden die gesammelten Daten schon an Bord der Raumsonde komprimiert und anschließend zur Erde gesendet.
 
Galileo flog von 1996 bis zum Ende der Mission mehrere Male an allen vier Galileischen Monden des Jupiter – Io, Europa, Ganymed und Kallisto – vorbei, teilweise nur in wenigen hundert Kilometern Höhe (der Rekord in dieser Disziplin wurde im Januar 2002 aufgestellt, als Galileo nur 102 Kilometer über die Oberfläche von Io hinwegraste). Auch die Planetenatmosphäre von Jupiter wurde immer wieder von den Kameras und Messinstrumenten untersucht. Vor allem bei den Io-Passagen war die Raumsonde extremen Strahlungsdosen ausgesetzt, die von dem Jupiter umgebenden Strahlungsgürtel herrührten. Dabei kam es auch immer wieder zu vorübergehenden Abschaltungen von Instrumenten und Computern, die natürlich zunehmend durch die Strahlenbelastung beschädigt wurden. Insgesamt hat Galileo ein Mehrfaches der Strahlendosis verkraftet, für die die Raumsonde ursprünglich konzipiert war.
 
Ein Highlight der Mission war sicherlich auch die koordinierte wissenschaftliche Messkampagne Ende 2000, als die Raumsonde Cassini auf dem Weg zum Saturn an Jupiter vorbeiflog. Erstmals hatten die Wissenschaftler die Möglichkeit, das gigantische, mehrere Millionen Kilometer in den Weltraum hinausreichende Magnetfeld des Planeten sowie weitere physikalische Phänomene des Gasriesen gleichzeitig von zwei verschiedenen Orten aus zu beobachten.

Künstlerische Ansicht der Raumsonde Galileo, die einen der großen Galileischen Monde des Jupiters überfliegt. In dieser Grafik ist die Hauptantenne voll entfaltet dargestellt – tatsächlich entfaltete sie sich nur teilweise, weshalb die gesamte Kommunikation mit Galileo über die deutlich kleinere, hier gut sichtbare Niedriggewinnantenne abgewickelt werden musste.
(Grafik: NASA)

Wissenschaftliche Ergebnisse
Die wissenschaftliche Ausbeute der Forschungsmission ist sehr groß, daher sollen hier nur die wichtigsten und interessantesten Ergebnisse kurz wiedergegeben werden.
 
Die Messungen der Atmosphärensonde zeigten, dass sich die Zusammensetzung der Jupiteratmosphäre deutlich von der Komposition unserer Sonne unterscheidet – obwohl die grundlegende Zusammensetzung von Jupiter durchaus der unserer Sonne ähnelt haben nach der Entstehung des Planeten also offensichtlich noch weitere Veränderungen stattgefunden. In der Jupiteratmosphäre treten Ammoniak-Wolken auf, die von unteren Schichten aus nach oben steigen. Zum Erstaunen der Wissenschaftler konnte Galileo nur in diesen isolierten Wolken Ammoniak feststellen; bisher ist unklar, warum nicht auch in der übrigen Atmosphäre Ammoniak-Spuren gefunden wurden.
 
Die dünnen Ringe des Planeten bestehen aus Staubpartikeln, die von den vier kleinen innersten Monden stammen. Höchstwahrscheinlich wurden sie in der Vergangenheit bei Meteoriteneinschlägen auf diesen Monden hochgeschleudert.
 
Verschiedene Indizien stützen die Annahme, dass sich unter der eisigen Oberfläche des Mondes Europa ein flüssiger Ozean befindet. Die Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass sich im günstigsten Fall primitive Lebensformen in diesem Ozean entwickelt haben könnten. Auch scheint der Eispanzer an der Oberfläche von Europa – wahrscheinlich durch die Gezeitenkräfte – ständigen Veränderungen unterworfen zu sein. Einige Messwerte lassen es Möglich erscheinen, dass auch unter der Oberfläche von Ganymed und Kallisto flüssige Salzwasser-Ozeane existieren.
 
Bei Ganymed ist ein Magnetfeld entdeckt worden; damit ist er bisher der einzige Mond unseres Sonnensystems, bei dem ein eigenes Magnetfeld nachgewiesen werden konnte.
 
Resumée
Eine sehr erfolgreiche Mission, die eine große Erweiterung unserer Kenntnisse über das Jovianische System, über den größten Planeten des Sonnensystems wie auch über die Galileischen Monde, bewirkte – auf diese Kurzformel lassen sich die Ergebnisse der Galileo-Mission bringen. Sicherlich hätten die Wissenschaftler auf der Erde noch deutlich mehr Aufnahmen und Messdaten zu interpretieren, wenn das Problem der unbrauchbaren Hauptantenne nicht aufgetreten wäre. Doch durch eine intelligente Neuprogrammierung des Computers der Raumsonde konnte der Großteil der vor Beginn dieser Mission formulierten Forschungsziele erreicht werden.
 
Es ist zur Zeit noch nicht absehbar, wann erneut eine Raumsonde zum Jupiter aufbrechen wird. Doch mit einiger Wahrscheinlichkeit lässt sich jetzt schon sagen, dass die nächste Mission den Jupiter-Mond Europa zum Ziel haben wird – auch dies ein Ergebnis der Fülle an neuem Wissen, dass uns Galileo über den Gasriesen und seine Monde vermittelt hat. Und das unter dem Eispanzer von Europa möglicherweise vorhandene primitive Leben ist auch der Grund für das spektakuläre Ende der Raumsonde: Unter allen Umständen sollte vermieden werden, dass Galileo irgendwann nicht mehr kontrolliert werden kann und dann auf Europa hinabstürzt, dabei möglicherweise den Mond mit irdischen Lebensformen kontaminierend.

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