Goethe-Universität: Neues Bild vom Zentrum unserer Milchstraße

Spiralförmige Magnetfelder umgeben Schwarzes Loch Sagittarius A*. Eine Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt.

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main 27. März 2024.

Das Schwarze Loch SgrA*: Die Magnetfelder liegen spiralförmig um den zentralen Schatten des Schwarzen Lochs herum. (Bild: EHT Collaboration)
Das Schwarze Loch SgrA*: Die Magnetfelder liegen spiralförmig um den zentralen Schatten des Schwarzen Lochs herum. (Bild: EHT Collaboration)

27. März 2024 – Neue Beobachtungen der Event Horizon Telescope-Kollaboration zeigen, dass das Schwarze Loch Sagittarius A* (Sgr A*) im Zentrum der Milchstraße im polarisierten Licht von starken, spiralförmigen Magnetfeldern umgeben ist. Die Magnetfeldstruktur wird wahrscheinlich durch das magnetisierte Plasma erzeugt, das auf Sgr A* fällt, und ähnelt der von M87. Dieses Ergebnis legt nahe, dass alle Schwarzen Löcher starke Magnetfelder besitzen und dass Sgr A*, wie M87*, einen Teilchenstrahl ausstößt, der bislang nicht sichtbar gemacht werden konnte. An der Auswertung und Interpretation der Messdaten war das Team um Prof. Luciano Rezzolla, Goethe-Universität Frankfurt, maßgeblich beteiligt.

Das erste Bild vom Schwarzen Loch Sgr A*, welches etwa 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, wurde im Jahr 2022 von Event Horizon Telescope (EHT)-Wissenschaftlerinnen veröffentlicht. Dabei zeigte sich zwar, dass das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße mehr als tausendmal kleiner und weniger massereich ist als das der Galaxie M87, von dem die EHT-Kollaboration 2019 das erste Bild eines Schwarzen Lochs veröffentlicht hatte. Dennoch sehen sich Sgr A* und M87* bemerkenswert ähnlich. Um herauszufinden, ob die beiden Schwarzen Löcher weitere gemeinsamen Merkmale besitzen, beschloss das EHT-Team, Sgr A* in polarisiertem Licht zu untersuchen. Von M87* war bereits bekannt, dass die Magnetfelder um das riesige Schwarze Loch es ihm ermöglichen, einen starken Teilchenstrahl (Jet) in den Weltraum zu schicken. Die neuen Bilder zeigen, dass dasselbe auch für Sgr A* gelten könnte.

Schwarze Löcher in polarisiertem Licht abzubilden, ist nicht einfach, insbesondere gilt dies für Sgr A*. Denn das Gas, oder Plasma, in der Umgebung des Schwarzen Lochs umkreist Sgr A* in nur wenigen Minuten, und weil die Teilchen des Plasmas um die Magnetfeldlinien herumwirbeln, ändern sich die Magnetfeldstrukturen während der Aufzeichnung der Radiowellen durch das EHT schnell. Um das supermassive schwarze Loch abzubilden, waren also ausgeklügelte Instrumente und Verfahren erforderlich.

Prof. Luciano Rezzolla, theoretischer Astrophysiker an der Goethe-Universität Frankfurt, erläutert: „Polarisierte Radiowellen werden von magnetischen Feldern beeinflusst, und durch die Untersuchung des Polarisationsgrades des beobachteten Lichts können wir lernen, wie die Magnetfelder des Schwarzen Lochs verteilt sind. Allerdings ist es im Gegensatz zu einem Standardbild, das nur Informationen über die Intensität des Lichts benötigt, wesentlich schwieriger, die Polarisation darzustellen. Tatsächlich ist unser polarisiertes Bild von Sgr A* das Ergebnis eines sorgfältigen Vergleichs zwischen den tatsächlichen Messungen und den Hunderttausenden möglicher Bildvarianten, die wir mithilfe fortgeschrittener Supercomputer-Simulationen erstellen können. Ähnlich wie beim ersten Bild von Sgr A* repräsentieren diese polarisierten Bilder eine Art Durchschnitt aller Messungen.“

Rezzollas Kollaborationspartner, Geoffrey Bower vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taiwan, sagt: „Die Erstellung eines polarisierten Bildes ist wie das Öffnen des Buches, nachdem man nur den Umschlag gesehen hat. Da sich Sgr A* bewegt, während wir versuchen, sein Bild aufzunehmen, war es schwierig, selbst das unpolarisierte Bild zu konstruieren“, und fügt hinzu, dass das erste Bild ein Durchschnitt mehrerer Bilder aufgrund der Bewegung von Sgr A* war. „Wir waren erleichtert, dass die polarisierte Bildgebung überhaupt möglich war. Einige Modelle waren viel zu verwirbelt, um ein polarisiertes Bild zu konstruieren, aber die Natur hat es gut mit uns gemeint.“

„Indem wir polarisiertes Licht von heißem glühendem Gas in der Nähe von Schwarzen Löchern abbilden, schließen wir direkt auf die Struktur und Stärke der Magnetfelder, die den Fluss von Gas und Materie durchdringen, von dem das Schwarze Loch sich ernährt und abgibt“, ergänzt Angelo Ricarte, Harvard Black Hole Initiative Fellow und Co-Projektleiter. „Polarisiertes Licht lehrt uns viel über die Astrophysik, die Eigenschaften des Gases und die Mechanismen, die stattfinden, wenn ein Schwarzes Loch sich ernährt.“

Dr. Sara Issaoun, Co-Leiterin des Projekts und NASA Hubble Fellowship Program Einstein Fellow am Center for Astrophysics / Harvard & Smithsonian, sagt: „Dass Sgr A* eine auffallend ähnliche Polarisationsstruktur aufweist wie das viel größere Schwarze Loch M87* zeigt, dass starke und geordnete Magnetfelder entscheidend dafür sind, wie Schwarze Löcher mit dem Gas und der Materie um sie herum wechselwirken.“

Mariafelicia De Laurentis, stellvertretende EHT-Projektwissenschaftlerin und Professorin an der Universität Neapel Federico II, Italien, betont, dass die Magnetfeldstruktur von M87* von Sgr A* so ähnlich seien, deute darauf hin, dass die physikalischen Prozesse, die bestimmen, wie ein Schwarzes Loch einen Jet speist und ausstößt, trotz der Unterschiede in Masse, Größe und Umgebung bei supermassereichen Schwarzen Löchern universell sein könnten. Dieses Ergebnis ermögliche es, die theoretischen Modelle und Simulationen zu verfeinern und unser Verständnis dafür zu verbessern, wie die Materie in der Nähe des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs beeinflusst werde.

Weiterführe Informationen zur EHT-Kollaboration:
Das EHT hat seit 2017 mehrere Messkampagnen gemacht und wird Sgr A* voraussichtlich im April 2024 erneut beobachten. Jedes Jahr wurden die Bilder besser, da das EHT neue Teleskope, größere Bandbreiten und neue Beobachtungsfrequenzen einsetzt. Die für das nächste Jahrzehnt geplanten Erweiterungen werden hochauflösende Filme von Sgr A* ermöglichen, möglicherweise einen verborgenen Jet aufdecken und es den Astronom*innen und Astrophysiker*innen erlauben, ähnliche Polarisationsmerkmale in anderen Schwarzen Löchern zu beobachten. Außerdem wird die Erweiterung des EHT in den Weltraum immer schärfere Bilder von Schwarzen Löchern liefern.

An der EHT-Kollaboration sind mehr als 300 Forscherinnen und Forscher aus Afrika, Asien, Europa sowie Nord- und Südamerika beteiligt. Die internationale Kollaboration arbeitet daran, die detailliertesten Bilder von Schwarzen Löchern zu erhalten, die je gemacht wurden, indem sie ein virtuelles Teleskop von der Größe der Erde entwickelt. Unterstützt durch beträchtliche internationale Investitionen verknüpft das EHT bestehende Teleskope mit neuartigen Systemen und schafft so ein grundlegend neues Instrument mit dem höchsten bisher erreichten Winkelauflösungsvermögen.

An den ersten Beobachtungen der EHT im April 2017 waren die folgenden Teleskope beteiligt: das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA), das Atacama Pathfinder EXperiment (APEX), das Institut de Radioastronomie Millimetrique (IRAM) 30-Meter-Teleskop, das James Clerk Maxwell Teleskop (JCMT), das Large Millimeter Telescope Alfonso Serrano (LMT), das Submillimeter Array (SMA), das UArizona ARO Submillimeter Telescope (SMT), das South Pole Telescope (SPT). Seit 2017 sind das Greenland Telescope (GLT), das IRAM NOrthern Extended Millimeter Array (NOEMA) und das 12-Meter-Teleskop der UArizona auf dem Kitt Peak in zum EHT-Netzwerk dazugekommen.

Das EHT-Konsortium besteht aus 13 beteiligten Instituten: dem Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics, der University of Arizona, der University of Chicago, dem East Asian Observatory, der Goethe-Universität Frankfurt, dem Institut de Radioastronomie Millimétrique, dem Large Millimeter Telescope, dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie, dem MIT Haystack Observatory, dem National Astronomical Observatory of Japan, dem Perimeter Institute for Theoretical Physics, der Radboud University und dem Smithsonian Astrophysical Observatory.

Originalpublikation:
(1) EHT collaboration: First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. VII. Polarization of the Ring. Astrophysical Journal Letters (2024) https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/ad2df0
(2) EHT collaboration: First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. VIII. Physical Interpretation of the Polarized Ring. Astrophysical Journal Letters (2024) https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/ad2df1

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