Voraussichtlich Mitte Oktober wird das Ende der GOCE-Mission eingeläutet. Mangels Treibstoff kann der ESA-Satellit nicht mehr auf seiner Umlaufbahn gehalten werden und wird innerhalb von drei Wochen in der Erdatmosphäre größtenteils verglühen. Wann und wo wird sich erst kurz vor dem Wiedereintritt herauskristallisieren. Der Abgang ist im Gegensatz zu den präzisen Arbeitsergebnissen des Satelliten bei der Messung irdischer Gravitationsabweichungen alles andere als ein gelungenes Beispiel für einen kontrollierten Absturz.
Ein Beitrag von Roland Rischer. Quelle: ESA, DLR.
Dass es von im Weltraum positionierten Satelliten nur selten Aufnahmen gibt, werden viele Raumfahrt-Enthusiasten bedauern. Satelliten und Sonden haben oft eine filigrane Ästhetik, die mit Bildern aus der Startvorbereitungsphase am Boden kaum zu vermitteln ist. Die volle Pracht entfalten sie erst im Weltraum, richtig ausgeleuchtet vor dem Hintergrund der Erde oder sonstigen Himmelskörpern, wenn alle Solarflügel, Reflektoren und Gitterstrukturen ausgefahren sind und die Arbeit beginnt. Zu jenen Satelliten, die man gerne mal in Aktion gesehen hätte, gehört sicherlich auch GOCE (Abkürzung für Gravity field and steady-state Ocean Circulation Explorer). In niedriger Umlaufbahn über der Erde, mit bautechnischen Zugeständnissen an die hier nicht ganz zu vernachlässigende äußert dünne Restatmosphäre und angetrieben von einem Ionentriebwerk, wirkt der Forschungssatellit auf künstlerischen Impressionen wie ein aus einem Science Fiction-Film entsprungenes Raumschiff im Anflug auf die Erde.
Einen solchen Anflug wird es aber nicht geben. Es wird nach Lage der Dinge noch nicht einmal einen halbwegs kontrollierten Absturz geben. Dem 2009 gestarteten GOCE wird voraussichtlich Mitte Oktober 2013 der Treibstoff ausgehen. Die ursprünglich vorgesehene Missionsdauer von 20 Monaten hat sich damit mehr als verdoppelt. Ohne Treibstoff kann der Satellit nicht mehr die Bremswirkung der Gasmoleküle im gegenwärtigen Arbeitsorbit in rund 230 Kilometer Höhe kompensieren. Für den Antrieb hat GOCE ein Ionen-Triebwerk an Bord, das mit Xenon arbeitet. Etwa Mitte Oktober dürfte der letzte Rest von ursprünglich 40 Kilogramm Xenon verbraucht sein. Der Satellit wird zunächst langsam seinen Orbit verlassen, mit zunehmenden Reibungswiderstand aber immer schneller sinken. Die ESA rechnet etwa drei Wochen nach dem Aus des Triebwerks mit dem Absturz.
GOCE wird zwar zum größten Teil in der Erdatmosphäre verglühen, einige Teile können jedoch die Oberfläche erreichen. Das können durchaus 25 Prozent der Satelliten-Masse von etwas über 1.000 Kilogramm sein. Wann und wo die Reste von GOCE niedergehen, kann die ESA gegenwärtig nicht voraussagen. Das wird erst kurz vor dem Wiedereintritt mit akzeptabler Fehlertoleranz möglich sein. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung von Menschen niedrig ist, sind die nationalen Raumfahrtbehörden weltweit inzwischen über das Inter-Agency Space Debris Coordination Committee in die Beobachtung von GOCE eingebunden. Die ESA behält über ihr Space Debris Office die Federführung bei der Erstellung von Wiedereintrittsprognosen und Risikoabschätzungen für die betroffenen Regionen.
Es bleibt zu hoffen, dass das offensichtlich kaum kontrollierbare Ende von GOCE eine unspektakuläre Randnotiz in der Geschichte dieser Erfolgsmission bleibt. Der Satellit hat nicht nur ein detailgenaues Bild vom Schwerefeld der Erde geliefert. Erstmals wurde die Oberflächenzirkulation der Weltmeere mit einem einheitlichen Ansatz analysiert. Das aus GOCE-Daten errechnete Geoid, ein an eine Kartoffel erinnerndes Schwereabbild der Erde, dient unter anderem als hypothetischer Meeresspiegel im Ruhezustand. Dadurch wurden erstmals Meeresspiegeländerungen beispielsweise im Mittelmeer und vor Australien vergleichbar.
Diskutieren Sie mit: