GK Roskosmos beschließt Verlängerung des ISS-Engagements bis 2028

Entsprechende Dokumente zur Vorlage bei der Regierung in Arbeit. Ein Beitrag von Gerhard Kowalski.

Quellen: GK Roskosmos, TASS, RIA Nowosti, Rossija-24 21. Februar 2023.

Moskau, 21. Februar 2023 – Der Wissenschaftlich-Technische Rat (NTS) der GK Roskosmos hat am Dienstag beschlossen, die Nutzungsdauer des russischen Segments der Internationalen Raumstation ISS bis 2028 zu verlängern. Die Entscheidung sei auf einer Sitzung des NTS-Präsidiums gefallen, teilte die Raumfahrtbehörde mit. Jetzt würden die entsprechenden Dokumente zur Vorlage bei der Regierung vorbereitet. Bislang wollte sich Russland nur bis 2024 in der Station engagieren.

Nun also doch, möchte man jetzt sagen. Mit der heutigen Entscheidung, die auf einer Vorlage des Rates der Chefkonstrukteure der RKK Energija beruht, hat das Land eine Kehrtwendung vollzogen. Denn bisher hat die führende russische Raumfahrtschmiede, aus der die meisten ISS-Module stammen, immer wieder auf den lamentablen Zustand des eigenen Segments hingewiesen und eher vor einer Verlängerung des ISS-Engagement gewarnt. Gut 80 Prozent der Elemente hätten bereits ihre Nutzungsdauer überschritten, hieß es. Und wie zum Beweis dafür haben sich in letzter Zeit hier auch die Probleme gehäuft. Mitte Dezember wurde das Raumschiff Sojus MS-22 durch einen Meteoriten so beschädigt, dass es für den Rücktransport der russisch-amerikanischen Besatzung ausfiel. Und am 11. Februar trat bei dem Frachter Progress MS-21 ein ähnlicher Schaden am Wärmeaustauscher auf.

Der Chef der GK Roskosmos, Juri Borissow, hatte erst dieser Tage eine verheerende Zustandsbeschreibung der russischen Raumfahrt gegeben, die praktisch am Boden liegt. Ihr Anteil am Weltmarkt sinke wegen des westlichen Boykotts nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine von bisher ohnehin nur 3,5 Prozent auf nun 0,5 Prozent, bekannte er in einem Interview und verwies speziell darauf, dass die USA jetzt auch das Milliarden-Dollar-Geschäft bei den RD-180-Triebwerke für ihre Antares-Raketen gecancelt haben. Seinem Land fehle es zudem „spürbar“ an einer allen verständlichen Strategie. Die wolle man jetzt im kommenden Quartal vorlegen, versprach er. Auch habe man den Übergang zur industriellen Fertigung von Satelliten „verschlafen“. Derzeit baue man lediglich 15 bis 17 davon pro Jahr. Ziel sei es, 2025 auf wenigstens 250 Stück zu kommen. In etwa fünf Jahren wolle man ferner die Satelliten voll aus rein russischen Bauteilen montieren. Und dann sei da ja noch die hohe Kriminalitätsrate in der Branche, mit der man zu kämpfen habe.

Auch der finanzielle Nutzen der ISS sei inzwischen erheblich niedriger als der Aufwand, sagte Borissow. Derzeit bringe man für die Station 35 Prozent des Raumfahrtbudgets auf, die ESA und die NASA dagegen nur 16 bis18 Prozent. Dennoch will man jetzt also bis 2028 hier weiter machen – wenn die Technik durchhält. Der ursprüngliche Plan, aus dem Projekt auszusteigen, wurde aufgegeben, weil man sich damit selbst aus dem letzten großen Ost-West-Unternehmen herauskatapultieren würde und ohne Alternative dastünde. Derzeit fahren die Russen hier sogar eine Art Schmusekurs. So nannte Borissow das Verhalten der US-Astronauten angesichts der ernsten russischen Probleme „menschlich“ und lobte die freundschaftliche Zusammenarbeit an Bord, während auf der Erde ja ganz andere Töne angeschlagen werden. Allerdings kennt man natürlich auch den Grund für das Wohlwollen: die Amerikaner brauchen die Russen für die Aufrechterhaltung der ISS, denn ohne sie geht da gar nichts. Die selbst versuchen nun mit dem beschleunigten Bau der Russischen Orbitalstation (ROS) einen nationalen Anschluss für die Zeit nach ihrem ISS-Ende zu gewährleisten.

Als kosmischen Hauptpartner umwirbt Russland jetzt zielstrebig vor allem China. Auch zum Iran gebe es „keine schlechten Verbindungen“, betonte Borissow. „Gute Pläne“ habe man ferner mit Angola, Vietnam, Algerien und anderen arabischen Ländern. Er hoffe jetzt auch auf Partner in Afrika. „Wir finden einen Ausweg aus der Situation, obwohl diese natürlich ärgerlich ist“, machte sich Borissow erst an diesem Dienstag im TV-Kanal Rossija-24 selbst Mut. Allerdings müsse die Politik aus der Raumfahrt herausgehalten werden, um die Lage nicht noch zu verschärfen.

Gerhard Kowalski

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