GIOVE-A 10 Jahre im produktiven Einsatz

Am 28. Dezember 2015 jährte sich zum 10. Mal der Starttag des Galileo-Testsatelliten GIOVE-A. Der Technologiedemonstrator befindet sich noch immer in brauchbarem Zustand und wird von seinem Hersteller weiter eingesetzt.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: SSTL.

GIOVE-A über der Erde – Illustration
(Bild: ESA / P. Carril)

Der Hersteller von GIOVE-A, Surrey Satellite Technology Ltd. (SSTL) aus Großbritannien, kümmert sich seit dem offiziellen Ende der Mission des Satelliten für die Europäische Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA) um den Betrieb des Raumfahrzeugs. GIOVE steht für Galileo In-Orbit Validation Element, Galileo-Testelement für Überprüfungen in einer Umlaufbahn.

GIOVE-A zieht derzeit in rund 23.350 Kilometern Höhe um die Erde und sammelt dort nützliche Daten zur Strahlung in der Umgebung des Satelliten, die man als exemplarisch für die Strahlungssituation, der ein Raumfahrzeug in einem Erdorbit in mittlerer Flughöhe (Medium Earth Orbit, MEO) ausgesetzt ist, betrachten kann.

Ein experimenteller Empfänger für Signale des globalen US-amerikanischen Satellitennavigationssystems (Global Positioning System, GPS) an Bord von GIOVE-A ermöglicht es darüber hinaus, Antennendiagramme zur Darstellung der Strahlungscharakteristik von Antennen an Bord von GPS-Satelliten zu erstellen. Die dabei gewonnenen Informationen sind laut SSTL eine Hilfe bei Planungen für Navigationssysteme, die man künftig auf Satelliten im Geostationären Orbit, also in etwa 35.786 Kilometern Höhe an fester Position über der Erdoberfläche und an Bord von Raumfahrzeugen, die weiter in den Weltraum vordringen sollen, einsetzten möchte.

John Paffett, Direktor für die Bereiche Telekommunikation und Navigation bei SSTL, sieht GIOVE-A als Meilenstein für SSTL, mit dem man demonstriert habe, wie ein pragmatischer Ansatz und ein innovativer, kleiner und günstiger Satellit es ermöglichen, für den Gesamterfolg eines bedeutenden Programms wie Galileo entscheidende Daten zu gewinnen.

Für den Entwurf, den Bau und flugvorbereitende Tests hatte SSTL rund 30 Monate benötigt. Der Start des für die ESA auf Basis des SSTL-900-Busses hergestellten Satelliten erfolgte am 28. Dezember 2005. Anschließend war es Aufgabe des Satelliten, zwei der drei für Galileo vorgesehenen Frequenzbänder durch aktive Nutzung zu besetzen und ihre Reservierung bei der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) auf diese Weise sicherzustellen.

Gemäß internationaler Übereinkünfte würden ungenutzte Frequenzen wieder frei und andere Benutzer, die dies beantragten, könnten die Frequenzen zugeteilt bekommen. Außerdem war GIOVE-A dazu gedacht, die ersten Galileo-Navigationssignale aus dem All zur Erde zu senden.

GIOVE-A ist mit zwei Rubidium-Uhren (Rubidium Atomic Frequency Standard, RAFS – Flugmodelle FM4 und FM5) mit einer Gangabweichung von etwa 10 Nanosekunden am Tag vom Schweizer Hersteller Temex – heute SpectraTime (SpT (dann Orolia, jetzt Safran Group)) – ausgestattet, deren Betriebsverhalten im Weltraum es zu untersuchen und mit dem am Boden verbliebener Uhren zu vergleichen galt.

Darüber hinaus war es Aufgabe des Satelliten, die Charakteristik der Strahlung in der Umgebung des Satelliten auf seiner Bahn um die Erde in mittlerer Höhe im Hinblick auf die Konstruktion nachfolgender europäischer Navigationssatelliten zu erkunden.

Seine Mission erfüllte GIOVE-A wie vorgesehen. Die ihm zugedachte Auslegungsbetriebsdauer von 27 Monaten überlebte der Satellit um ein Vielfaches. 2008 erklärte die ESA die Mission von GIOVE-A zu einem vollen Erfolg. Im Jahr darauf wurde der weiter funktionsbereite Satellit auf eine höhere Erdumlaufbahn gesteuert, wo er auf einem sogenannten Friedhofsorbit beim Aufbau der Galileo-Satellitenkonstellation rund 100 Kilometer tiefer nicht stören soll.

Schließlich übernahm SSTL den Satelliten nach einer Anzahl von Missionsverlängerungen von der ESA. SSTL nutzte und nutzt die Gelegenheit, mit GIOVE-A weiter Daten zur Strahlung in der Umgebung des Satelliten und zu GPS-Signalen zu sammeln.

SGR-GEO Empfängerplatine
(Bild: SSTL)

Der SGR-GEO für „Space GNSS Receiver for Geostationary Earth Orbit“ genannte GPS-Empfänger an Bord von GIOVE-A, den SSTL mit Unterstützung der ESA und der Raumfahrtagentur Großbritanniens (BNSC, jetzt UKSA) gebaut hatte, ist in der Lage, Signale von GPS-Satelliten zu empfangen und kann darüber hinaus die sogenannten sidelobes, zu Deutsch Seitenkeulen, die am Erdboden richtungsabhängig nicht notwendigerweise zu empfangen sind, erfassen.

Schwache Signale aus diesen Seitenkeulen sind gegebenenfalls beim Einsatz geeigneter Technik an Bord von Satelliten, die sich gerade an geeigneter Position mehr oder minder gegenüber des sendenden Satelliten über dem Erdhorizont befinden, empfangbar.

Die Nutzbarkeit eines Empfängers für Navigationssignale in Flughöhen über denjenigen der ausstrahlenden Navigationssatelliten ist stark abhängig von der Reichweite der Seitenkeulen.

Empfang von Signalen aus Seitenkeulen – Illustration
(Bild: SSTL)

Die Daten von SGR-GEO, der im November 2012 zum ersten Mal für einen längeren Zeitraum aktiviert wurde, helfen dabei, herauszufinden, ob es sich mit der Empfangbarkeit so verhält, wie man möglicherweise erwarten konnte.

Bei der Entwicklung von Navigationssignal-Empfängern für Raumfahrzeuge, die sich jenseits vorhandener Navigationssatelliten-Konstellationen bewegen sollen, will man gewonnene Erkenntnisse berücksichtigen.

Auch die Ergebnisse der Messungen des Strahlungssensors namens Merlin an Bord von GIOVE-A könnten Eingang in den Entwurf künftiger Raumfahrzeuge finden. Die Analyse der Daten von Merlin, die SSTL mit Unterstützung der ESA vorgenommen hat, förderte einige interessante Aspekte zutage.

Das absolute Minimum an Elektronen innerhalb des Raumfahrtzeitalters maß Merlin 2008/2009. Einen der stärksten Elektronen-Stürme erlebte Merlin im April 2010. Eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten setzen sich mit den von Merlin seit dem ersten Tag nach dem Start von GIOVE-A gelieferten Daten auseinander.

Mit Hilfe der Daten von Merlin wurde es möglich, ein neues MOBE-DIC genanntes Modell des Elektronenflusses im Außenbereich des Van Allen Gürtels zu erstellen, welches bei der Neukonstruktion von Raumfahrzeugen berücksichtigt werden kann. MOBE-DIC steht für „Model of Outer Belt Electrons for Dielectric Internal Charging“.

SSTL hofft, dass GIOVE-A sich noch ein weiteres Jahr nützlich einsetzen lässt. Ist auch ein 11. Einsatzjahr ohne längere Unterbrechungen des Messbetriebs möglich, ergibt sich der für die Forscher günstige Umstand der Abdeckung eines vollständigen Sonnenfleckenzykluses. Ein Zyklus der Sonnenaktivität, der zwischen zwei Maxima mit einem zeitlichen Abstand von durchschnittlich 11 Jahren regelmäßig auf ein Minimum zurückgeht.

GIOVE-A alias GSTB-V2/A ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 28.922 bzw. als COSPAR-Objekt 2005-051A.

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