Gigantischer Sonnensturm trifft die Erde

Ein ungewöhnlich starker Sonnensturm hat die Erde in Gestalt von solarer Röntgenstrahlung und sehr schnellen elektrisch geladenen Partikeln erreicht.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: ESA.

SOHO -Aufnahmen des Sonnensturms vom 28. Oktober. Die Sonne wird vom LASCO -Teleskop durch eine Scheibe verdeckt, so dass die Vorgänge in der Korona gut zu beobachten sind.
(Foto: ESA)

Am Dienstag dieser Woche trat beim Sonnenfleck Nummer 10486 die drittstärkste seit den 1970er Jahren beobachtete Röntgenstrahlen-Explosion der Kategorie X-17,2 auf. Sie wurde unmittelbar vom Ausbruch einer gigantischen, so genannten Coronal Mass Ejection (CME) gefolgt, bei der geladene hochenergetische Partikel in einer riesigen Wolke mit enormer Geschwindigkeit in den Weltraum geschleudert werden. Dieser Ausbruch erfolgte genau Richtung Erde, so dass wenige Minuten später erste Störungen des Funkverkehrs beobachtet werden konnten. Diese Beeinträchtigungen werden dadurch verursacht, dass die intensive Röntgenstrahlung die oberen Schichten der Erdatmosphäre ionisiert, also elektrisch auflädt.

Die mit rund 7,5 Millionen Stundenkilometer Richtung Erde stürmende CME – rund fünfmal so schnell wie durchschnittliche CMEs – erzeugte beim Aufprall auf die Erdatmosphäre intensive Polarlichter, die tausende von Kilometer weiter südlich als gewöhnlich zu beobachten waren, und setzte die Passagiere und Besatzungsmitglieder in Flugzeugen, die auf Polrouten unterwegs waren, einer Röntgenstrahlenbelastung aus, wie sie während einer gewöhnlichen ärztlichen Röntgenuntersuchung auftreten.

Die beiden Besatzungsmitglieder der Internationalen Raumstation haben sich zum Schutz vor gesundheitlichen Schäden vorübergehend in das russische Wohnmodul Swjesda (= Stern) zurückgezogen, das die beste Abschirmung gegenüber den gesundheitsgefährdenden hochenergetischen Partikeln gewährt.

Auch die Elektronik von Satelliten und Raumsonden kann bei derartig schweren „Sonnenstürmen“ in Mitleidenschaft gezogen werden. Nach Angaben von Michael McKay vom European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt wurden beispielsweise einige wissenschaftliche Messinstrumente an Bord der europäischen Weltraumteleskope INTEGRAL und XMM Newton abgeschaltet um Beschädigungen durch hohe Ströme zu vermeiden, die aufgrund der energiereichen Protonen des CMS induziert werden. Außerdem, so Michael McKay gegenüber Raumfahrer.net weiter, wird während des „Sonnensturms“ in den Detektoren einiger Instrumente dieser beiden Teleskope ein derartig starkes Hintergrundrauschen erzeugt, dass die Gewinnung wissenschaftlich relevanter Daten während der Dauer des solaren Flares nicht möglich ist.

Auch bei der europäischen Mondsonde SMART-1 ist es während der letzten beiden Tage zu Beeinträchtigungen aufgrund des CMEs gekommen, die jedoch keine dauerhaften Schäden an der Raumsonde nach sich ziehen werden. Die Missionsspezialisten stellten einerseits eine erhöhte Rate von Datenfehlern im Speicher der Raumsonde fest, die im Rahmen einer jede Minute vom SMART-1-Computer durchgeführten Speicherüberprüfung ohne Zutun der Bodenkontrolle automatisch korrigiert wurden. Weiterhin, so Michael McKay, wurde die Funktion der als Sternenscanner dienenden Kameras durch die hochenergetischen Partikel stark gestört, da sie auf den lichtempfindlichen CCD-Elementen dieser Instrumente ein intensives Hintergrundrauschen erzeugten, das eine automatische Orientierung der Raumsonde mit Hilfe aufgenommener Sternenkonstellationen unmöglich machte.
Entgegen einiger Pressemeldungen ist die Funktion des Ionen-Triebwerks an Bord von SMART-1 nicht durch die Sonneneruption in Mitleidenschaft gezogen worden. Es gab zwar in den letzten Tagen zwei so genannte Flame-Outs (also das Erlöschen der „Triebwerksflamme“), so Michael McKay, aber seinen Angaben zufolge ist ein derartiges Verhalten nicht ungewöhnlich und höchstwahrscheinlich auf Verunreinigungen im Triebwerksinneren zurückzuführen.

Die Raumsonde SOHO hat unterdessen einen neuen, starken Sonnensturm entdeckt, der gestern um 21:49 Uhr (MEZ) von einem anderen Sonnenfleck ausging. Die Partikelwolke dieses CMEs wird voraussichtlich morgen abend die Erde erreichen. Ausführliche Informationen über dieses kosmische Phänomen können Sie in der am kommenden Samstag erscheinenden neuen Ausgabe unseres InSpace Magazin lesen.

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