Etwa 1.500 Lichtjahre von der Erde entfernt stirbt ein Gesteinsplanet einen besonderen Tod und wird dabei vom Weltraumteleskop Kepler beobachtet. Die Nähe zu seinem Mutterstern wird ihm dabei zum Verhängnis.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: University of Cambridge, M.I.T. Department of Physics and Kavli Institute for Astrophysics and Space Research, Massachusetts, USA.
Das im März 2009 von der NASA gestartete Kepler-Weltraumteleskop hat zur Aufgabe, nach extrasolaren Planeten zu suchen. Benannt ist das Projekt nach dem deutschen Astronomen Johannes Kepler, der als erster die Gesetzmäßigkeiten der Planetenumlaufbahnen erkannte.
Während seiner Suche beobachtet Kepler einen festen Ausschnitt des Sternenhimmels mit ca. 100.000 Sternen im Sternbild Schwan, um mit Hilfe der sogenannten Transitmethode extrasolare Planeten zu entdecken. Besondere Zielsetzung des Projekts ist, vergleichsweise kleine Planeten (wie unsere Erde oder kleiner) und damit auch potenziell bewohnbare („habitable“) extrasolare Planeten zu entdecken. Gleichzeitig liefert es Basisdaten zu anderen veränderlichen Sternen, um daraus Rückschlüsse über die im Inneren ablaufenden Prozesse ziehen zu können.
Bei der sogenannten Transitmethode sucht man nach Planeten, die sich – von der Erde aus gesehen – zwischenzeitlich vor ihr Zentralgestirn schieben. Dabei verdeckt der Planet den Stern und die Helligkeit des Sterns fällt während dieser Zeit ab. Dieser Helligkeitsabfall lässt sich beobachten. So verursacht ein jupitergroßer Planet, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist, einen Helligkeitsabfall von ca. 1%. Doch ein Transit allein reicht nicht, um mit Sicherheit einen Planeten zu entdecken. Schließlich können noch andere Phänomene bei einem Stern einen Helligkeitsabfall verursachen: z.B. Sternenflecken oder Sternpulsationen. Tatsächlich benötigt man drei periodisch auftretende Helligkeitsminima (Lichtabschwächungen), bevor man mit einiger Sicherheit von einem Planeten sprechen kann. Aus der so ermittelten Umlaufzeit und der Helligkeitsänderung lassen sich nach den Keplerschen Gesetzen die Umlaufbahn und Größe des erdähnlichen Planeten ermitteln. Durch die entsprechend ermittelte Entfernung des entdeckten Exoplaneten zu seiner Sonne und durch die Temperatur dieser Sonne (ermittelt nach Leuchtkraftklasse und Spektralklasse) kann die Temperatur auf dem Planeten und damit seine mögliche Bewohnbarkeit annähernd berechnet werden. Aufgrund der unterschiedlichen Bahnneigungen der Planeten gegen unsere Sichtlinie tritt allerdings nur bei einem Bruchteil erdähnlicher Planeten eine aus unserer Richtung beobachtbare Bedeckung auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Transit von der Erde aus beobachtbar ist, ergibt sich einfach als Quotient von Stern- und Planetenbahnradius, im Falle von Erde und Sonne also 0,465 %.
Seit seinem Start hat das Teleskop auf diese Weise bis jetzt über 1.250 potentielle Exoplanet-Kandidaten ausmachen können. Die große Mehrheit der Kandidaten weist Orbitalperioden zwischen drei und 30 Tagen auf. Allerdings wird mit weiter fortschreitenden Beobachtungen auch der Nachweis langperiodischer Systeme erwartet. Auf der anderen Seite der Nachweisbilanz sind auch nur vereinzelt Systeme mit Perioden unterhalb einiger Tage bekannt oder bestätigt. Sie wurden zumeist mittels erdgebundener Doppler-Beobachtungen aufgespürt. Kandidaten mit noch geringeren Umlaufzeiten von unter einem Tag sind darüber hinaus in ihrer Mehrzahl vermutlich „falsch-positive“ Meldungen. In aller Regel liegt die Ursache solcher Falschbefunde in Störeinflüssen, die durch binäre Hintergrundsternpaare verursacht werden, begründet. Die bis vor Kurzem kurzzeitigste Orbitalperiode weist der innere von fünf Planeten um 55 Cnc, ein Doppelstern im Sternbild Krebs, etwa 41 Lichtjahre entfernt, auf. Allerdings wurde Cnc 55e nicht mit Kepler, sondern mit Hilfe von erdgebundenen Dopplermessungen nachgewiesen.
Im Wesentlichen sind zwei Gründe dafür verantwortlich, warum kurzperiodische Planetenkandidaten in den Kepler-Daten bis jetzt noch ein wenig unterrepräsentiert sind. Zum einen lassen sich derzeit die Lichtkurven sich beeinflussender Binärsysteme nur unzureichend von solchen mit Planetentransits unterscheiden. Zum anderen werden zu dicht bei ihrem Mutterstern kreisende Planeten durch die harschen Umweltbedingungen frühzeitig zerstört. Umso bemerkenswerter nimmt sich vor diesem Hintergrund ein 15,6-Stunden-Transit um den Zwergstern KIC 12557548 aus. Noch dazu zeigen seine Lichtkurven Variationen, die ein Transitgeschehen eines einzelnen opaken (strahlenundurchlässigen) Körpers ausschließen. Vermutlich resultieren die Helligkeitsunterscheide gar aus Staubpartikeln, die durch den langsamen Verfall des Planeten aufgrund des hohen Strahlungseinflusses des Muttersterns herrühren. Einflüsse stellarer Körper auf die Messergebnisse könnten weitestgehend ausgeschlossen werden, denn vor dem Hintergrund verschiedener Überlegungen befände sich der Binärstern oder ein hypothetischer Brauner Zwerg innerhalb von nur 2,8 Sonnenradien um den gemeinsamen Schwerpunkt des Systems. Bei einem solchen Abstand können die beobachteten Erscheinungen allerdings lediglich durch ein Objekt planetarer und eben nicht stellarer Masse, erklärt werden.
Erstmalig aufgespürt wurde der Transit in öffentlich zugänglichem Kepler-Datenmaterial des zweiten Beobachtungsquartals. Von den insgesamt in besagtem Quartal 4.800 gewonnenen Spektren zeigen etwa 2.100 Anzeichen eines Binärsystems. D.h. die Auffälligkeiten in ihren Lichtkurven gehen nicht auf Planetentransits zurück. Bei den meisten der übrigen Spektren handelt es sich um Sterne, die einer Pulsation unterliegen und somit ebenfalls nicht als Planetenkandidaten infrage kommen. Demgegenüber zeigen die Bedeckungen von KIC 12557548 nicht nur während des ersten Beobachtungsquartals eine unerwartet hohe Variabilität, die sogar an wenigen Tagen nur knapp über der Nachweisgrenze lag. Auch in den Aufzeichnungen der folgenden Quartale ist diese Variabilität nachzuweisen, was für ein periodisch wiederkehrendes Ereignis spricht.
Die erdgestützten Nachfolgebeobachtungen und die Aufzeichnung eines optischen Spektrums des nur 16 mag hellen Sterns fanden mittels eines 1,6-Meter-Teleskops des Observatoire du Mont-Mégantic (OMM) im Nationalpark Mont Megantic in Kanada statt. Demnach handelt es sich bei KIC 12557548 um einen sonnenähnlichen Stern mit ca. 0,7 Sonnenmassen, sowie 0,65 Sonnenradien und einer Oberflächentemperatur von 4.000 °C. Die Strahlung des Sterns heizt den lediglich in zwei Millionen Kilometern Entfernung – ein Dreißigstel der mittleren Entfernung Merkurs von der Sonne – kreisenden Planeten auf rund 1.800 °C auf. Bei dieser Temperatur verdampfen Silikatminerale wie beispielsweise Pyroxen und Olivin und das Gestein auf der Oberfläche schmilzt. Der aufsteigende Dampf reißt Staubpartikel mit und strömt ins Weltall ab. Vermutlich besitzt der Planet lediglich einen Bruchteil der Erdmasse, damit ist seine Gravitation zu gering, um das Abströmen von Gas und Staub effektiv zu verhindern, so dass er sich nicht nur mit einer stetig wachsenden Materiehülle umgibt, sondern darüber hinaus auch einen langgestreckten kometenartigen Schweif aus Oberflächenmaterial mit sich führen könnte.
Die Massenobergrenze für das planetare Begleitobjekt passt nach Simulationsrechnungen am besten zu einem merkurähnlichen Festkörper mit ca. 1,8-facher Masse des sonneninnersten Planeten. Höhere Massen (beispielsweise jupiterähnliche Planeten) währen nur sehr eingeschränkt unter der Annahme erklärbar, dass die Präzession der Bahnebene des Planeten die Geometrie seines Transits in der Form verändert, dass dies in verschiedenen Bedeckungsgraden deutlich wird. Darüber hinaus machen sich die Auswirkungen der durch Gezeitenkräfte eines massereichen Körpers veränderten Präzessionen in der Regel erst über längere Zeiträume bemerkbar und variieren nicht wie im Fall von KIC 12557548 von Orbit zu Orbit.
Am sinnvollsten lassen sich demnach die Beobachtungsdaten mit einem sehr viel kleineren, felsiger Körper von etwa Merkurgröße, dessen Umlaufbahn sich viel zu nah an seinem Mutterstern befindet, interpretieren. Die dadurch auf dem Planeten herrschenden Temperaturen und Strahlungseinflusse bewirken ein regelrechtes Evaporieren des Planetenkörpers. Setzt sich die Verlustrate mit der berechneten Intensität fort, dürfte sich der gesamte Planet innerhalb der folgenden 200 Millionen Jahre zerstreut haben. Infolge dessen bildet sich in unmittelbarer Umgebung des Planeten eine Gas- und Staubwolke, die zu den verschieden starken Abschattungen des Sternlichts führt. Dass es sich bei dem Objekt um einen Gesteinskörper handeln muss, erhärtet weiter die Tatsache, dass ein vornehmlich abströmendes Gasgemisch nicht schlüssig den beobachteten Grad der Opazität (Abschattung) erklären kann. Jeder weitere Gesteinskörper mit höherer Masse, also z.B. eine sogenannte Supererde, scheidet aus, da aufgrund der hier herrschenden gravitativen Gegebenheiten und der damit notwendigerweise höheren Fluchtgeschwindigkeit, quantitativ nur unangemessen hohe Materialmengen aus der Oberfläche gelöst werden können, um in einen Orbit um den Planeten zu gelangen. Vielleicht gibt also der sterbende Planet um KIC 12557548 also schon einen Vorgeschmack dessen, was auch Merkur eines Tages widerfahren könnte.