Die Abkürzung GERDA steht für GERmanium Detector Array (Germaniumdetektorenanordnung). Das Experiment befindet sich in den italienischen Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS), 1.400 Meter tief unter den Abruzzen. Hier gehen Wissenschaftler der Frage nach, ob Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind.
Ein Beitrag von Hans J. Kemm. Quelle: mpi-hd.mpg.
Neutrinos gehören zu den rätselhaftesten Teilchen, mit denen sich die Physik beschäftigt. Nun sollen die kaum aufspürbaren Winzlinge im Felslabor im Gran Sasso ihr Geheimnis preisgeben. Aber trotz seiner Scheue sich zu zeigen ist das Neutrino ein sehr bedeutendes Teilchen. Denn nach den Photonen kommt es im Universum am häufigsten vor; auch spielt es eine wichtige Rolle bei Supernovaexplosionen und bei der Entwicklung des Universums.
Wie allgemein bekannt ist, blieb bei dem vermuteten Big Bang mehr Materie als Antimaterie übrig, genug, um die ungezählten Milliarden Galaxien im Universum entstehen zu lassen. Doch wie kam es zu dieser Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie? In den heute gängigsten Theorien dazu spielen Neutrinos eine entscheidende Rolle. Die winzigen Teilchen sind fast masselos, bewegen sich annähernd mit Lichtgeschwindigkeit und treten kaum in Wechselwirkung mit anderen Teilchen; das heißt, sie bewegen sich im Verborgenen.
Kosmologie-Theoretiker sagen, dass Neutrinos eine besondere Eigenschaft aufweisen: Die Teilchen müssen gleichzeitig ihre Anti-Teilchen sein, sich also gegenseitig annihilieren können. Diese Aussage hat wichtige Auswirkungen auf die theoretische Beschreibung der Teilchen. Wären Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen, käme das Neutrino mit dem Standardmodell der Teilchenphysik in Konflikt und zur Beweisführung wird GERDA eingesetzt. Bei diesem Experiment soll der sogenannte neutrinolose Doppel-Beta-Zerfall nachgewiesen werden. Beim einfachen Beta-Zerfall wandelt sich im Atomkern ein Neutron in ein Proton um. Dabei werden ein Elektron sowie ein Neutrino freigesetzt. Die beim Zerfall frei werdende Energie verteilt sich auf das Elektron und das Neutrino. In einigen Materialien ist aus Gründen der Energieerhaltung ein einfacher Beta-Zerfall nicht möglich. In 76 Germanium, tritt der doppelte Beta-Zerfall auf. Dabei wandeln sich gleichzeitig zwei Neutronen in zwei Protonen um und setzen zwei Elektronen sowie zwei Neutrinos frei.
1.400 Meter tief, geschützt vom Kalkgestein des Gran-Sasso-Massivs, liegt die große Laboranlage und hat damit einen ziemlich guten Schutzschirm gegen die kosmische Strahlung. Die Detektoren befinden sich in einem Tank mit flüssigem, hochreinem Argon, welches die Germanium-Detektoren zusätzlich gegen radioaktive Strahlung aus der Umgebung abschirmt. Zudem ist der Argon-Tank seinerseits in einen großen Wassertank eingelassen. Dieser ermöglicht es, die wenigen noch auftretenden kosmischen Strahlungen zu identifizieren und aus den Messungen herauszufiltern.
Die eingesetzten Messinstrumente müssen über eine lange Zeit zuverlässig arbeiten, die Beta-Zerfälle sind äußerst selten. In einem zwei Kilogramm schweren Block aus reinem 76Germanium tritt bestenfalls ein Zerfall pro Jahr auf. Die erste Messreihe von GERDA ist deshalb auf einen Zeitraum von zwei Jahren ausgelegt.
Sollte dies Experiment der Nachweis des neutrinolosen Doppel-Beta-Zerfalls nicht gelingen, so erhoffen sich die beteiligten Forschenden immerhin, mit GERDA die Masse der Neutrinos genauer eingrenzen zu können.