Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile haben eine bisher unbekannte Klasse von Kugelsternhaufen im Bereich der Galaxie Centaurus A zu Tage gefördert. Diese Objekte ähneln zwar auf den ersten Blick den normalen Kugelsternhaufen, enthalten jedoch deutlich mehr Masse als sie eigentlich aufweisen dürften. Bisher konnte die Ursache für dieses Phänomen noch nicht entschlüsselt werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.
Bei einem Kugelsternhaufen handelt es sich um eine Ansammlung von Sternen, welche durch Gravitationskräfte auf engstem Raum aneinander gebunden sind. Diese kugelförmigen Sternkonzentrationen verfügen typischerweise über Durchmesser von mehreren Dutzend Lichtjahren und beherbergen teilweise deutlich mehr als 100.000 Sterne. Diese Sternhaufen sind dabei gravitativ an Galaxien gebunden, in deren Halo sie sich bewegen. Die Kugelsternhaufen zählen zu den ältesten bekannten Sternensystemen im Universum und haben beinahe die gesamte Zeitspanne der Entstehung und Entwicklung ihrer jeweiligen Galaxien überlebt.
Bisher konnten Astronomen in der Umgebung unserer Heimatgalaxie mehr als 150 solcher Kugelsternhaufen entdecken, welche viele der ältesten bekannten Sterne unserer Galaxie beherbergen. Die meisten dieser die Milchstraße umkreisenden Kugelsternhaufen befinden sich von unserem Sonnensystem aus gesehen in Richtung der zentralen Verdickung der Milchstraßenscheibe.
Größere und entsprechend massereichere Galaxien können allerdings von noch deutlich mehr Kugelsternhaufen umkreist werden. Aus der Umgebung der Andromedagalaxie – auch als Messier 31 bezeichnet – sind so zum Beispiel mehr als 500 dieser Sternhaufen bekannt. Die im Sternbild Jungfrau (lateinischer Name „Virgo“) gelegenen Galaxie Messier 87 wird anscheinend sogar von bis zu 12.000 solcher Kugelsternhaufen umkreist.
Die Untersuchung von Kugelsternhaufen und der darin befindlichen Sterne kann den Astronomen dabei helfen zu verstehen, wie diese sich bilden und auf welche Weise sie miteinander interagieren. Bisher haben Astronomen jedoch lediglich Kugelsternhaufen eingehender untersucht, welche die zu der Lokalen Gruppe gehörenden Galaxien umgeben. Die hier gegebene vergleichsweise geringe Entfernung zu diesen Objekten ermöglicht zum Beispiel direkte Messungen der jeweiligen Massen.
Die Galaxie Centaurus A
Bei der Galaxie Centaurus A, auch bekannt unter der Bezeichnung NGC 5128, handelt es sich um eine elliptische Galaxie. Diese am 29. April 1826 von dem schottischen Astronomen James Dunlop entdeckte Galaxie befindet sich in einer Entfernung von etwa 12 Millionen Lichtjahren zu unserem Sonnensystem im Sternbild Zentaur (lateinischer Name „Centaurus“). Mit einer Winkelausdehnung von 25,7 x 20,0 Bogenminuten und einer scheinbaren Helligkeit von 6,6 mag kann sie bereits mit kleineren Teleskopen auch von Amateurastronomen erfolgreich beobachtet werden. Sie ist im Bereich des sichtbaren Lichts die zweithellste Galaxie außerhalb der Lokalen Gruppe und zugleich die fünfthellste Galaxie am Nachthimmel.
Für die professionellen Astronomen ist Centaurus A besonders deshalb von Interesse, da es sich bei dieser Galaxie um die nächstgelegene Radiogalaxie und zugleich um die dritthellste Radioquelle am Himmel handelt. Die von Centaurus A ausgehende Radiostrahlung konnte bereits in den 1950er Jahren nachgewiesen werden. Die Astronomen gehen davon aus, dass die Radiostrahlung von einem im Zentrum der Galaxie gelegenen supermassereichen Schwarzen Loch verursacht wird, welches über eine Masse von mehr als 100 Millionen Sonnenmassen verfügt. Zusätzlich ist Centaurus A eine starke Quelle von Röntgen- und Gammastrahlung (Raumfahrer.net berichtete). Zudem ist Centaurus A von mehr als 2.000 Kugelsternhaufen umgeben, von denen viele heller und somit auch massereicher sind als die entsprechenden Sternhaufen im Bereich der Milchstrasse.
Die Kugelsternhaufen der Galaxie Centaurus A
Anhand einer stichprobenartigen Analyse von 125 der Kugelsternhaufen um Centaurus A führte ein von Matthew A. Taylor – Doktorand an der Pontificia Universidad Catolica de Chile in Santiago und Empfänger eines ESO-Stipendiums – geleitetes Astronomenteam jetzt die bisher genaueste Untersuchung von Kugelsternhaufen durch, welche nicht der Lokalen Gruppe angehören. Hierfür verwendeten die Wissenschaftler den FLAMES-Spektrografen des Very Large Telescope (kurz „VLT“) am Pananal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in den nordchilenischen Anden.
Die FLAMES-Daten lieferten den beteiligten Astronomen Informationen über die Bewegungen von einzelnen Sternen innerhalb der jeweiligen Haufens. Diese Bewegungen hängen von der Stärke des Gravitationsfeldes im Inneren eines Kugelsternhaufen ab und können deshalb dazu genutzt werden, um die Gesamtmasse eines Haufens abzuschätzen. Anschließend wurden diese Ergebnisse mit der Helligkeit, mit der jeder einzelne Haufen leuchtet, verglichen. Bei dem Großteil der so analysierten Kugelsternhaufen gelangten die Astronomen zu keinen überraschenden Ergebnissen. Wie erwartet verfügten die helleren Sternhaufen von Centaurus A auch über eine größere Masse, denn je mehr Sterne ein Haufen enthält, desto größer ist auch dessen Gesamthelligkeit und -masse.
Bei einigen dieser Kugelsternhaufen zeigte sich allerdings ein seltsames Phänomen. Sie waren um ein Vielfaches massereicher als sie es entsprechend ihrer Helligkeit eigentlich hätten sein dürfen. Das Mysteriöse dabei: Je massereicher diese ungewöhnlichen ‚dunklen Haufen‘ waren, desto größer ist zudem der dortige Anteil an nicht sichtbarer Materie. Es muss in diesen Haufen also eine signifikante Komponente an nicht sichtbarem Material existieren. Worum könnte es sich dabei jedoch handeln? Derzeit gibt es dazu zwei Lösungsansätze, welche allerdings nicht wirklich befriedigend ausfallen.
Schwarze Löcher?
Eventuell enthalten die ‚dunklen‘ Kugelsternhaufen in ihren Zentren Schwarze Löcher oder andere, nicht sichtbare Überreste von bereits erloschenen Sternen. Dies könnte zwar zumindestens einen Teil der ‚versteckten Masse‘ erklären, reicht aber nicht aus, um die ungewöhnlich hohe Masse der Sternhaufen vollständig abzudecken, so die beteiligten Wissenschaftler.
Dunkle Materie?
Ein anderer Erklärungsansatz geht davon aus, dass sich im Bereich der Kugelsternhaufen ein höherer Anteil an Dunkler Materie befinden könnte. Dies würde die Beobachtungsresultate zwar erklären, würde aber gleichzeitig den bislang akzeptierten Theorien widersprechen, welche besagen, dass Kugelsternhaufen eigentlich keine größeren Mengen an Dunkler Materie beherbergen sollten.
„Unsere Entdeckungen von Sternhaufen, die verglichen mit ihrer darin enthaltenen Anzahl an Sternen eine unerwartet hohe Masse haben, deuten darauf hin, dass es verschiedene Arten von Sternhaufen gibt, die sich in ihrer Entstehungsgeschichte unterscheiden. Auf den ersten Blick erscheinen manche Sternhaufen wie 08/15-Haufen, aber im wahrsten Sinne des Wortes könnte mehr in ihnen stecken“, so Thomas H. Puzia von der Pontificia Universidad Catolica de Chile, einer der an der Untersuchung beteiligten Astronomen.
„Kugelsternhaufen und die darin enthaltenen Sterne sind der Schlüssel zum Verständnis von Entstehung und Entwicklung von Galaxien. Über Jahrzehnte hinweg dachten Astronomen, dass all die Sterne in einem Kugelsternhaufen dasselbe Alter und dieselbe chemische Zusammensetzung haben – aber wir wissen jetzt, dass es auch merkwürdigere und kompliziertere Kreaturen unter ihnen gibt. Das zeigt, dass wir noch viel über die verschiedenen Aspekte der Entstehung von Kugelsternhaufen lernen können. Das ist ein wichtiges Ergebnis und wir müssen nun weitere dunkle Haufen um andere Galaxien aufspüren“, so Matthew A. Taylor.
Bis auf weiteres bleibt die Natur der ‚dunklen Kugelsternhaufen‘ in der Umgebung der Galaxie Centaurus A somit ein Rätsel. Allerdings hat das Team um Matthew A. Taylor mittlerweile damit begonnen, im Rahmen einer weiteren Studie auch die Kugelsternhaufen von anderen Galaxien zu analysieren. Dabei deuten verschiedene der bisher gewonnenen Messergebnisse darauf hin, dass solche dunklen Haufen offenbar auch an anderen Orten des Universums vorhanden sind.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse werden von Matthew A. Taylor et al. unter dem Titel „Observational evidence for a dark side to NGC 5128’s globular cluster system“ in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal veröffentlicht.
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Fachartikel von Matthew A. Taylor et al.: