Neue Ergebnisse deuten darauf hin, dass es keine signifikante Menge an dunkler Materie in unserer Nachbarschaft gibt. Eine Pressemitteilung der Universität Wien.
Quelle: Universität Wien 20. Februar 2024.
20. Februar 2024 – Erst vor wenigen Jahren entdeckte ein internationales Team von den Universitäten Wien und Harvard rund um den Astrophysiker João Alves (Universität Wien) Erstaunliches: In der Nachbarschaft unserer Sonne existiert eine riesige, wellenförmige, zusammenhängende Kette an Gaswolken, die entlang des Spiralarms unserer Galaxie Sternhaufen bildet – genannt Radcliffe-Welle. Bisher gab es jedoch ungelöste Fragen über jene Struktur. Nun berichten Alves und seine Kolleg*innen aus Harvard und der LMU München, dass die Radcliffe-Welle nicht nur wie eine Welle aussieht, sondern sich auch so bewegt. Die Forschungsergebnisse sind aktuell im renommierten Fachmagazin Nature erschienen.
Vor einigen Jahren enthüllten Astronom*innen der Universität Wien und der Universität Harvard eines der größten Geheimnisse der Milchstraße, als sie die Radcliffe-Welle entdeckten. Die Radcliffe-Welle ist eine 9.000 Lichtjahre lange, wellenförmige, zusammenhängende Kette an Gaswolken, die entlang des Spiralarms unserer Galaxie existiert und nur 500 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt ist. Eine damals erstellte 3D-Staubkarte belegte zwar deutlich die Existenz der Radcliffe-Welle, darüber hinaus konnte aus den Daten jedoch nichts erhoben werden. Nun nutzte das internationale Team neue Daten der Gaia-Mission, um dem jungen Sternhaufen der Radcliffe-Welle 3D-Bewegungen zuzuordnen. „So konnten wir schließlich zeigen, dass die gesamte Radcliffe-Welle tatsächlich wellenförmig ist und sich auch als Wanderwelle bewegt“, erklärt Astrophysiker João Alves von der Universität Wien. Eine Wanderwelle ist dasselbe Phänomen, das wir in einem Sportstadion sehen, wenn Menschen nacheinander aufstehen und sich hinsetzen, um eine Welle auszulösen. Ebenso bewegen sich die Sternhaufen entlang der Radcliffe-Welle auf und ab und erzeugen dabei ein Muster, welches durch unseren galaktischen Garten wandert – sie oszillieren.
„Indem wir die Bewegung der jungen Sterne, die erst vor kurzem aus Gaswolken entlang der Radcliffe-Welle geboren wurden, untersucht haben, konnten wir die Bewegung des Gases, aus denen sie geboren wurden, verfolgen und zeigen, dass sich die Radcliffe-Welle tatsächlich wellt“, erklärt Ralf Konietzka, leitender Autor der Studie und Doktorand in Harvard.
„Das war die letzte offene Frage bezüglich des physikalischen Status der Radcliffe-Welle“, erklärt Alves. „Es ist in der Tat eine physikalisch oszillierende titanische Gaswelle in der Nähe unserer Sonne. Die Radcliffe-Welle kann nun, da wir verstehen, wie sie physikalisch funktioniert, unser Labor im Weltall sein und uns so zu weiteren Erkenntnissen verhelfen.“ So bereits eine erste spannende Ableitung daraus: „Die Art der Oszillation der Welle deutet darauf hin, dass es keine signifikante Menge an dunkler Materie in unserer galaktischen Nachbarschaft gibt“, so Alves.
Das neu gewonnene Verständnis für das Verhalten der Radcliffe-Welle ermöglicht es den Forscher*innen, nun ihre Aufmerksamkeit auf noch herausfordernde Fragen zu richten: Etwa ist noch ungeklärt, wie die Radcliffe-Welle entstanden ist und warum sie sich so wellt, wie sie es tut.
Darüber hinaus wirft die Entdeckung der Oszillation neue Fragen auf: Wie viele solcher Wellen gibt es in der Milchstraße und in anderen Galaxien? Die aktuellen Daten deuten außerdem daraufhin, dass die Radcliffe-Welle das „Rückgrat“ unseres nächsten Spiralarms in der Milchstraße bildet, da sie fast die Hälfte der Länge und rund ein Fünftel der Breite des lokalen Spiralarms ausmacht. Könnte die Bewegung der Welle also auch implizieren, dass Spiralarme von Galaxien im Allgemeinen oszillieren? „Das würde unser Verständnis von Galaxien auf spannende Art vertiefen, denn dann wären sie noch dynamischer als bisher angenommen“, so Alves. All das wird Inhalt weiterer Studien sein, „die gute Zusammenarbeit zwischen der Universität Wien und der Universität Harvard in diesem Bereich wird noch einige spannende Ergebnisse bringen“, sagt Alves.
Originalpublikation:
Ralf Konietzka, João Alves et al.: ‚The Radcliffe Wave is Oscillating‘
DOI: 10.1038/s41586-024-07127-3
https://www.nature.com/articles/s41586-024-07127-3
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