Tara, Samuel, Anna und Ellen sind schon seit einem halben Jahr an ihrem Arbeitsplatz; sie haben sich gleich gut ins Team eingefügt und wurden planmäßig eingearbeitet. Eine Pressemitteilung der OHB SE Bremen.
Quelle: OHB SE Bremen.
Ende Januar wurden sie bereit erklärt für den Dienstantritt im Weltraum. Am 11. Februar 2019 war es dann soweit: Sie wurden Teil der operationellen Konstellation des Europäischen Satellitennavigationssystems Galileo.
Seitdem stehen ihre Signale allen Empfängern auf der Erde zur Verfügung. Diese vier Galileo FOC*-Satelliten wurden von der Bremer Satellitenschmiede OHB System AG im Rahmen der zweiten Beauftragung geliefert. Sie verstärken die Satelliten-Konstellation und machen das europäische Satellitennavigationssystem Galileo noch leistungsfähiger.
Die Galileo-Satelliten** verrichten in rund 23.000 Kilometer Höhe ihren Dienst im All. Sie ermöglichen den Bürgerinnen und Bürgern in Europa und überall auf der Welt eine Vielzahl hilfreicher Navigationsanwendungen. Außerdem erlangte Europa Unabhängigkeit von anderen globalen Satellitennavigationssystemen wie GPS oder Glonass. Ab 2020 werden der Galileo-Konstellation Ersatz-Satelliten zur Seite gestellt – ebenfalls „Made by OHB“.
„Es ist schon etwas ganz Besonderes, wenn man sich bewusst macht, dass Millionen von Menschen in Europa und überall auf der Welt nicht zuletzt dank der OHB-Satelliten genauere Navigationsdaten empfangen, die Rettungsdienste schneller zum Einsatzort kommen und sich Handel und Wirtschaft auf die Zeitstempel des Satellitensystems verlassen können. Der Nutzen der Raumfahrt wird mit den Navigationsdienstleistungen für die meisten Bürgerinnen und Bürger im Alltag direkt spürbar“, sagt Dr. Wolfgang Paetsch, der für Navigation, Erdbeobachtung und Wissenschaft zuständige Vorstand bei der OHB System AG.
Schritt für Schritt zum Gesamtsystem
Europas eigenes globales Satellitennavigationssystem Galileo stellt verschiedene Dienste zur Positionsbestimmung, Navigation und Zeitbestimmung bereit. In der Endkonfiguration besteht es aus 24 auf drei Ebenen angeordneten Satelliten plus Reserve-Satelliten sowie einem weltweiten Netz an Bodenstationen. „Die Satelliten sorgen dann für eine vollständige geografische Überdeckung und die nominelle Genauigkeit und Geschwindigkeit der Positionsbestimmung verbessert sich auch noch einmal. Galileo liefert aber jetzt schon die im Vergleich genaueste Positionsbestimmung. Das sind Genauigkeiten, von denen wir vor zehn Jahren noch geträumt haben“, so Dr. Paetsch. „Durch Zusammenschalten verschiedener Signale mehrerer Konstellationen können künftig weitere Verbesserungen für die Anwender hinsichtlich Genauigkeit und Geschwindigkeit der Positionsbestimmung erreicht werden.“
Erste Dienste wurden im Dezember 2016 zur Verfügung gestellt. Jeder neu in die Satellitenkonstellation eingegliederte Satellit macht das System stabiler und schneller. Neuere Smartphones empfangen neben GPS und Glonass auch den von Galileo angebotenen offenen Navigationsservice für die breite Öffentlichkeit. Der Public Regulated Service von Galileo ist auf institutionelle Anwender wie Behörden, Polizei oder Feuerwehr zugeschnitten. Der Search-and Rescue-Dienst ermöglicht eine genaue und zuverlässige Ortung von Notrufsignalen – ein schnelleres Eintreffen der Rettungsmannschaft am Unglücksort kann über Leben und Tod entscheiden.
Navigationssatelliten „Made by OHB“
In drei Ausschreibungsrunden konnte sich die OHB System AG bislang durchsetzen und wurde von der Europäischen Weltraumorganisation ESA mit Entwicklung, Bau und Test von insgesamt 34 Galileo-Satelliten beauftragt, von denen sich 22 im Weltraum befinden. „Alle bisherigen Satelliten haben ihre volle Funktionsfähigkeit im All unter Beweis gestellt, bevor wir sie an den Betreiber übergaben. Das bestätigt einerseits unser Satellitendesign und zeugt andererseits von unserem Sachverstand bei der Satellitenfertigung“, freut sich Dr. Paetsch. Als Hersteller der Satellitenplattformen und als Systemführer für das Satellitenkonzept ist OHB für die Integration der Satelliten und ihre Verifikation zuständig und unterstützt während der Startvorbereitungen und bei der In-Orbit-Verifikation.
„Mit denjenigen, die unsere Satelliten im All hochfahren, durchtesten und nach und nach in den Regelbetrieb einführen, stehen wir in engem Kontakt. Wir verfolgen natürlich, welche Satelliten aktiv sind und unterstützen bei Bedarf“, erklärt Dr. Manuel Czech, der als Projektleiter Galileo die Fertigung von zwölf Satelliten verantwortete, zu denen auch die vier Neuen in der Konstellation zählen.
Alle bisher bei OHB beauftragten Navigationssatelliten werden baugleich sein. „Jeder ist beim Start ungefähr so groß wie die früheren gelben Telefonzellen und hat eine Masse von zirka 750 Kilogramm“, erklärt Dr. Czech. „Im entfalteten Zustand im Orbit haben die Solarpanele eine Spannweite von 15 Metern und liefern knapp 2 kW Leistung.“
Nach der Fertigstellung müssen die Satelliten in einer monatelangen Testkampagne ihre Weltraumtauglichkeit unter Beweis stellen. Dann erst werden sie in speziellen Containern zum Startplatz in Kourou, Französisch Guyana, transportiert. Dort werden sie vor dem Start erneut gründlich getestet. „Ich war bei allen Starts ganz nah dran, entweder in einem der Kontrollzentren in Darmstadt oder Toulouse, als Moderator des Launch-Events bei OHB und bei den letzten drei Starts vor Ort in Kourou. Es ist jedes Mal und aus jeder Perspektive etwas ganz Besonderes!“, so Dr. Czech. „Heute freue ich mich ganz besonders mit dem gesamten OHB-Team über die grandiose Leistung und über die erfolgreiche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene!“
OHB fährt Serienproduktion wieder hoch
Auch in der dritten Ausschreibung hat sich die ESA für die Expertise der OHB System AG entschieden und im Jahr 2017 ein Dutzend Satelliten geordert. „Die Satelliten-Integration auf unseren bewährten Fertigungsinseln wurde im Dezember 2018 wieder hochgefahren. Wir wollen jetzt alle fünf Wochen die Produktion eines weiteren Satelliten aufnehmen“, erklärt Dr. Kristian Pauly. Er ist als Projektleiter verantwortlich für die Realisierung dieses Dutzends und kann auf langjährige und vielseitige persönliche Erfahrung zurückgreifen. Schon von 2009 – 2015 war er bei OHB als leitender Satelliten-Systemingenieur federführend bei der Entwicklung der Galileo FOC-Satelliten.
Jetzt ist Dr. Pauly also wieder regelmäßig in der Galileo-Integrationshalle am Bremer Standort anzutreffen: „Ähnlich wie in der Automobilproduktion durchlaufen unsere Satelliten Produktionsinseln und nehmen dabei Stück für Stück Gestalt an. Alle Arbeitsschritte werden gut dokumentiert, die Kolleginnen und Kollegen von Produkt- und Qualitätssicherung wachen mit Argusaugen über jeden Satelliten. Daran wird sich auch beim 34. Satelliten nichts ändern“, ergänzt Dr. Pauly. Das gesamte Team nutzt dabei den reichen Schatz an Erfahrungen aus der Produktion von 22 Satelliten aus der Vergangenheit. „Erfahrung zählt in der Raumfahrt ganz besonders – auch und insbesondere bei Serienproduktion“, freut sich der 46-jährige Luft- und Raumfahrtingenieur.
Nächster Start: 2020
Die ersten beiden seiner Satelliten sollen im Herbst 2020 startbereit sein, so Dr. Pauly. „Zu diesem Zeitpunkt werden die anderen zehn Satelliten in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung sein. Wir stellen dann alle drei Monate zwei weitere Satelliten fertig“.
Denkfabrik OHB: Was soll die nächste Satellitengeneration können?
OHB möchte auch künftig maßgeblich zum Galileo-System beitragen. Folglich macht man sich bei OHB schon lange Gedanken über eine zukunftsfähige nächste Satellitengeneration. „Wir verstehen, was die Europäische Raumfahrtagentur ESA mit der neuen Generation erreichen will. Wir sind technisch dafür gut aufgestellt. Unser Erfahrungsschatz aus den bisherigen Beauftragungen fließt in die Konzeption und natürlich in unser Angebot an die ESA ein“, so Dr. Czech.
„Bei der neuen Generation stehen die Verbesserung der Signale und des Services im Fokus. Genau davon profitieren dann die Anwender. Natürlich legen wir unser Augenmerk auch auf einen kostenoptimierten Betrieb und erhöhte Sicherheit bei den Signalen. Wir haben viele gute Ideen und wollen mit cleveren Konzepten überzeugen“, ergänzt Dr. Pauly.
* Die Phase bis zum Erreichen der vollen Einsatzkapazität (FOC – Full Operational Capability) des Galileo-Programms wird von der Europäischen Union finanziert. Die Europäische Kommission und die Europäische Raumfahrtagentur ESA haben eine Übertragungsvereinbarung unterzeichnet, gemäß der die ESA im Auftrag der Kommission als die für die Entwicklung und die Beschaffung verantwortliche Stelle handelt. Die hier ausgedrückten Ansichten stellen nicht notwendigerweise die Position der Europäischen Union bzw. der ESA dar. Galileo ist ein eingetragenes Warenzeichen der EU.
** Die derzeitige Konstellation setzt sich aus IOV-Satelliten (In-Orbit-Validation) und FOC-Satelliten (Full Operational Capability) zusammen.
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