Beim Aufbau des Europäischen Satellitennavigationssystems Galileo wurde jüngst ein wichtiger Meilenstein erreicht: Zum ersten Mal gelang eine exakte Ortsbestimmung einer Position am Boden, die durch Daten von vier Galileo-Satelliten unterstützt wurde. Das ist im Wettbewerb im Bereich der Satellitennavigation ein wichtiges Signal, denn dadurch wird unterstrichen, dass Europa mit Galileo weiter beabsichtigt, zu einem bedeutenden, unabhängigen Marktteilnehmer zu werden.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA. Vertont von Peter Rittinger.
Der Meilenstein beweist, dass Galileo so funktioniert, wie geplant. Für die Bestimmung einer Position im dreidimensionalen Raum sind mindestens vier Satelliten im All erforderlich. Die beiden ersten vollwertigen Galileo-Satelliten erreichten am 21. Oktober 2011 Umlaufbahnen um die Erde. Am 12. Oktober 2012 brachte eine weitere Sojus-Rakete von Kourou in Französisch-Guayana aus auch das zweite Satellitenpaar für die Galileo-Testkonstellation (IOV) ins All. Zusammen bilden die vier Satelliten die IOV für In-Orbit Validation genannte Galileo-Testkonstellation, die später im aktiven Betriebsnetz von Galileo aufgehen soll.
Nach dem Abschluß der Tests der beiden zuletzt gestarteten Satelliten hat man sich in den vergangenen Wochen schwerpunktmäßig mit der Erzeugung von Navigationsdaten an Bord der Satelliten und ihrer Ausstrahlung an Empfangsstationen auf dem Boden beschäftigt, berichtet Marco Falcone, der Galileo-Systemleiter der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA).
Am Technik-Zentrum der ESA mit der Bezeichnung European Space Research and Technology Centre (ESTEC), dem technologischen Herze der ESA im niederländischen Noordwijk, erfolgte am Morgen des 12. März 2013 zum ersten Mal die Bestimmung einer Position mit Daten zu Längengrad, Breitengrad und Höhe. Die erreichte Genauigkeit lag zwischen 10 und 15 Metern, was man angesichts der noch limitierten Infrastruktur von Galileo so erwarten konnte.
Die vorhandenen Bestandteile der Galileo-Infrastuktur waren an der Positionsbestimmung beteiligt. Dabei wirkten die vier Satelliten im All, zwei Kontrollzentren in Italien und Deutschland und ein über den Globus verteiltes Netz von Bodenstationen auf Territorien europäischer Staaten zusammen.
Javier Benedicto, der Galileo-Projektleiter der ESA, sieht in dem jetzt erreichten Meilenstein eine historische Dimension, da erstmals die unanhängige Fähigkeit Europas demonstriert wurde, Positionsbestimmungen mit einem eigenen Satellitennavigationssystem durchzuführen.
Technisch ist der jetzt vollzogene Schritt ein unabdingbarer und steht als Nachweis für die Erzeugbarkeit nutzbarer Navigationssignale. Jetzt können weitere Tests zur umfänglichen Bestätigung der Funktionsfähigkeit des erdachten Navigationssystems erfolgen. Schließlich wird man den Aufbau des Gesamtsystems in Angriff nehmen. Erste Schritte dazu sind derzeit für Ende des Jahres 2013 geplant.
Für einen Nutzer am Boden ist die bestehende Galileo-Konstellation mit ihren vier Satelliten nur zwischen zwei und drei Stunden pro Tag vollständig sichtbar. Ausdehnen wird sich dieser Zeitraumraum Schritt für Schritt, wenn weitere Satelliten gestartet werden, und zusätzlichen Bodenstationen in das Betriebsnetz integriert werden. Nach derzeitigem Stand sollen ab Ende 2014 sollen mit Hilfe von einer größeren Zahl in der Galileo-Konstellation eingebundenen Satelliten erste Navigationsdienste für die Allgemeinheit verfügbar werden.
Wegen der noch unvollständigen Konstellation und auf Grund laufender Tests müssen Empfänger von Galileo-Navigationssignalen in der aktuellen Aufbauphase mit Empfangsunterbrechungen rechnen. In den kommenden Monaten will man die Qualität der erzeugten Navigationsdaten hinsichtlich der Abweichung zwischen der Galileo-Systemzeit und der koordinierten Weltzeit (UTC) untersuchen, und gleichzeitig Abweichungen von Zeitinformationen zwischen Galileo und dem US-amerikanischen Navigationssystem GPS genau bestimmen.
Mit den geplanten Arbeiten möchte man sicherstellen, dass Galileo-Navigationssignale für Anwendungen mit hohen Anforderungen an präzise Zeitinformationen genutzt werden können und die Kompatibilität zu GPS gewährleistet wird. In einem späteren Schritt ist die zusätzliche Übertragung von Informationen zum Zustand der Ionosphäre, welche die Signalausbreitung beeinflusst, in den Navigationssignalen vorgesehen, was insbesondere beim Navigationssignalempfang auf nur einer Frequenz Vorteile bringt.
Die Arbeiten zur Entwicklung und Überprüfung der Funktionsfähigkeit des Galileo-Systems werden von der ESA erledigt und von ihr gemeinsam mit der Europäischen Kommission finanziert. Die anschließende Phase der Herstellung der vollen Einsatzkapazität (Full Operational Capability, FOC) wird von der Europäischen Kommission geführt und finanziert. Dabei fungiert die ESA als Planerin und Einkäuferin im Namen der Europäischen Kommission, eine entsprechende Vereinbarung haben die beiden Organisationen getroffen.
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