China tritt in die heiße Phase seines Raumfahrtprogramms ein: im Oktober wird der erste bemannte Start erfolgen und alle Zeichen stehen auf „go“.
Ein Beitrag von Felix Korsch. Quelle: SpaceDaily.com.
Wie chinesische Tageszeitungen berichten, wird die fünfte chinesische Trägerrakete des Typs CZ-2F („Langer Marsch“) gegen Ende August ihre Endmontage erleben. Demnach wird es möglich sein, die 62 Meter hohe Rakete, auch bekannt unter dem Spitznamen Shenjian („Gottespfeil“), in zwei bis maximal drei Wochen zum Kosmodrom in Jiuquan zu tranportieren. Ein Technikerteam des Chinese Academy of Launch Vehicle Technology (CALT), also des Herstellers des Trägers, wird den Tranport zum Kosmodrom überwachen. Bereits am Anfang dieses Monats wurden sowohl die CZ-2F als auch das für den ersten bemannten Start auserkohrene Raumschiff Shenzhou 5 („Gottesschiff“) strengen Tests in den Werkshallen unterzogen, um den hohen Sicherheitsstandards gerecht zu werden. Beim geplanten ersten bemannten Flug noch diesen Oktober will man in China nichts dem Zufall überlassen.
Während man energisch diese Mission vorbereitet, wurden die Arbeiten an anderen Raketen der Chang Zheng-Serie vorläufig unterbrochen, um alle Personenkraft in das bemannte Programm investieren zu können. Die weit fortgeschrittenen Arbeiten an Trägerrakete und Raumschiff deuten auf alle Fälle auf einen näher kommenden Termin für diese Premiere hin. Am gestrigen Sonntag gab die staatliche Zeitung Ta Kung Pao sogar ein designiertes Startfenster bekannt: der Lift-off soll um Mitternacht mitteleuropäischer Sommerzeit erfolgen. In China beginnt es hier bereits zu dämmern (6 Uhr) und so soll auch erstmals als Tagstart der CZ-2F erfolgen. Alle bisher gestarteten vier Testflüge erfolgten in pechschwarzer Nacht. Dies wäre im Falle einer bemannten Mission allerdings ein Risiko, denn um den Weltraumbahnhof Jiuquan in der Wüste Gobi fallen die Temperaturen nachts in den Minusbereich. Am „Tag X“, der bisher nicht näher benannt wurde, wird das Raumschiff also kurz vor Sonnenaufgang abheben.
Von offizieller Seite schweigt man sich über Details der Mission weiter aus. Zwar sei intern bereits über die Besatzung entschieden, doch will man die Identität des oder der Taikonauten erst unmittelbar vor dem Start bekannt geben. Obwohl drei Sitze in dem Raumschiff montiert sein werden, wird keine vollständige Crew starten, zu erwarten sind also höchstens zwei Raumfahrer. Westliche Beobachter rechnen mit einem etwa eintägigen Flug mit nur einem yuhangyuan – so die chinesische Entsprechung für Kosmonaut – an Bord. Die Landung würde demnach in den Morgenstunden des folgenden Tages erfolgen, was die Bergung vereinfacht. Dies wäre eine Mission nach dem Schema der frühen Wostok- und Mercury-Flüge von Sowjets bzw. Amerikanern.
Um die Mission so einfach und sicher wie Möglich zu halten, werden sich an Bord keine weiteren wissenschaftlichen Nutzlasten oder Experimentiergeräte befinden; Shenzhou 5 soll „nur“ ein Testflug und Auftakt einer ganzen Serie von bemannten Flügen sein und dabei an die vier seit November 1999 durchgeführten unbemannten und äußerst erfolgreichen Missionen anknüpfen. Allerdings, so Zhang Houying, Leiter des bemannten Weltraumprogramms der Volksrepublik, werde an der Außenhaut der Kapsel eine so genannte CCD-Transmissionskamera mit einer Auflösung von bis zu 1,6 Metern befestigt sein. „Die Hauptaufgabe wird die militärische Aufklärung sein“, so Zhang. Ansonsten sei das einzige Ziel der Mission „einen sicheren Start und Landung des yuhangyuan zu garantieren“. Die Flugparameter werden an sonsten denen von Shenzhou 4 ähneln. Angedacht ist ein kreisförmiger Orbit von 343 Kilometern Höhe.
Im Gegensatz zu den vergangenen Missionen wird sich am vorderen Ende von Shenzhou keine externe Plattform für Experimente im freien Weltall befinden, sondern ein zylindrischer Kopplungsstutzen, welcher zukünftig Rendezvous mehrerer Raumschiffe dieses Typs und ein Docking an eine für etwa 2008 projektierte, eigene Raumstation ermöglichen soll. Die Technik für dieses androgyne Kopplungssystem ist übrigens rein russischer Bauart und findet auch bei den Sojus-Raumschiffen Verwendung, die den Shenzhou-Kapseln aus technischer Sicht extrem ähneln. Die Sicherheit des Fluges wird sichergestellt werden durch insgesamt 12 Trackingstationen auf dem eigenen Territorium sowie in Pakistan (Karachi) und Namibia (Swakopmund), wo in den vergangenen Jahren kleinere Stationen zur Bahnverfolgung entstanden.
Hinzu kommt die eigene Flotte aus vier Bahnverfolgungsschiffen, welche im Japanischen Meer (Yuanwang-1), um Südafrika (Yuanwang-2), im Atlantischen Ozean (Yuanwang-3) und nahe Australien im Pazifik (Yuanwang-4) stationiert werden sollen. Das Schiff Yuanwang-3 wird dabei die kritische Rolle übernehmen, den Wiedereintritt der Kapsel zu kommandieren und zu überwachen. Immerhin ist mit dem Netz an Bahnverfolgungsstationen ein andauernder zweiseitiger Funkverkehr möglich. Geht alles klar, wird Shenzhou 5 nach einem kurzen aber erfolgreichen Flug in der Inneren Mongolei nahe der Stadt Bawang Qi niedergehen. Und bisher deutet alles auf einen zu erwartenden positiven Verlauf hin.