Fernster Quasar mit starken Radiojets entdeckt

Mit Hilfe des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) haben Astronomen die entfernteste bisher bekannte Quelle von Radioemission entdeckt und im Detail untersucht. Eine Pressemitteilung des ESO Science Outreach Network (ESON).

Quelle: ESON.

Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie der ferne Quasar P172+18 und seine Radiojets ausgesehen haben könnten. Bis heute (Anfang 2021) ist dies der am weitesten entfernte Quasar mit Radiojets, der jemals gefunden wurde. Er wurde mit Hilfe des Very Large Telescope der ESO untersucht. Er ist so weit entfernt, dass sein Licht etwa 13 Milliarden Jahre unterwegs war, bis es uns erreichte: Wir sehen ihn so, wie er war, als das Universum nur etwa 780 Millionen Jahre alt war.
(Bild: ESO/M. Kornmesser)

8. März 2021 – Bei der Quelle handelt es sich um einen „radiolauten“ Quasar, ein helles Objekt mit starken Jets, die bei Radiowellenlängen strahlen. Er ist so weit entfernt, dass sein Licht 13 Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen. Die Entdeckung könnte wichtige Hinweise liefern, die den Astronomen helfen, das frühe Universum zu verstehen.

Quasare sind sehr helle Objekte, die im Zentrum einiger Galaxien liegen und von supermassereichen schwarzen Löchern angetrieben werden. Wenn das schwarze Loch das umgebende Gas verschlingt, wird Energie freigesetzt, die es den Astronomen ermöglicht, sie selbst dann zu entdecken, wenn sie sich in großer Entfernung befinden.

Der neu entdeckte Quasar mit dem Namen P172+18 ist so weit entfernt, dass sein Licht etwa 13 Milliarden Jahre unterwegs war, bis es uns erreichte: Wir sehen ihn so, wie er war, als das Universum gerade einmal etwa 780 Millionen Jahre alt war. Obwohl schon weiter entfernte Quasare entdeckt wurden, ist dies das erste Mal, dass Astronomen die verräterischen Signaturen von Radiojets in einem Quasar so früh in der Geschichte des Universums identifizieren konnten. Nur etwa 10 % der Quasare, die von den Astronomen als „radiolaut“ klassifiziert werden, haben Jets, die bei Radiofrequenzen hell leuchten [1].

P172+18 wird von einem schwarzen Loch angetrieben, das etwa 300 Millionen Mal massereicher als unsere Sonne ist und Gas in atemberaubender Geschwindigkeit vertilgt. „Das schwarze Loch nimmt sehr schnell Materie auf und wächst in seiner Masse mit einer der höchsten jemals beobachteten Raten“, erklärt die Astronomin Chiara Mazzucchelli, Fellow bei der ESO in Chile, die die Entdeckung zusammen mit Eduardo Bañados vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Deutschland leitete.

Die Astronomen vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen dem schnellen Wachstum supermassereicher schwarzer Löcher und den starken Radiojets gibt, die in Quasaren wie P172+18 entdeckt wurden. Man nimmt an, dass die Jets in der Lage sind, das Gas um das schwarze Loch herum zu stören und so die Geschwindigkeit zu erhöhen, mit der das Gas hineinfällt. Daher kann die Untersuchung radiolauter Quasare wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie schwarze Löcher im frühen Universum nach dem Urknall so schnell zu ihren supermassereichen Dimensionen heranwuchsen.

„Ich finde es sehr aufregend, zum ersten Mal ’neue‘ schwarze Löcher zu entdecken und einen weiteren Baustein zu liefern, um zu verstehen, wie das ursprüngliche Universum entstanden ist, woher wir kommen und letztlich uns selbst“, sagt Mazzucchelli.

Diese Weitwinkelaufnahme im sichtbaren Licht der Region um den fernen Quasar P172+18 wurde aus Bildern des Digitized Sky Survey 2 erstellt. Das Objekt selbst liegt sehr nahe am Zentrum und ist in diesem Bild nicht sichtbar, aber viele andere, viel näher gelegene Galaxien sind in dieser Ansicht zu erkennen.
(Bild: ESO and Digitized Sky Survey 2. Acknowledgment: Davide De Martin)

P172+18 wurde von Bañados und Mazzucchelli am Magellan-Teleskop am Las-Campanas-Observatorium in Chile erstmals als weit entfernter Quasar erkannt, nachdem er zuvor als Radioquelle identifiziert worden war. „Sobald wir die Daten bekamen, haben wir sie mit dem Auge inspiziert, und wir wussten sofort, dass wir den fernsten bisher bekannten radiolauten Quasar entdeckt hatten“, sagt Bañados.

Aufgrund der kurzen Beobachtungszeit hatte das Team jedoch nicht genug Daten, um das Objekt im Detail zu untersuchen. Es folgte eine Reihe von Beobachtungen mit anderen Teleskopen, unter anderem mit dem X-Shooter-Instrument am VLT der ESO, die es ihnen ermöglichten, die Eigenschaften dieses Quasars genauer zu erforschen. Dazu gehörte auch die Bestimmung von Schlüsseleigenschaften wie der Masse des schwarzen Lochs und der Geschwindigkeit, mit der es Materie aus seiner Umgebung aufsammelt. Andere Teleskope, die zu der Studie beigetragen haben, sind das Very Large Array des National Radio Astronomy Observatory und das Keck Telescope in den USA.

Während sich das Team über ihre Entdeckung freut, die in The Astrophysical Journal erscheinen wird, gehen sie davon aus, dass dieser radiolaute Quasar der erste von vielen sein könnte, die vielleicht in noch größeren kosmologischen Entfernungen gefunden werden. „Diese Entdeckung macht mich optimistisch und ich glaube – und hoffe – dass der Entfernungsrekord bald gebrochen werden wird“, sagt Bañados.

Beobachtungen mit Geräten wie ALMA, an denen die ESO beteiligt ist, und mit dem kommenden Extremely Large Telescope (ELT) der ESO könnten helfen, weitere dieser Objekte aus der Frühzeit des Universums zu entdecken und im Detail zu untersuchen.

Endnoten
[1] Radiowellen, die in der Astronomie verwendet werden, haben Frequenzen zwischen etwa 300 MHz und 300 GHz.

Weitere Informationen
Diese Studie wird in dem Artikel „The discovery of a highly accreting, radio-loud quasar at z=6.82“ vorgestellt, der in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheint.

Das Team besteht aus Eduardo Bañados (Max-Planck-Institut für Astronomie [MPIA], Deutschland, und The Observatories of the Carnegie Institution for Science, USA), Chiara Mazzucchelli (Europäische Südsternwarte, Chile), Emmanuel Momjian (National Radio Astronomy Observatory [NRAO], USA), Anna-Christina Eilers (MIT Kavli Institute for Astrophysics and Space Research, USA), Feige Wang (Steward Observatory, University of Arizona, USA), Jan-Torge Schindler (MPIA), Thomas Connor (Jet Propulsion Laboratory [JPL], California Institute of Technology, USA), Irham Taufik Andika (MPIA und International Max Planck Research School for Astronomy & Cosmic Physics der Universität Heidelberg, Deutschland), Aaron J. Barth (Department of Physics and Astronomy, University of California, Irvine, USA), Chris Carilli (NRAO und Astrophysics Group, Cavendish Laboratory, University of Cambridge, UK), Frederick Davies (MPIA), Roberto Decarli (INAF Bologna – Osservatorio di Astrofisica e Scienza dello Spazio, Italien), Xiaohui Fan (Steward Observatory, University of Arizona, USA), Emanuele Paolo Farina (Max-Planck-Institut für Astrophysik, Deutschland), Joseph F. Hennawi (Department of Physics, Broida Hall, University of California, Santa Barbara, USA), Antonio Pensabene (Dipartimento di Fisica e Astronomia, Alma Mater Studiorum, Universita di Bologna, Italien und INAF Bologna), Daniel Stern (JPL), Bram P. Venemans (MPIA), Lukas Wenzl (Department of Astronomy, Cornell University, USA und MPIA) und Jinyi Yang (Steward Observatory, University of Arizona, USA).

Die ESO ist die wichtigste zwischenstaatliche Organisation für Astronomie in Europa und das bei weitem produktivste bodengebundene astronomische Observatorium der Welt. Sie hat 16 Mitgliedsstaaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, die Schweiz, Spanien, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich, sowie den Gaststaat Chile und Australien als strategischen Partner. Die ESO führt ein ehrgeiziges Programm durch, das sich auf die Planung, den Bau und den Betrieb leistungsfähiger bodengebundener Beobachtungseinrichtungen konzentriert, die es Astronomen ermöglichen, wichtige wissenschaftliche Entdeckungen zu machen. Die ESO spielt auch eine führende Rolle bei der Förderung und Organisation der Zusammenarbeit in der astronomischen Forschung.

Die ESO betreibt drei einzigartige Beobachtungsstandorte von Weltrang in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. In Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und sein weltweit führendes Very Large Telescope Interferometer sowie zwei Durchmusterungsteleskope, VISTA, das im Infraroten arbeitet, und das VLT Survey Telescope im sichtbaren Licht. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt, betreiben. Die ESO ist zudem ein wichtiger Partner bei zwei Anlagen auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones, in der Nähe des Paranal, baut die ESO das 39-Meter-Extremely Large Telescope, das ELT, das „das größte Auge der Welt am Himmel“ wird.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

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Wissenschaftlicher Artikel

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