Am Dienstag, den 20. Dezember 2022 gab Arianespace kurz nach dem Start der Vega‑C um 22.47 Uhr Ortszeit in Französisch-Guayana (2.47 Uhr MEZ/1.47 Uhr Weltzeit am 21. Dezember 2022) das Scheitern der Mission VV22 bekannt. Die Vega‑C führte zwei Nutzlasten mit sich, die Erdbeobachtungssatelliten Pléiades Neo‑5 und -6 für Airbus Defence and Space. Eine Pressemitteilung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA).
Quelle: ESA 3. März 2023.
3. März 2023 – Arianespace (der Startdienstbetreiber) und die Europäische Weltraumorganisation (ESA – die für die Entwicklung und Qualifizierung des Startsystems verantwortliche Stelle) richteten umgehend einen unabhängigen Untersuchungsausschuss ein, der zum Schluss kam, dass nach dem nominalen Funktionieren der Erststufe P120C der Vega‑C und der nominalen Zündung der Zweitstufe (Zefiro‑40) 151 Sekunden nach dem Start ein allmählicher Druckverlust einsetzte, der zum Scheitern der Mission führte.
Erste Untersuchungen, die direkt nach dem Start mit den verfügbaren Flugdaten durchgeführt wurden, bestätigten, dass die Untersysteme des Trägers wie geplant reagierten und der Ausfall auf einen allmählichen Leistungsabfall der Schubdüse des Zefiro‑40-Triebwerks zurückzuführen war. Die genauere Ursache war laut Untersuchungsausschuss eine unerwartete übermäßige thermomechanische Erosion der aus kohlenstofffaserverstärktem Kohlenstoff bestehenden Schubdüsenhalsauskleidung, die von Avio in der Ukraine beschafft wurde. Zusätzliche Untersuchungen ergaben, dass diese wahrscheinlich auf eine mangelnde Homogenität des Werkstoffs zurückzuführen war.
Ferner hat diese Anomalie gezeigt, dass die Kriterien zum Nachweis der Flugtauglichkeit für die Annahme der Schubdüsenhalsauskleidung aus kohlenstofffaserverstärktem Kohlenstoff nicht ausreichend waren. Der Untersuchungsausschuss ist daher zum Schluss gekommen, dass dieser spezielle CFC-Verbundwerkstoff nicht mehr für Flüge eingesetzt werden kann. Am grundsätzlichen Entwurf des Zefiro‑40-Triebwerks selbst wurden keine Schwachstellen festgestellt. Avio arbeitet derzeit an einer sofort einsetzbaren Alternativlösung mit einem anderen CFC-Werkstoff, hergestellt von ArianeGroup, der bereits für die Schubdüsen der Vega-Triebwerke Zefiro‑23 und Zefiro‑9 verwendet wird.
Angesichts der Art der Anomalie bei VV22 betont der Ausschuss, dass seine Schlussfolgerungen zu Zefiro-40 keine Auswirkungen auf den Träger Vega haben, bei dem die Triebwerke Zefiro‑23 und Zefiro‑9 zum Einsatz kommen. Vor diesem Hintergrund hat Arianespace beschlossen, seinen Startplan anzupassen, und die nächste Mission, deren Start vor Ende Sommer 2023 geplant ist, mit einem seiner beiden verbleibenden Vega-Träger durchzuführen.
Der unabhängige Untersuchungsausschuss hat eine Reihe von Empfehlungen zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Trägersysteme Vega und Vega-C durch die Aufstellung robuster Auffangpläne ausgearbeitet, die eine zuverlässige Wiederaufnahme der Flüge und einen stabilen kommerziellen Einsatz sicherstellen sollen.
Die wichtigsten auf diesen Empfehlungen beruhenden Maßnahmen sind:
- Ergänzung der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses durch zusätzliche Tests und Analysen, um die Zuverlässigkeit der Qualifikation des für das Zefiro‑40-Triebwerk ausgewählten alternativen CFC-Verbundwerkstoffs sicherzustellen;
- Durchführung einer zusätzlichen Qualifikationsphase für das Zefiro‑40-Triebwerk mit dem alternativen CFC-Verbundwerkstoff;
- Durchführung einer Reihe von weiteren Maßnahmen mit dem Ziel, eine langfristig zuverlässige und nachhaltige Trägerproduktion zu gewährleisten.
Eine von der ESA und Arianespace geleitete Arbeitsgruppe hat mit der Umsetzung der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses begonnen und wird die Durchführung der Maßnahmen durch den Vega-Hauptauftragnehmer Avio genau verfolgen, um eine zuverlässige und robuste Wiederaufnahme der Vega‑C-Flüge mit einem anvisierten Starttermin Ende 2023 sicherzustellen.
Die ESA als die für die Qualifizierung des Startsystems verantwortliche Stelle, Arianespace als Startdienstbetreiber und Avio als für den Entwurf des Trägers Vega verantwortliche Stelle und Hauptauftragnehmer für diesen Träger werden mit vereinten Kräften auf die Erreichung des gemeinsamen Ziels eines robusten Einsatzes des Vega-Startsystems zum Nutzen sowohl institutioneller als auch kommerzieller Kunden hinarbeiten.
ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher erklärte: „Der unabhängige Untersuchungsausschuss steht für die Verpflichtung der ESA zu den höchsten Sicherheitsstandards. Er hat eine Reihe von Empfehlungen ausgearbeitet, deren Umsetzung eine robuste und zuverlässige Wiederaufnahme der Flüge des Trägers Vega-C gewährleisten sollte.
Die ESA wird Avio bei der Umsetzung der für die Wiedererlangung des Vertrauens in das Trägersystem erforderlichen Maßnahmen jede nur erdenkliche Unterstützung durch ihre Fachleute auf technischer und Projektmanagementebene zuteil werden lassen. Die Wiederherstellung des eigenständigen Zugangs Europas zum Weltraum hat für die ESA Priorität, und ich freue mich, dass wir die Vega-Startkampagnen fortsetzen können, während wir an der sicheren Wiederaufnahme der Vega‑C-Flüge arbeiten.“
„Dank ihrer harten Arbeit haben die Mitglieder des Ausschusses die unmittelbare Ursache für den Verlust der Mission VV22 ermittelt, daraus resultierende Rückschlüsse gezogen und sofortige, passende Korrekturmaßnahmen vorgeschlagen„, so Stéphane Israël, der Vorstandsvorsitzende von Arianespace. „Ihre Empfehlungen werden bereits von Avio unter der Aufsicht von Arianespace und der ESA umgesetzt, um die erfolgreiche Wiederaufnahme der Vega‑C-Flüge zu ermöglichen und ihre dauerhafte Zuverlässigkeit zu garantieren.“
Über die Europäische Weltraumorganisation
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA), Europas Tor zum Weltraum, ist eine 1975 gegründete zwischenstaatliche Organisation, deren Aufgabe darin besteht, europäische Raumfahrtkapazitäten zu entwickeln und sicherzustellen, dass die Investitionen in die Raumfahrt den Bürgern in Europa und anderswo zugutekommen.
Die ESA hat 22 Mitgliedstaaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Schweiz, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Lettland, Litauen, die Slowakei und Slowenien sind assoziierte Mitglieder.
Außerdem arbeitet die ESA förmlich mit vier EU-Mitgliedstaaten zusammen. Im Rahmen eines Kooperationsabkommens nimmt auch Kanada an bestimmten ESA-Programmen teil.
Dank der Koordinierung der Finanzressourcen und Kompetenzen ihrer Mitgliedstaaten kann die ESA Programme und Tätigkeiten durchführen, die weit über die Möglichkeiten eines einzelnen europäischen Landes hinausgehen. Des Weiteren arbeitet sie eng mit der EU bei der Verwirklichung der Programme Galileo und Copernicus und mit EUMETSAT bei der Entwicklung von Meteorologiemissionen zusammen.
Über Arianespace
Arianespace nutzt den Weltraum, um das Leben auf der Erde zu verbessern, indem es Startdienste für alle Satellitentypen in alle Umlaufbahnen anbietet. Seit 1980 hat das Unternehmen mehr als 1.100 Satelliten in die Umlaufbahn gebracht. Arianespace ist für den Betrieb der neuen Generation von Trägerraketen, Ariane-6 und Vega-C, verantwortlich, die von der ESA entwickelt wurden, mit ArianeGroup bzw. Avio als industrielle Hauptauftragnehmer. Arianespace hat seinen Hauptsitz in Evry in der Nähe von Paris und verfügt über eine technische Einrichtung im Raumfahrtzentrum Guayana in Französisch-Guayana sowie über Büros in Washington, D.C., Tokio und Singapur. Arianespace ist eine Tochtergesellschaft der ArianeGroup, die 74 % des Aktienkapitals hält. Der Rest wird von 15 weiteren Aktionären aus der europäischen Trägerraketenindustrie (Ariane und Vega) sowie von ESA und CNES als Zensoren gehalten.
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