FEEDBACK – Programm treibt Erkenntnisse zur Sternentstehung voran

Um zu entschlüsseln, welcher Anteil einer zusammengesetzten dichten interstellaren Wolke wieder zu Sternen wird und auf welchen Zeitskalen, wurden Daten eines Forschungsprogramms namens FEEDBACK mit Radiodaten des 40m-Yebes-Observatoriums und des IRAM-30m-Teleskops kombiniert. Eine Information der Universität Stuttgart, Deutsches SOFIA Institut.

Quelle: Universität Stuttgart 23. August 2023.

Zoom in das Sternbild Orion, mit dem Orionnebelkomplex (Foto: C. Pabst, PhD Thesis 2021; Left: R.B. Andreo; Upper right: NASA, JPL-Caltech/T. Megeath). Lower right: NASA, ESA/M. Robberto)
Zoom in das Sternbild Orion, mit dem Orionnebelkomplex (Foto: C. Pabst, PhD Thesis 2021; Left: R.B. Andreo; Upper right: NASA, JPL-Caltech/T. Megeath). Lower right: NASA, ESA/M. Robberto)

23. August 2024 – Abgesehen von Helium und Wasserstoff entstehen die meisten schwereren chemischen Elemente in unserem Kosmos bis hin zu Eisen durch die Verschmelzung von Atomkernen im Inneren von Sternen. Dabei sind die massereichsten, heißesten und hellsten unter ihnen die treibenden Akteure. Sie beeinflussen ihre unmittelbare Umgebung durch den großen Anteil ionisierender UV-Strahlung, die sie abgeben sowie die starken stellaren Winde, die von ihnen ausgehen. Schneller als alle leichteren Sterne verbrennen sie Wasserstoff und Helium zu schwereren Elementen, explodieren nach einer – für astronomische Verhältnisse – relativ kurzen Zeit von nur wenigen Millionen Jahren und reichern das umliegende Gas mit schweren Elementen an. Aus diesem Material können dann neue Sonnensysteme wie das unsrige mit seiner Vielfalt an chemischen Stoffen entstehen.

Um zu entschlüsseln, welcher Anteil einer so zusammengesetzten dichten interstellaren Wolke wieder zu Sternen wird und auf welchen Zeitskalen, hat ein Team um Cornelia Pabst von der Universität Leiden und dem Consejo Superior de Investigaciones Científicas in Madrid Daten eines Forschungsprogramms namens FEEDBACK mit neuen Radiodaten des 40m-Yebes-Observatoriums und des IRAM-30m-Teleskops kombiniert. FEEDBACK ist ein Langzeitprojekt von SOFIA, dem Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie, das die deutsche und amerikanischen Raumfahrtagenturen, DLR und NASA, gemeinsam betrieben haben. Für ihre Studie hat Pabst mit ihren Kollegen und Kolleginnen zehn Regionen im Orionnebel detailliert untersucht, die unterschiedliche Entwicklungsphasen der Sternentstehung repräsentieren.

Die Ergebnisse zeigen, unter welchen – für irdische Maßstäbe – extremen Bedingungen Sterne und somit auch die Bausteine für Leben entstehen. Sie sind kürzlich in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen. Das Deutsche SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert die SOFIA-Aktivitäten auf deutscher Seite.

Sternentstehungszyklus im interstellaren Medium (ISM). (Foto: C. Pabst PhD Thesis 2021)
Sternentstehungszyklus im interstellaren Medium (ISM). (Foto: C. Pabst PhD Thesis 2021)

Ringen um die Dominanz
Die Entstehung neuer Sterne sowie die Auswirkung dieses Prozesses auf ihre Umgebung und das dortige Material, aus dem sie entstanden sind – das sogenannte interstellare Medium (ISM) – ist entscheidend für die Entwicklung von Galaxien: Wann verhindern gerade entstandene Sterne die Entstehung weiterer Generationen? Unter welchen Umständen regt diese Rückkopplung die Entstehung neuer Sterne an? Welche Prozesse übernehmen die dominierende Rolle? Und wie wirkt sich das auf die großräumigen Eigenschaften des ISM und die weitere Entwicklung der Galaxien aus? Massereiche, heiße, helle Sterne, die extrem energiereiche ultraviolette Strahlung aussenden, sind relativ selten. Auch im Orionnebel sind daher nur wenige von ihnen für die Erhitzung und Ionisierung des ISM verantwortlich. Der hellste von ihnen ist 33-mal so schwer und 20.000-mal so hell ist wie unsere Sonne. Um diese Sterne hat sich eine Blase ionisierten Gases gebildet, die 10.000 Grad Kelvin heiß ist und in der sich zwischen 100 und 100.000 Gaspartikel in einem Kubikzentimeter befinden.

Von uns aus gesehen liegt hinter dieser hellen Sternengruppe eine vergleichsweise dichte und sehr kalte Molekülwolke mit bis zu zehn Millionen Partikeln pro Kubikzentimeter und nur 30 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt (30 Kelvin), wie frühere Radiobeobachtungen von IRAM und Yebes ergaben. Diese wehrt sich immer noch erfolgreich gegen eine Zerstörung durch die intensive Bestrahlung, die von ihrer heißen Nachbarschaft ausgeht. Währenddessen hat sich eine gigantische Plasmablase mit einem Radius von bis zu 2 Parsec (1 pc = 3,26 Lichtjahre) ausgebreitet, wobei sie das verdrängte Gas in eine dünne sie umgebende Hülle zusammengeschoben hat. Die intensive Strahlung sowie die Winde der Sternengiganten beschleunigen dieses Plasma und erhitzen es auf eine Temperatur von einer Million Kelvin. Es hat eine extrem geringe Dichte mit nur einem Partikel pro Kubikzentimeter und dehnt die Materiehülle trotzdem mit einer Geschwindigkeit von 13 km/s weiter aus, wie die hochaufgelösten Spektren von SOFIA zeigen.

Extreme Bedingungen
Ein solch extremes Vakuum kann bisher in einem irdischen Labor nicht einmal annähernd erzeugt werden. Die besten erreichbaren Werte liegen bei 10.000 bis 100.000 Partikeln pro Kubikzentimeter. Das ist im Vergleich mit unserer Erdatmosphäre immer noch sehr gut. Diese enthält bei Normaldruck und 0 Grad Celsius sehr viel mehr, nämlich etwa 27 Milliarden Milliarden Teilchen pro Kubikzentimeter. Die Größe der expandierenden Hülle im Orion ist ebenfalls erstaunlich. Mit einem Durchmesser von 4 Parsec braucht das Licht etwa 13 Jahre, um sie zu durchqueren. Sie dehnt sich immer weiter aus und Beobachtungen ähnlicher Blasen lassen vermuten, dass sie früher oder später an einigen Stellen aufbrechen und ihr Material in ihrer Umgebung verteilen wird. Damit steht es für die Entstehung weiterer Sterne erst einmal nicht mehr zur Verfügung. Anhand der Größe und Ausdehnungsgeschwindigkeit dieser Blase können Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen abschätzen, wie effizient massereiche Sterne Energie in das umgebende ISM pumpen und wie viel Masse dabei für die zukünftige Sternentstehung verloren geht. Allerdings kann solch eine sich ausdehnende Schale auch die Entstehung weiterer Sterne auslösen, falls sie auf ihrem Weg zum Beispiel auf eine andere Molekülwolke trifft und deren Materie durch diesen Zusammenstoß soweit verdichtet, dass diese unter ihrer eigenen Gravitation zusammenfällt.

SOFIA-Erbe bleibt erhalten
„In der Astrophysik erleben wir gerade aufregende Zeiten“, so Cornelia Pabst. Es gibt neueste Erkenntnisse über das sehr frühe Universum und seine Entwicklung mit dem Planck-Satelliten. Das Radioobservatorium ALMA und das Weltraumteleskop JWST liefern immer mehr Einblicke in die früheste Entwicklung von Galaxien, die Jagd nach Exoplaneten hat volle Fahrt aufgenommen. Hochenergetische Phänomene, Gravitationswellen, ultraschnelle Radioausbrüche und extreme Röntgenleuchtkraft geben nach und nach ihre Geheimnisse preis. „Trotzdem bleibt das Studium der «nahen» Sternenentstehung in unserer Galaxie ein wichtiges und fundamentales Thema, wodurch wir die Entwicklung anderer Galaxien in der Geschichte des Universums und deren Anreicherung mit schweren Elementen erst verstehen“, so Pabst.

upGREAT/SOFIA [12CII]-, [13CII]- sowie IRAM 12CO- und 13CO- integrierte Linienintensitäten im Zentrum des Orionnebels. Die Kreise zeigen die Positionen der Yebes 40m Beobachtungen. (Foto: Pabst et al. 2024)
upGREAT/SOFIA [12CII]-, [13CII]- sowie IRAM 12CO- und 13CO- integrierte Linienintensitäten im Zentrum des Orionnebels. Die Kreise zeigen die Positionen der Yebes 40m Beobachtungen. (Foto: Pabst et al. 2024)

Die hohe spektrale Auflösung und Empfindlichkeit von upGREAT, dem aufgerüsteten German REceiver for Astronomy at Terahertz Frequencies, an Bord von SOFIA ermöglichte es dem Team um Pabst, die Bewegungen und physikalischen Bedingungen des interstellaren Gases anhand der Feinstrukturlinie [CII] 158 µm des ionisierten Kohlenstoffs zu bestimmen.Trotz des Endes der SOFIA-Mission verfolgt das Team um Cornelia Pabst das Langzeitprojekt FEEDBACK mit neuen Radiobeobachtungen der Sternentstehungsgebiete im Orion weiter. Die Kombination dieser Radiobeobachtungen mit den SOFIA-Archivdaten ermöglicht insbesondere die Bestimmung der obengenannten Materiedichten und Temperaturen. Damit sind die komplexen Prozesse in den verschiedenen Gebieten des Orionnebels, die die Geschwindigkeit und Effizienz der Sternentstehung bestimmen, besser zu verstehen.

Auch nachdem SOFIA im September 2022 den Beobachtungsbetrieb eingestellt hat, werden die Daten des FEEDBACK Legacy-Programms weiter Antworten auf diese Fragen liefern. „In den nächsten 5 Jahren werden wir am Institut für Raumfahrsysteme (IRS) der Universität das SOFIA Daten Center (SDC) aufbauen, die Datenprozessierung verbessern und Forschende bei der weiteren Nutzung des SOFIA-Datenarchivs unterstützen“, verkündet Bernhard Schulz, ehemaliger SOFIA Science Mission Deputy Direktor und neuer wissenschaftlicher Leiter des SDC. „So können wir das wissenschaftliche Erbe von SOFIA für die weitere Forschung erhalten.“

Über SOFIA
SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301, 50OK1701 und 50OK2002) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Die SOFIA-Aktivitäten werden auf deutscher Seite von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR koordiniert und vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart durchgeführt, auf amerikanischer Seite von der NASA und der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente wurde finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.

Über upGREAT
upGREAT ist eine Weiterentwicklung des Ferninfrarot-Spektrometers GREAT („German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies“), mit dem seit 2011 zahlreiche erfolgreiche Wissenschaftsflüge mit SOFIA durchgeführt wurden. Das Instrument wurde von einem Konsortium deutscher Forschungsinstitute – dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie und dem „Kölner Observatorium für SubMillimeter Astronomie“ (KOSMA) der Universität zu Köln in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin entwickelt und gebaut.

Originalveröffentlichung:
Multiline observations of hydrogen, helium, and carbon radio-recombination lines toward Orion A: A detailed dynamical study and direct determination of physical conditions, C.H.M. Pabst, J.R. Goicoechea, S. Cuadrado, P. Salas, A.G.G.M. Tielens, N. Marcelino, A&A, im Druck
doi.org/10.1051/0004-6361/202347574
https://www.aanda.org/articles/aa/full_html/2024/08/aa47574-23/aa47574-23.html
Als Preprint auf arXiv/astro-ph: https://arxiv.org/pdf/2404.17963

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