Falcon 9 landet erfolgreich & startet Satelliten

In der Nacht von Montag auf Dienstag ist SpaceX eine Weltneuheit gelungen: Der Rückflug der ersten Stufe nach Cape Canaveral mit Landlandung. Der Flug ist darüber hinaus der erste seit dem Fehlstart im Juni 2015 und der erste Start mit den neuen Falcon-9-Upgrades.

Ein Beitrag von Tobias Willerding. Quelle: SpaceX, Wikipedia, NSF, SpaceNews, /r/spacex.

Orbcomm OG2 Satelliten (Bild: Orbcomm)

Der Start ist für Dienstag den 22. Dezember 2015 um 02:33 Uhr MEZ geplant. Es gibt nur ein instantanes Startfenster, bei einem Abbruch muss der Start auf Mittwoch morgen verschoben werden. Wie SpaceX-Chef Elon Musk auf Twitter bestätigte, ist der Testcountdown mit kurzem Zünden der Triebwerke gestern erfolgreich gelaufen, was den Weg frei macht für einen Startversuch am Montag (Ortszeit). Nutzlast sind 11 Orbcomm-Satelliten, die in einem niedrigen Erdorbit ausgesetzt werden sollen. Orbcomm bietet sog. Maschine-zu-Maschine-(M2M)-Kommunikationslösungen, die zum Tracking, zur Fernüberwachung und Fernsteuerung stationärer und mobiler Anlagen, wie z.B. Container und Schiffe, dienen.

Erster Flug seit dem Fehlstart im Juni 2015
Vor fast sechs Monaten ist die Falcon 9 das letzte Mal geflogen. Damals endete der Flug nach etwas mehr als 2 Minuten in einer grauen Wolke. Eine Strebe war gerissen, worauf der Heliumtank sich im Flüssigsauerstofftank selbstständig machen konnte. Deshalb wurde zu viel Helium freigesetzt, und der Sauerstofftank explodierte schließlich auf Grund des aufgebauten Überdrucks. Das Problem wurde nach ein paar Wochen identifiziert. Die gebrochene Strebe hatte vermutlich einen Herstellungsfehler, weshalb sie nur einen Bruchteil ihrer Sollfestigkeit aufwies. SpaceX musste über 1000 Streben am Boden testen, um das Problem zu reproduzieren. Die Stahlstreben wurden inzwischen durch solche aus Inconel ersetzt. Die Streben wurde von einem externen Zulieferer geliefert. Um auszuschließen, dass weitere Zulieferteile Herstellungsproblemen unterliegen, wurde die gesamte Falcon 9 einem umfangreichen Review unterzogen, was maßgeblich zum zeitlichen Abstand von 6 Monaten seit dem letzten Start beigetragen hat. Der aktuelle Flug ist also der erste Flug seit einem Fehlstart.

Erster Flug von jüngstem Falcon-9-Upgrade
Dieser Flug ist aber viel mehr. Er führt auch ein weiteres Falcon 9-Upgrade ein, was die Performance nochmal signifikant steigert. Bei der Benennung dieser neuen Falcon-9-Version ist man sich auch bei SpaceX mit dem Namen noch nicht einig, häufig wird sie „Falcon 9 Full Thrust“ (voller Schub), „Falcon 9 v1.2“ oder „Falcon 9.2“ genannt.

Das Oberstufentankvolumen wurde um 10% gesteigert, der Sauerstoff wird jetzt ca. 23 K kälter sein als am Siedepunkt. Dadurch ergibt sich ein Dichteanstieg von ca. 9%. Auch das Kerosin wird leicht gekühlt, bei einer Temperatur von -6° C steigert sich seine Dichte um ca. 2%. Dadurch steigt das Gewicht der Rakete. Um das zu kompensieren, liefern die Merlin-1D-Triebwerke jetzt 15% mehr Schub, er steigt jeweils auf 756 kN am Boden bzw. 825 kN im Vakuum. Das Oberstufentriebwerk mit größerer Düse liefert einen Schub von 934 kN bei einem spezifischen Impuls von 348 s laut SpaceX.

Falcon 9 Full Thrust auf dem Startplatz (Bild: SpaceX)

Erster Flug mit Landlandung
Diese Performancesteigerungen sollen es erlauben, auch bei GTO-Flügen die erste Stufe zu bergen, entweder nach Landung auf der Seeplattform, offiziell Autonomous Spaceport Droneship (ASDS) genannt, oder einem Aufsetzen auf dem Landeplatz X-1. Letzterer ist der vorher stillgelegte Startplatz 13 (LC-13) der Luftwaffenbasis Cape Canaveral.

Bei diesem Flug soll zum ersten Mal eine Landlandung probiert werden. SpaceX hat dafür die Erlaubnis von der amerikanischen Luftfahrtbehörde (FAA) und der amerikanischen Luftwaffe (USAF) erhalten. Bei vorherigen Flügen war nur eine Landung auf der Plattform ASDS genehmigt, die aber bisher noch nicht gelang, obwohl SpaceX der Landung schon sehr nahe gekommen ist. Für die Landlandung müssen Teile auf Cape Canaveral und des Kennedy Space Centers abgesperrt werden.

Wiederverwendbarkeit
Seit dem Anbeginn der Raumfahrt wird über Wiederverwendbarkeit diskutiert. Dabei geht es häufig um die Frage Landung mit Flügeln oder am Fallschirm (also unter Nutzung aerodynamischer Effekte) oder mittels des Raketentriebwerks (also mit Nutzung des Rückstoßprinzips). Das Shuttle landete als Raumgleiter, Kapseln landen am Fallschirm. Shuttle- und Ariane-Booster landeten ebenfalls am Fallschirm. Die Ariane-Booster wurden nur zur Inspektion geborgen, die Shuttle-Booster mussten umständlich wiederaufbereitet werden. Der Hitzeschild vom Shuttle musste aufwendig gewartet werden.

Die erste Falcon 9-Stufe erreicht eine höhere Geschwindigkeit als Shuttle- oder Ariane-Booster, aber sie erreicht keine Orbitalgeschwindigkeit. Um eine zu große Erhitzung durch die Abbremsung in der Erdatmosphäre zu vermeiden, bremst die Falcon 9, indem ihre Triebwerke gegen die Flugrichtung feuern. Das kostet Treibstoff und ist einer der Nachteile, wenn man nicht aerodynamisch bremst.

Die Konkurrenz
SpaceX ist derzeit mit dem eigenen Konzept bei der Wiederverwendbarkeit konsequenter als andere Entwickler und Hersteller von Raumfahrtträgern. Blue Origin, gegründet von Amazon-Chef Jeff Bezos, möchte ebenfalls eine wiederverwendbare orbitale Rakete bauen. Bisher gelang Blue Origin ein Flug auf 100 km mit einer erfolgreichen vertikalen Landung. Bei Geschwindigkeit und Flugweite liegt Blue Origin deutlich hinter SpaceX zurück – darüber hinaus ist die von Blue Origin bisher geflogene Hardware auch nicht für den Transport von Menschen oder Nutzlast in Erdorbits oder den Einschuss auf Fluchtbahnen weg von der Erde gedacht.

Auch von der United Launch Alliance (ULA) und Airbus Defence and Space gibt es Konzepte. Anstatt einer vollständigen Raketenstufe wollen diese Firmen jedoch nur das Haupttriebwerk bergen. Es soll von der Hauptstufe nach Stufentrennung abgesprengt werden.

Die ULA nennt ihr Konzept SMART-Reuse, das Triebwerk soll am Fallschirm heruntergleiten und schließlich mit dem Helikopter eingefangen werden. Airbus will das Triebwerk mit Flügeln ausstatten und es zum Startplatz zurückfliegen, ein Demonstrator mit dem Namen Adeline ist geplant.

Bei beiden Unterfangen kann man die Ernsthaftigkeit, mit der diese Konzepte verfolgt werden, durchaus in Frage stellen. Bei der ULA hat man außer Darstellungen mit der Software Powerpoint noch nichts öffentlich präsentiert, Airbus hat immerhin ein Modellflugzeug als Demonstrationsobjekt gebaut. Das steht in deutlichem Gegensatz zum Einsatz (engl. commitment) von SpaceX. Der Eindruck, Airbus und ULA wollten auf der Publicity-Welle mitreiten, ohne wirklich etwas investieren zu müssen, ist angesichts der Umstände nicht wirklich vermeidbar.

Wiederverwendbarkeit bei der Ariane ist auch politisch fragwürdig. Letztlich bedeutet die Verwirklichung von Wiederverwendbarkeit die Konstruktion einer Rakete ohne Feststoffmotore. Die Feststoffmotorindustrie ist durch die Entscheidungen der letzten Ministerratskonferenzen in Europa massiv gestärkt worden. Die Vega nutzt in drei von vier Stufe feste Treibstoffe, bei der Ariane 6 werden die Boosterhüllen jetzt sogar in Italien und Augsburg parallel gefertigt (dasselbe Bauteil wohlgemerkt). Eine Abkehr vom festen Treibstoff und der Schritt zur Wiederverwendbarkeit scheint damit politisch ausgesprochen schwierig, weil bestimmte Firmen bei der Herstellung von Ariane-Raketen dann möglicherweise nicht mehr beteiligt würden.

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