Express-AM 4 beim Wiedereintritt zerstört

Der nach einer Oberstufenpanne in einem unnützen Orbit ausgesetzte russische Kommunikationssatellit Express-AM 4 wurde am 25. März 2012 gezielt zum Absturz gebracht. Sofern Bestandteile des Satelliten den Wiedereintritt überstanden, werden sie im Nordpazifik versunken sein.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: GPKX, Interfax, Spaceflight Now, Space News.

Roskosmos
Proton-M-Start mit Express-AM 4 am 17. August 2011
(Bild: Roskosmos)

Die Entscheidung, den mit zusammen 63 Transpondern für das C-, Ka-, Ku– und L-Band sowie 10 teilweise steuerbaren Antennen ausgestatteten Satelliten endgültig aufzugeben, hatte der staatliche russische Kommunikationssatellitenbetreiber Russian Satellite Communications Co. (RSCC bzw. GPKS) am 15. März 2012 bekannt gegeben. Eigentlich war vorgesehen, über den leistungsstarken Satelliten Russland, ehemalige Sowjetrepubliken und Staaten in Zentraleuropa mit Fernsehprogrammen und Breitbandinternet von einer Position bei 80 Grad Ost im Geostationären Orbit aus zu versorgen.
Obwohl der Satellit nach dem Start am 17. August 2011 und dem Aussetzen nach verschiedenen Angaben zunächst keine Beschädigungen aufwies, wird der Beschluss, den Satelliten wieder in die Erdatmosphäre eintreten zu lassen, mit einem unbefriedigenden Gesamtzustand des Raumfahrzeugs begründet.

Die Bahn, auf der der Satellit ausgesetzt worden war, war mit 20.416 x 657 Kilometern um einiges tiefer als geplant und führte Express-AM 4 während seiner insgesamt sieben Monate im All immer wieder durch Zonen starker Strahlung. Letztere hatte auf Anlagen und Geräte an Bord des Satelliten eine derart nachteilige Auswirkung, dass man dem Satelliten zuletzt nur noch eine geringe verbleibende Lebensdauer zubilligte. Die Auslegungsbetriebsdauer von Express-AM 4 betrugt 15 Jahre – zu erreichen im Geostationären Orbit hoch über den strahlungsintensiven Regionen der Van-Allen-Gürtel. Dort hin zu gelangen war dem Satelliten auf Grund des dafür erforderlichen Treibstoffbedarfs aus der falschen Ausgangsbahn nicht möglich.

Astrium
Express-AM 4 im All – Illustration
(Bild: Astrium)

Vorschläge, Express-AM 4 zur Erfüllung von Kommunikationsbedürfnissen in polaren Regionen einzusetzen, stießen in Russland nicht auf positive Reaktionen. Unter anderem hatte die Polar Broadband Systems Ltd. angeboten, den Satelliten zu nutzen. Das auf der Isle of Man ansässige Unternehmen überlegte, via Express-AM 4 14 bis 16 Stunden täglich Breitbandkommunikationsverbindungen für Wissenschaftler und Forscher in der Antarktis zur Verfügung zu stellen. Dazu wollte man eine Reihe von Bahnanhebungsmanövern zwischen Ende März und Anfang Juni durchführen lassen, um einen 25.000 x 46.000 km Orbit zu erreichen. Bei unveränderter Bahnneigung von rund 51 Grad gegen den Äquator und einer Umlaufzeit von dann 24 Stunden wäre der Satellit pro Tag etwa 14 Stunden lang für die Südpolregion sichtbar gewesen. Ob der Zustand des Satelliten tatsächlich einen mehr als nur kurzfristigen Einsatz als Relaisstation für Nutzer in polaren Gebieten erlaubt hätte, wurde seitens des Herstellers des Raumfahrzeugs nicht mitgeteilt. Polar Broadband Systems Ltd. hielt 10 Jahr Betrieb für möglich.

Die ausgezahlte Versicherungssumme von 7.522.920.166,30 Rubel für Express-AM 4, einem Erzeugnis von Astrium, ermöglichte es RSCC, bereits einen Express-AM 4R genannten Ersatzsatelliten zu bestellen. Astrium hat eine Ablieferung von Express-AM 4R gegen Ende 2013 zugesagt.

Express-AM 4 hörte am 25. März 2012 nach einer Bremszündung gegen 12:33 Uhr MESZ rund drei Stunden später auf zu existieren. Sofern Überreste des Satelliten die Erdoberfläche erreichten, fielen sie gegen 15:32 Uhr MESZ nördlich von Hawaii in den Pazifik.

Express-AM 4 ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 37.798 bzw. als COSPAR-Objekt 2011-045A.

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