Heute veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen zwei Impaktkrater auf dem Mars, in deren Zentren sich Vertiefungen befinden. Sehr wahrscheinlich waren für deren Entstehung Wasserdampfexplosionen verantwortlich. Dies würde bedeuten, dass sich in diesem Bereich der Marsoberfläche in der Vergangenheit Ablagerungen von Wassereis befunden haben müssen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.
Bereits seit dem Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem eine Vielzahl an Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten, durch deren Auswertung sich wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte ergeben.
Am 4. Januar 2013 überflog Mars Express während des Orbits Nummer 11.467 die Region Thaumasia Planum. Hierbei handelt es sich um eine in der östlichen Tharsis-Region gelegene Hochebene, welche sich unmittelbar südlich der Valles Marineris befindet. Während des Überfluges gerieten auch zwei dicht beieinander liegende Impaktkrater in das Aufnahmefeld der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters.
Bei dem weiter nördlich gelegene Impaktkrater (auf den Nadir-Aufnahmen der HRSC-Kamera rechts zu erkennen) handelt es sich um den nach einer Stadt auf der Karibikinsel Trinidad benannten Arima-Krater. Der weiter südlich gelegene, fast gleich große Krater erhielt bisher noch keinen Namen. Beide Impaktkrater verfügen über Durchmesser von etwas mehr als 50 Kilometern und weisen komplexe Strukturen auf. Der südliche der beiden Krater wird hier außerdem in einer perspektivischen Ansicht dargestellt. Bei dieser Betrachtung werden die komplexen Strukturen des Kraters in all ihren Details sichtbar. So reihen sich zum Beispiel mehrere gestaffelte Terrassen in den über 2.000 Meter hohen Kraterwänden vom oberen Rand des Kraters bis zum flachen Kraterboden aneinander.
Bei Impaktkratern dieser Größe sind solche Formationen häufig zu beobachten. Wenn das Ereignis des Asteroideneinschlags vorüber ist, sind die in diesem Fall mehrere Kilometer hohen Auswurfmassen zu einem Kraterrand aufgetürmten. Das Auswurfmaterial ist dabei zunächst noch instabil und sackt entlang von konzentrischen, parallel zum Kraterrand verlaufenden Schwächezonen ins Kraterinnere nach.
Unterirdische Dampfexplosionen
Am auffälligsten sind jedoch die zentralen Vertiefungen am Grund der beiden „Zwillingskrater“. Diese Vertiefungen, so die Vermutung der Planetologen, haben sich sehr wahrscheinlich durch starke unterirdische Dampfexplosionen gebildet, welche sich bereits während der rasch ablaufenden Vorgänge der Kraterbildung ereignet haben.
Trifft ein großer Asteroid auf die Oberfläche eines Planeten, so wird ein beträchtlicher Teil der Bewegungsenergie des Asteroiden in Wärmeenergie umgewandelt und an die Umgebung abgegeben. Sollte unter dem von dem Asteroiden getroffenen Bereich der Planetenoberfläche Wasser oder Eis eingeschlossen sein, so wird dieses durch die freigesetzte Wärme schlagartig erhitzt und geht in den gasförmigen Aggregatzustand über.
Dieser Vorgang kann zu heftigen Dampfexplosionen führen, wodurch zunächst ein Loch im Zentrum des Kraters aufgerissen wird. Die darüber liegende Gesteinskruste wird durch die Explosion aufgebrochen, kollabiert dabei ins Innere des entstandenen Hohlraums oder wird vollständig abgesprengt. Teile der Gesteinskruste umgeben anschließend die so entstandene Vertiefung am Grund des Kraters.
Obwohl die beiden Impaktkrater in etwa den gleichen Durchmesser aufweisen, unterscheiden sich die dortigen zentralen Vertiefungen deutlich in ihrer jeweiligen Größe und Tiefe. Dies ist auf der nebenstehenden höhenkodierten Bildkarte besonders deutlich zu erkennen. Möglicherweise wurde bei der Entstehung des linken (südlichen) Kraters mehr Energie freigesetzt, so dass das dort unter der Oberfläche befindliche Eis schneller verdampfte. Eine zweite Erklärung wäre, dass im Bereich dieses Kraters von Vorneherein mehr Eis unter der Marsoberfläche vorhanden war, so dass die Explosion heftiger ausfiel.
Wassereis im Untergrund
Aber auch die kleineren Impaktkrater, welche auf den hier gezeigten Aufnahmen der HRSC-Kamera zu erkennen sind, sind für die an der Mars Express-Mission beteiligten Wissenschaftler von Interesse. Einige dieser Krater – Marsforscher bezeichnen sie allgemein als „Rampart-Krater“ („Rampart“, engl. für Wall oder Barriere) – sind von deutlich erkennbaren Auswurfdecken umgeben, welche einen unregelmäßig verlaufenden, lobenförmigen Rand aufweisen. Diese auch als „Ejektadecken“ bezeichneten Formationen sind ein untrügerisches Zeichen dafür, dass sich zu den Zeitpunkten, an denen sich die für die Entstehung der kleineren Krater verantwortlichen Impakte ereigneten, direkt unter der Oberfläche des Thaumasia Planum Wassereis befunden haben muss.
Durch die großen Energiemengen, welche im Rahmen der Impaktprozesse freigesetzt wurden, wurden diese Eisvorkommen mobilisiert, was bis zu einem gewissen Grad zu einer Verflüssigung des Marsbodens führte. Das jetzt teilverflüssigte Untergrundmaterial wurde durch die Wucht des Impaktes zuerst in die Höhe geschleudert und fiel anschließend in der Umgebung des jeweiligen Kraters wieder zur Oberfläche zurück. Dabei bildeten die Ejektadecken zu ihrer Umgebung hin deutlich erkennbare Geländestufen aus. Der zugrunde liegende Prozess ist vergleichbar mit dem Wurf eines Steins in eine angetrocknete Schlammpfütze.
Impaktkrater wie diese erlauben den Marsforschern einen Blick in die Vergangenheit unseres Nachbarplaneten und belegen in diesem Fall, dass in der Region Thaumasia Planum einstmals eine große Menge an Wasser oder Eis unter der Oberfläche eingeschlossen war, welches bei diversen großen und kleinen Einschlägen von Asteroiden auf die Marsoberfläche freigesetzt wurde.
Bildverarbeitung durch das HRSC-Team
Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht des Thaumasia Planum wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet, der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hat, und vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Gebaut wurde die Kamera in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.
Die hier gezeigten, während des Orbits Nummer 11.467 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Thaumasia Planum finden Sie auch auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.
Konjunktion
Gegenwärtig führt die Raumsonde Mars Express aufgrund der derzeitigen Marskonjunktion keine wissenschaftlichen Beobachtungen durch. Bei einer Marskonjunktion handelt es sich um eine spezielle, etwa alle 26 Monate auftretende Planetenkonstellation, bei der sich der Mars von der Erde aus betrachtet in einem Abstand von weniger als fünf Grad von der Sonne befindet. Zum Zeitpunkt seines geringsten Abstandes wird sich der Mars dabei am 18. April 2013 lediglich 0,4 Grad – dies ist weniger als ein Vollmonddurchmesser – unterhalb der Sonne befinden.
Aus diesem Grund wird die Datenübertragung zwischen der Erde und dem Mars im April 2013 stark eingeschränkt beziehungsweise für die Dauer von mehren Tagen sogar nahezu unmöglich sein, da die von der Sonne ausgehende Strahlung die Funksignale, welche zwischen den beiden Planeten hin und her gesandt werden, zu sehr stört und die Signale sogar „verstümmeln“ kann.
Um die Übertragung von fehlerhaften Signalen und Kommandosequenzen zu vermeiden und die volle Funktionalität der Raumsonde zu gewährleisten werden sich die Aktivitäten von Mars Express in den kommenden Wochen deshalb auf das absolute Minimum beschränken. Die Wiederaufnahme des wissenschaftlichen Betriebes ist für Ende April/Anfang Mai 2013 vorgesehen.
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