Exploration Mission 1, EM-1 „unbemenscht“

Die NASA hat bekannt gegeben, dass der erste Start der Schwerlastrakete SLS mit dem Raumschiff Orion doch ohne Besatzung erfolgen soll. Die hohen Kosten und die negativen Auswirkungen auf den Terminplan gaben den Ausschlag. Trotzdem verschiebt sich EM-1 nach 2019. Neben Fortschritten bei SLS, Orion und Bodeneinrichtungen gibt es neue Probleme im Produktionsprozess der SLS-Hauptstufe.

Ein Beitrag von Stefan Goth. Quelle: NASA, NASASpaceflight.com, OrbitalATK.

Nachdem die NASA vor kurzem Pläne für ein Deep Space Gateway im Mondorbit und ein Deep Space Transport genanntes Raumschiff als die nächsten Schritte ihrer „Journey to Mars“ vorgestellt hatte (Raumfahrer.net berichtete), wurde jetzt bekannt gegeben, dass beim Exploration Mission 1 (EM-1) genannten ersten Start der als Space Launch System (SLS) bezeichneten Schwerlastrakete in Verbindung mit der Orion-Kapsel keine Besatzung an Bord sein wird.

Orion mit ESM und ICPS (Illustration)
(Bild: NASA)

Im Februar 2017 war bekannt geworden, dass die NASA im Auftrag der Trump-Administration eine Studie erstellte, die untersuchen sollte, ob es möglich wäre beim bis dahin als Testflug ohne Besatzung geplanten EM-1 zwei Astronauten mitfliegen zu lassen. Das Ergebnis dieser Studie und die sich daraus ergebende Entscheidung wurden nun veröffentlicht.

Demnach bleibt dieser Flug wie ursprünglich geplant „unbemenscht“. Allerdings weist die NASA darauf hin, dass es technisch durchaus möglich gewesen wäre eine Besatzung mitfliegen zu lassen. Dafür müssten allerdings zusätzliche Anstrengungen unternommen und 600 bis 900 Millionen Dollar zusätzlich aufgewendet werden. Darüber hinaus würde sich eine weitere deutliche Verschiebung des Starttermins ergeben.

Die Entscheidung war eine Abwägung der technischen Anforderungen, der Kosten und der zusätzlichen Risiken, mit dem Ergebnis, dass das Beibehalten der bisherigen Pläne der nachhaltigste Weg sei, Menschen über den Erdorbit hinauszubringen.

Trotzdem brachte die Studie auch positive Effekte. Als ein Ergebnis prüft die NASA ob es sinnvoll sei den Hitzeschild der Orion-Kapsel zusätzlichen bodengestützten Tests zu unterziehen und die „ascent abort test“ genannte Demonstration des Rettungssystems auszuweiten, um mehr Daten zu gewinnen. Auf diesem Weg will man die Systeme besser verstehen und den eigenen Plan für den Flug über die Erdumlaufbahn hinaus robuster gestalten.

Im Rahmen der Studie wurde auch die Terminplanung für EM-1 durchleuchtet. Darin sind die erwartete Finanzierung, Produktionspläne und -fortschritte von SLS-Komponenten, Orion-Kapsel mit Europäischem Servicemodul, sowie Stand von Produktions- und Bodeneinrichtungen eingeflossen. Außerdem wurden die Auswirkungen eines Tornados vom Februar, der Teile der Michoud Assembly Facility genannten Fabrik für SLS-Raketenteile in Louisiana beschädigt hat, berücksichtigt. Demnach verschiebt sich der „unbemenschte“ EM-1 Start auf jeden Fall von 2018 nach 2019. Ein genauer Starttermin soll in den nächsten Wochen ermittelt und bekanntgegeben werden.

Fortschritte bei Vorbereitung von EM-1 und EM-2
Im Gegensatz zu der genannten Verschiebung des Starttermins berichtet die NASA auch über deutliche Fortschritte bei der Vorbereitung von EM-1 und auch EM-2. Der Exploration Mission 2 (EM-2) genannte Flug soll definitiv mit Besatzung erfolgen und ist momentan für das Zeitfenster 2021 bis 2023 vorgesehen.

SLS Engine Section Test Article wird auf der Pegasus verladen
(Bild: NASA)

Es wurde ein Testartikel für das Antriebssegment der Hauptstufe, welches die vier RS-25-Triebwerke aufnehmen soll, das in der Michoud Assembly Facility in New Orleans gefertigt wurde, auf den Weg nach Huntsville, Alabama in das Marshall Space Flight Center der NASA gebracht. Dort soll diese Komponente Strukturtests unterzogen werden. Der Transport erfolgt mit der Barge „Pegasus“, welche schon zu Shuttle Zeiten den externen Tank transportiert hat.

Am 27. April 2017 wurde ein Test des „Attitude Control Motor“ (ACM) genannten Lageregelungsantriebs des Rettungssystems der Orion-Kapsel für die Startphase erfolgreich getestet. Hierzu wurde ein entsprechendes Video veröffentlicht: Video vom Test des Attitude Control Motor

Bei der Fa. Ingersoll Machine Tools in Rockford, Illinois, einem Subunternehmer von Lockheed Martin, werden bereits wesentliche Teile der Druckhülle der Orion-Kapsel für EM-2 gefertigt.

Am NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland wird ein LEMNOS (für Laser-Enhanced Mission and Navigation Operational Services) genanntes Laser-Kommunikationssystem entwickelt, das erstmals bei EM-2 eingesetzt werden soll. Damit sollen Video-Streams in Ultra-High-Definition auch vom Mars möglich werden. Weitere Informationen gibt es unter folgendem Link (engl.): LEMNOS

Modell der SLS Block 1b im Windkanal
(Bild: NASA)

Ein Structural Test Article genanntes Modul der Orion-Kapsel wurde vom NASA Kennedy Space Center in Florida zu Lockheed Martin in Waterton Canyon in Colorado gebracht, um dort weiteren Strukturtests unterzogen zu werden. Damit soll nachgewiesen werden, dass die Konstruktion den Drücken und Belastungen bei Start, Raumflug und Landung gewachsen ist.

Im NASA Langley Research Center in Hampton, Virginia werden im Windkanal bereits die Modelle der zweiten Generation der SLS-Rakete, die sog. Block 1B Konfiguration (sowohl Crew- als auch Cargo-Variante) und die zugehörigen Startanlagen auf ihre Windanfälligkeit getestet.

Probleme und Rückschläge
Neben den Fortschritten gibt es aber auch Rückschläge. Während in letzter Zeit vor allem der Liefertermin des Europäischen Service Moduls und die Ausgestaltung der Bodeneinrichtungen Sorge bereiteten ist momentan die Fertigung der Komponenten der Hauptstufe in der Michoud Assembly Facility (MAF) in New Orleans in den Fokus gerückt. Neben dem bereits erwähnten Tornado gab es weitere Probleme.

LH2-Tank im Vertical Assembly Center
(Bild: NASA)

Wie NASASpaceflight.com berichtet, wurden bereits Anfang 2016 im sog. Vertical Assembly Center (VAC), der Einrichtung zum Verschweißen der bis zu 40 Meter hohen Tanks der Hauptstufe der SLS-Rakete, zahlreiche Teststücke hergestellt. In dieser „self-reaction friction stir welding“-Anlage, also einer riesigen Rührreibschweißmaschine, werden die weltweit größten und dicksten Werkstücke aus Aluminiumlegierung mit dieser speziellen Technik verarbeitet.

Die Schweißnähte erreichten die gewünschten Festigkeiten und Kennwerte, allerdings zeigten sich am Dorn des Schweißkopfes Mikrorisse. Es bestand die Gefahr, dass der Dorn während des Schweißvorgangs brechen könnte. Dies hätte aufwändige Reparaturen und Zeitverzug zur Folge gehabt. Deshalb wurde die Konstruktion des Schweißkopfs angepasst. Bis September 2016 wurden mit diesem neuen Schweißkopf zahlreiche weitere Probestücke aber auch ganze Tanks für flüssigen Wasserstoff, die sowohl für Bodentests als auch für den eigentlichen Flug vorgesehen waren, geschweißt.

Zwischenzeitlich wurde, noch bevor die zwei Sauerstofftanks für Tests und EM-1 geschweißt wurden, festgestellt, dass es bei einzelnen Testschweißungen (statistisch gesehen ca. jeder fünfzehnten) zu Fehlern und lokalen Versprödungen kommt. Diese lassen sich allerdings nur durch zerstörende Prüfungen feststellen. Das bedeutet, dass die bereits fertiggestellten Wasserstoff-Tanks zwar für eingeschränkte Bodentests, aber nicht für den Flug verwendet werden können, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei deren Schweißnähten sich Fehler verbergen.

Mittlerweile werden wieder Schweißköpfe der ursprünglichen Konstruktion verwendet, die zunächst ausgiebig getestet werden, bevor reguläre Schweißungen durchgeführt werden. Es muss jedoch für EM-1 ein neuer Wasserstoff-Tank geschweißt werden, bzw. ist vorgesehen den eigentlich für den nachfolgenden Start gedachten zu verwenden. Wieviel Zeit das kosten wird ist noch nicht bekannt. Das Schweißen eines deutlich kleineren Sauerstofftanks wird mit ca. eineinhalb Monaten angegeben.

Neben diesen technischen Schwierigkeiten wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass es bei der Fertigung des unteren Doms des Sauerstofftanks, der für Bodentests vorgesehen ist, am 3. Mai 2017 zu einem Unfall kam, bei dem das Bauteil so stark beschädigt wurde, dass ein neues angefertigt werden muss. Zum Glück wurde niemand verletzt, die Arbeiten mussten jedoch zunächst eingestellt werden. Eine Untersuchung des Vorfalls ist noch im Gange.

Auch wenn bisher keine konkreten Aussagen getroffen wurden, besteht zu befürchten, dass es mit diesen Vorfällen zu weiteren Verzögerungen des Starttermins von EM-1, u.U. sogar über das Jahr 2019 hinaus, kommen könnte.

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