Die Mission der ersten Langzeitbesatzung der Internationalen Raumstation
Autor: Paul Blasl & Michael Schumacher.
Erster Kommandeur der Internationalen Raumstation war William Shepherd von der NASA. Russlands Kosmonauten Sergei Krikaljow und Juri Gidsenko komplettierten die erste Langzeitbesatzung des damals brandneuen, aber noch unausgebauten und bis dato unbewohnten, orbitalen Außenpostens.
Start in Kachastan
Am 31. Oktober 2000 starteten die drei Raumfahrer vom russischen Kosmodrom in Baikonur, Kasachstan. Ungefähr neun Minuten nach dem Start trennte sich die Sojus-Raumkapsel TM 31 von ihrer Startrakete. Zum Zeitpunkt der Abtrennung befand sich das Raumschiff in einem 182 mal 233 Kilometer hohen Erdorbit. Das Kommando an Bord der Sojus hatte Juri Gidsenko. Mit den beiden designierten Bordingenieuren Sergej Krikaljow und William Shepherd hielt er sich während des Starts im Landemodul der Sojus auf. Darin befinden sich alle notwendigen Steuerungen und Anzeigen, die es einer Besatzung erlauben, alle kritischen Flugaktivitäten zu beobachten und zu kontrollieren, aber auch Lebenserhaltungssysteme und drei individuell angepassten Sitze, in denen die drei Besatzungsmitglieder für den Start festgeschnallt waren. Im Verlauf der ersten Erdumkreisungen öffneten sie die Luke zum Orbitalmodul. Zudem entfalteten sie erfolgreich die Kopplungssonde der Sojus-Kapsel und überprüften das Lageregelungssystem des Raumschiffes. Nach mehreren Manövern befand sich das Raumschiff am nächsten Tag gegen 13:40 Uhr in einer elliptischen Umlaufbahn von 243 mal 275 Kilometern Höhe und ungefähr 8.500 Kilometer hinter der ISS, jedoch holte man zu diesem Zeitpunkt mit jedem Erdumlauf rund 1.100 Kilometer zur ihr auf.
Am 2. November um 9:21 Uhr koppelte die Sojus schließlich an die Internationale Raumstation an, während sich die beiden Raumfahrzeuge über Zentralkasachstan befanden. Die Ankopplung erfolgte am hinteren Kopplungsstutzen des ISS-Moduls Swesda. Etwa eine Stunde später, um 10:23 Uhr, wurde die Luke zwischen der Sojus-Kapsel und der Raumstation geöffnet und die permanente Besetzung der Internationalen Raumstation begann.
An Bord der Station
Die ersten Arbeiten an Bord betrafen die Überprüfung der Kommunikationssysteme und die Aktivierung der Wasseraufbereitung, der Küche und der stationseigenen Toilette. Außerdem installierte die Expedition 1 einen Tag nach ihrer Ankunft ein Luftreinigungssystem, Vosduch genannt, im Aufenthaltsbereich des Moduls Swesda. Es filtert Kohlendioxid aus der Atmosphäre der Station, lässt es in den Weltraum ab und ersetzt somit die von der Besatzung anfangs zur Absorbierung des Kohlendioxids verwendeten Lithiumhydroxidkanister.
Um ausgedehnter mit den Missionskontrollen in Houston und Moskau über amerikanischer Satelliten kommunizieren zu können, schloss ISS-Kommandeur William Shepherd Laptops an das Early Communications System (ECS) an. Dieses ermöglichte auch der Besatzung erstmals, E-Mails, Videos und Bilder zu empfangen oder zu versenden. Währenddessen installierte Bordingeneur Sergei Krikaljow im Modul Swesda Computer zur Steuerung der Aufgaben der russischen Raumstationssysteme. Zusammen mit Juri Gidsenko arbeitete Krikaljow an der Beseitigung der Schwierigkeiten mit einem der acht Akkus Swesdas, der seit seiner Installation nicht fehlerfrei aufgeladen werden konnte.
Die Expedition 1 installierte am 4. November zudem eine Klimaanlage und den Sauerstoffgenerator Elektron, der nach der Space-Shuttle-Mission STS 97, die am 1. Dezember starten würde, letztlich dauerhaft aktiviert wurde und die Sauerstoff freisetzenden Kanister ersetzte, die zu diesem Zeitpunkt die Atmosphäre der Weltraumstation noch mit Sauerstoff anreicherten. Zusätzlich installiert wurden ein Amateurfunksystem im Sarja-Modul, Datenleitungen zum unteren Kopplungsstutzen (Sarja-Nadir) sowie am 6. November eine Handsteuerung und ein Monitor in Swesda für das TORU-System (Telerobotically Operated Rendezvous Unit), mit dem unbemannte Transportraumschiffe von der Station aus gesteuert werden können, wenn das automatische System fehlerhaft arbeitet. Am 14. trainierten die drei Besatzungsmitglieder die Annäherung und die Kopplung der Progress-M1 4 an die ISS an allen beteiligten Systemen, inklusive des TORU-Systems.
Bei der realen Ankunft von Progress-M1 4 am 18. November wurde dieses System aufgrund eines Softwarefehlers tatsächlich gebraucht. Nachdem das unbemannte Frachtschiff am 16. November um 1:33 Uhr wie die Besatzung von Baikonur aus gestartet war, dockte der Bordingenieur Juri Gidsenko die Progress mittels Handsteuerung an den Nadir-Kopplungsstutzen des Stationmoduls Sarja. Es brachte rund zwei Tonnen Bekleidung, Versorgungsgüter, Ersatzteile sowie einige Geschenke von den Familien der drei Besatzungsmitglieder. Mit dem Entladen und Inventarisieren der Fracht waren Shepherd, Gidsenko und Krikaljow rund eine Woche beschäftigt.
Um der Raumfähre Endeavour Platz zu machen, wurde die Progress-M1 4 am 1. Dezember abgekoppelt und in einen Parkorbit, etwa 2.500 Kilometer von der Station entfernt, geflogen. Das erneute Andocken erfolgte am 26. Dezember.
Die ISS-Aufbaumission 4A, die die Besatzung der Endeavour durchführte, brachte ein Modul mit Solarzellen zur Station und führte zu einem fünffachen Zuwachs der Stromerzeugung. Außerdem wurden Gerätschaften installiert, die eine statische Aufladung der ISS bei ihrem Flug um die Erde verhindern sollten. Nachdem die Raumfähre Endeavour wieder abgedockt hatte, verlautbarte die NASA am 14. Dezember, dass die Expedition 1 zwei Wochen länger als geplant auf der Internationalen Raumstation bleiben müsse, weil sich der Start der Space-Shuttle-Mission STS 102 mit ihrer Ablösung, der Expedition 2, verspäten würde, da zehn Steuerdüsen der Discovery ausgetauscht werden mussten.
Gegen Ende des Monats wurde auch im Weltraum das Weihnachtsfest gefeiert. Als Festessen gab es hydrierten Truthahn. Außerdem wurden längere Videokonferenzen mit Familienangehörigen geführt. Nach den Feiertagen musste Gidsenko Progress-M1 4 abermals manuell mit Hilfe des TORU-Systems an das Sarja-Modul andocken. Anschließend wurde das System zur automatischen Kopplung des mittlerweile leeren Frachtschiffs zur späteren Analyse auf der Erde ausgebaut. Danach diente dieses der Expedition 1 vor allem als Müllcontainer. Seine Triebwerke und sein Resttreibstoff wurden bis zur endgültigen Abkopplung für etwaige Bahnkorrekturen eingesetzt. Endgültig abgekoppelt wurde Progress-M1 4 in der Tat am 8. Februar, unmittelbar vor der Ankunft der Raumfähre Atlantis.
Nach dem Jahreswechsel wurden im Januar 2001 neben Wartungs- und Reparaturarbeiten, wie an einem Batterieladegerät, aber vor allem letzte Vorbereitungen für die Erweiterung der Station um das amerikanische Forschungsmodul Destiny getroffen. Als sich dessen Start verzögerte, beschäftigte man sich ausgiebiger mit der Inventarisierung der bereits vorhandenen Geräte, Ausrüstungen und Vorräte. In einer Computerdatenbank sind alle Artikel mit ihrer Anzahl und dem Lagerungsort aufgelistet. Zusätzlich wurden Havarieübungen durchgeführt. Das bisher noch eingeschränkte wissenschaftliche Programm sah biomedizinische und technologische Experimente vor, welche das Wachstum von Proteinkristallen, Experimente mit Pflanzen für amerikanischer Schulkinder, Erdbeobachtung, Materialtests, medizinische Untersuchungen sowie Messungen der Luftqualität und Geräuschentwicklung in verschiedenen Bereichen der Station betrafen. Des Weiteren gab es ein Problem mit dem Kopplungsmechanismus eines unter Druck stehenden Kopplungsadapters (PMA 2), welches durch die Besatzung ebenfalls beseitigt werden musste.
Nach dem ISS-Aufbauflug 5A, unterbrach die erste Langzeitbesatzung ihre Arbeiten am 24. Februar und bestieg ihre Sojus-Kapsel. Der Kopplungsstutzen am hinteren Ende des Swesda-Moduls musste für die Ankunft des unbemannten Transportschiffes Progress M-44 freigemacht werden. Deshalb koppelte Sojus-Kommandeur Juri Gidsenko mitsamt seiner beiden Kollegen um 10:06 Uhr von der Station ab, umflog die ISS teilweise und koppelte um 10:37 Uhr wieder an den Nadir-Kopplungsstutzen des Moduls Sarja an. Für den Fall, dass die Kopplung misslingen würde, waren vorher viele Systeme der Station deaktiviert worden. Diese wurden anschließend wieder hochgefahren.
Am 26. Februar startete schließlich Progress-M 44 von Baikonur und dockte zwei Tage später an die Internationale Raumstation. Nach der letzten Ankopplung eines Versorgungsraumschiffes vom Typ Progress im November 2000, die manuell durchgeführt werden musste, verlief diese Ankopplung perfekt und ereignislos. Das Transportschiff brachte Treibstoff, Ersatzteile, Bekleidung, Nahrung, Computer, Büromaterial und das erste ESA-Experiment PKE (Plasmakristall-Experiment). Bis zur Ankunft der Discovery und ihrer Ablösung, der Expedition 2, war die erste Langzeitbesatzung der ISS mit dem Entladen des Transporters und den Vorbereitungen für die Rückkehr auf die Erde beschäftigt.
Die Rückkehr
Als das Space Shuttle Discovery letztlich am 10. März an die ISS andockte, begannen die unmittelbaren Vorbereitungen für die Heimkehr der drei Raumfahrer. Dazu gehörten vor allem Übergabeformalitäten, medizinische Tests und ein verstärktes körperliches Training. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz fasste der Kommandant der ersten ISS-Besatzung William Shepherd die Mission mit den folgenden Worten zusammen: „Wir bezogen einen unbewohnten Außenposten und besitzen jetzt eine voll funktionsfähige Station, in der die nächste Besatzung Forschung betreiben kann. Ich glaube, dies ist die Substanz unserer Mission.“
Nach über 4 Monaten dockten am 19. März 2001 Shepherd, Gidsenko und Krikaljow mit der Discovery endgültig von der Internationalen Raumstation ab und landeten am 21. März auf der Erde.
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