Exoplaneten in Hülle und Fülle

Ein internationales Astronomenteam hat mithilfe des Mikrogravitationslinseneffektes untersucht, wie häufig Planeten in unserer Milchstraße vorkommen. Nach einer sechs Jahre währenden Suche bei mehreren Millionen Sternen kamen die Astronomen zu dem Ergebnis, dass die Existenz von Exoplaneten anscheinend nicht die Ausnahme sondern vielmehr der Normalfall ist.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, Wikipedia.

Seit der Entdeckung des ersten Exoplaneten im Jahr 1995 – bei den Exoplaneten handelt es sich um Planeten, welche außerhalb unseres Sonnensystems ihre jeweiligen Zentralsterne umkreisen – konnten Astronomen bisher 725 Exoplaneten nachweisen. Bei einigen dieser Exoplaneten gelang den Wissenschaftlern sogar die Erforschung der jeweiligen Atmosphären und Spektren. Durch verschiedene Suchprogramme konnte zudem eine Vielzahl weitere Planetenkandidaten entdeckt werden, deren Existenz bisher allerdings noch nicht bestätigt werden konnte. Eine der entscheidenden Fragen war aber nach wie vor ungeklärt: Wie häufig kommen Planeten eigentlich in unserer Milchstraße vor? Ist ihre Existenz eine Ausnahme oder vielleicht doch eher die Regel?

TEP-Network, H. Deeg, Carrido
Diese Lichtkurve des Exoplaneten HD 209458b wurde in der Nacht vom 26. auf den 27. Juli 2000 am 0,9-Meter-Teleskop in Sierra Nevada aufgenommen.
(Bild: TEP-Network, H. Deeg, Carrido)

Der Großteil der den Astronomen bis dato bekannten Exoplaneten wurde entweder durch die gravitative Anziehungskraft des Planeten auf seinen Mutterstern oder durch eine winzige Abschwächung des Sternlichts entdeckt, welche auftritt, sobald ein Planet auf der Umlaufbahn um seinen Zentralstern von der Erde aus gesehen direkt vor dem Stern vorbeiläuft. Die astrometrische Methode und die Radialgeschwindigkeitsmethode nutzten den Effekt, dass sich der Zentralstern und eventuell in dessen Umlaufbahn befindliche Planeten unter dem Einfluss der Gravitation um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Diese Bewegung lässt sich durch die Beobachtung der abwechselnden Blau- und Rotverschiebung, dem sogenannten Dopplereffekt oder durch eine minimale Positionsveränderung des Sterns am nächtlichen Himmel nachweisen. Die Transitmethode nutzt einen anderen Effekt: Sobald ein Exoplanet von der Erde aus gesehen direkt vor seinem Mutterstern vorbeizieht, nimmt die Helligkeit des beobachteten Sterns um einen winzigen Bruchteil ab, da der Planet einen Teil des von seinem Zentralgestirn ausgehenden Lichts abschirmt.

Mit diesen Techniken gelingt bisher in erster Linie der Nachweis von Planeten, welche über eine verhältnismäßig große Masse und eine relativ enge Umlaufbahn um den jeweiligen Stern verfügen. Je größer der beobachtete Exoplanet ist beziehungsweise je enger dessen Umlaufbahn um den Stern ausfällt, umso größer fällt zum Beispiel der Anteil der verdeckten Sternoberfläche bei einem Transit aus und umso stärker nimmt dadurch auch die Helligkeit des bedeckten Sterns ab. Viele kleinere Exoplaneten werden bislang übersehen, da sie unterhalb der zur Zeit gegebenen Nachweisgrenzen dieser Methoden liegen.

Ein internationales Astronomenteam hat deshalb mit einer völlig anderen Technik nach Exoplaneten gesucht und versucht, die Anzahl der Planeten in unserer Heimatgalaxie zu berechnen. Mit dieser Methode, welche den so genannten Mikrogravitationslinseneffekt ausnutzt, können auch Planeten nachgewiesen werden, die einen größeren Abstand zu ihrem Zentralstern aufweisen, über eine geringere Masse verfügen und die zudem über einen großen räumlichen Bereich in ihren heimischen Sonnensystemen verteilt sind.

ESO, M. Kornmesser
Eine künstlerische Darstellung der Häufigkeit von Exoplaneten in der Milchstraße.
(Bild: ESO, M. Kornmesser)

„Wir haben in den während einer Beobachtungszeit von sechs Jahren gesammelten Daten speziell nach Hinweisen auf Mikrogravitationslinsenereignisse von Exoplaneten gesucht. Dabei hat sich herausgestellt, dass Planeten in unserer Milchstraße häufiger vorkommen als Sterne. Außerdem sind kleinere Planeten wie die sogenannten Supererden oder kühle, neptunähnliche Planeten offenbar zahlreicher als ihre massereicheren großen Brüder“, so Arnaud Cassan vom Institut d’Astrophysique de Paris, der Erstautor der entsprechenden Studie, welche am 12. Januar 2012 in der Fachzeitschrift Nature publiziert wurde. Die Studie basiert zu einem großen Teil auf Arbeiten, welche Arnaud Cassan während seiner Tätigkeit am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) durchgeführt hat.

Für ihre Studie nutzten die Astronomen die Daten der Exoplaneten-Suchkampagnen PLANET und OGLE. Bei beiden Suchprogrammen werden Exoplaneten über einen Effekt nachgewiesen, den ihre Gravitationsfelder zusammen mit dem Gravitationsfeld ihres Zentralsterns auf das Licht der im Hintergrund liegenden Sterne ausüben. Stern und Planet fungieren dabei wie eine Linse, welche die Helligkeit der Hintergrundsterne über einen Zeitraum von bis zu mehreren Tagen verstärkt. Der Verlauf der Helligkeitsänderung hat eine sehr charakteristische Form, wobei der Einfluss des Planeten allerdings oftmals nur über wenige Stunden messbar ist.

Damit der Effekt überhaupt beobachtet werden kann, müssen der als Linse fungierende Stern und der Hintergrundstern von der Erde aus betrachtet allerdings exakt auf einer Sichtlinie platziert sein. Eine solche Konstellation tritt jedoch nur äußerst selten auf. Soll bei einem solchen Ereignis auch noch ein Planet um den als Linse fungierenden Stern nachgewiesen werden, so muss auch dessen Umlaufbahn genau richtig orientiert sein. „Es ist wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Wir müssen die Helligkeit von ein paar Millionen Sternen mehrmals pro Woche messen, um ein einziges stellares Mikrogravitationslinsenereignis zu beobachten. Und selbst wenn alle so entdeckten Sterne einen Planeten haben, zeigt sich der Planet in weniger als einem Prozent dieser Lichtkurven“, erläutert Joachim Wambsganß vom ZAH die Problematik.

Aus diesem Grund ist der Nachweis eines Exoplaneten mittels des Mikrogravitationslinseneffektes alles andere als einfach. Dennoch gelang es den Wissenschaftlern, mit den Daten ihrer sechsjährigen Beobachtungskampagnen von PLANET und OGLE gleich drei Exoplaneten nachzuweisen: eine sogenannte Supererde – hierbei handelt es sich um einen Planeten mit der zwei- bis zehnfachen Masse der Erde – und jeweils einen Planeten mit Massen vergleichbar zu denen von Jupiter und Neptun. Bezogen auf die Anzahl der beobachteten Mikrogravitationslinsenereignissen ist das eine unerwartet reiche Ausbeute. Mikrogravitationslinsenereignisse treten immerhin so selten auf, dass in dem zugrundeliegenden Beobachtungszeitraum von 2002 bis 2007 bei mehreren Millionen untersuchten Sternen lediglich 3.247 entsprechende Ereignisse beobachtet werden konnten.

Für ihre Studie kombinierten die Wissenschaftler ihre drei Exoplaneten-Funde mit sieben weiteren Entdeckungen aus weiteren Mikrogravitationslinseneffekt-Untersuchungskampagnen sowie mit der großen Zahl von Fällen, in denen bei entsprechenden Suchen keine Planeten nachgewiesen werden konnte. Diese erfolgten Nicht-Detektionen sind für eine aussagekräftige statistische Analyse genauso wichtig wie die entdeckten Planeten. Das Ergebnis der Studie: In unserer Milchstraße scheint eine große Zahl von Planeten zu existieren.

So dürfte etwa jeder sechste Stern von einem Planeten mit der Masse des Jupiters umkreist werden. Etwa jeder zweite Stern sollte von einem Planeten mit Neptunmasse und zwei Drittel der Sterne von einer Super-Erde umkreist werden. Die Studie berücksichtigte dabei Planeten zwischen der fünffachen Masse der Erde und der zehnfache Masse des Jupiter, welche ihren jeweiligen Stern in einem Abstand zwischen 75 Millionen und 1,5 Milliarden Kilometer umkreisen. Dies entspricht – übertragen auf unser Sonnensystem – dem Bereich von der Umlaufbahn des Planeten Venus bis hin zur Umlaufbahn des Saturn.

Zusammenfassend deuten die Resultate der Studie deutlich darauf hin, dass die Sterne in unserer Heimatgalaxie durchschnittlich von mehr als einem Planeten begleitet werden. Planeten um andere Sterne wären demzufolge nicht länger die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel.

„Früher ging man davon aus, dass die Erde in unserer Heimatgalaxie einzigartig sein könnte. Jetzt sieht es eher danach aus, als gäbe es in der Milchstraße Milliarden von Planeten mit einer Masse ähnlich der Erde“, so die Schlussfolgerung von Daniel Kubas von der Europäischen Südssternwarte, einer der Co-Autoren des Fachartikels.

Die hier kurz vorgestellte Studie von Arnaud Cassan et al. wurde am 12. Januar 2012 unter dem Titel „One or more bound planets per Milky Way star from microlensing observations“ in der Fachzeitschrift Nature publiziert.

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