Was die reflektierte Strahlung von Exoplaneten verraten könnte – Forschungsteam der Astrophysik entwickelt Simulationsverfahren für die zukünftige Untersuchung von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Eine Pressemeldung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).
Als 1995 der erste Planet außerhalb unseres Sonnensystems gefunden wurde, war das eine Sensation, die später mit dem Physik-Nobelpreis gewürdigt wurde. Hatte man vorher nur darüber spekulieren können, ob unser Sonnensystem mit seinen acht Planeten einzigartig sei, sind in der Zwischenzeit über 4.000 solcher sogenannten Exoplaneten entdeckt worden. Weiterhin unbeantwortet ist jedoch die Frage, ob es Leben in den Planetensystemen um andere Sterne gibt.
Ein Forschungsteam aus dem Institut für Theoretische Physik und Astrophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat jetzt ein umfangreiches Simulationsverfahren entwickelt, das Rückschlüsse auf die Eigenschaften von Exoplaneten aus der von ihnen reflektierten Strahlung zulässt. Es schafft die Grundlage für zukünftige Observatorien und Beobachtungsinstrumente, mit denen man Antworten auf die Frage nach Leben auf anderen Planeten einen Schritt näherkommen könnte. Ihre neue Methode stellten die Forschenden kürzlich in einem Artikel in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics vor.
„Die Antwort auf die Frage nach Leben außerhalb unseres Sonnensystems hätte sicherlich weitreichendere Folgen für unser kosmisches Selbstverständnis als alles andere, was wir bisher über das Universum herausgefunden haben“, sagt Sebastian Wolf, Professor für Astrophysik an der CAU. Zusammen mit seiner Arbeitsgruppe „Stern- und Planetenentstehung, Exoplaneten“ gehört er zu den Astrophysikerinnen und Astrophysikern weltweit, die die Suche nach Antworten intensiv vorbereiten. Als vielversprechendster Weg gilt die Untersuchung der Atmosphäre der Exoplaneten. Da die Entfernungen jedoch viel zu groß sind, um Raumsonden zu den Exoplaneten zu schicken, bleibt nur die Möglichkeit, die Strahlung der Exoplaneten mit entsprechenden Observatorien und Beobachtungsinstrumenten zu beobachten.
Reflektierte Strahlung verrät physikalische und chemische Eigenschaften der Planeten
Planeten reflektieren die Strahlung ihres Zentralsterns, den sie – wie unsere Erde die Sonne – umkreisen. Daraus lassen sich Informationen über die physikalischen und chemischen Eigenschaften ihrer Atmosphäre, Landmassen und Ozeane ableiten. Sie könnten Antworten geben auf Fragen wie: Besitzt der Planet eine Atmosphäre und woraus besteht sie, wie ausgeprägt ist sie? Gibt es Wolken und überdecken sie den gesamten Planeten? Sind die Landmassen wüstenartig oder mit Schnee oder Vegetation bedeckt? Existieren Ozeane und Wellen, die Einblicke in die Wechselwirkung von Atmosphäre und Ozean geben könnten? Hat der Planet Satelliten oder Ringe?
Doch nicht nur die Entschlüsselung dieser Informationen gestaltete sich bislang als schwierig. Auch das schwache Licht der Exoplaneten, die zusätzlich auch noch von ihren Zentralsternen überstrahlt werden, erschwert die Beobachtung. Vor diesem Hintergrund hat Moritz Lietzow im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Professor Sebastian Wolf ein Simulationsverfahren entwickelt, mit dem sich neben der reflektierten Strahlung auch ihre Polarisation auf bisher umfangreichste und genaueste Weise berechnen lässt. „Die Polarisation ist eine Eigenschaft des Lichtes, die für das menschliche Auge im Gegensatz zu Farben und Helligkeiten nicht sichtbar ist. Im Alltag kommt man mit dem Begriff ‚Lichtpolarisation‘ am ehesten beim Kauf einer Sonnenbrille oder einer Fotoausrüstung in Berührung, wenn es darum geht, den Kontrast zu erhöhen und Spiegelungen zu verringern“, erklärt Lietzow, Erstautor des Artikels. Für die Erforschung von Exoplaneten wird die Polarisation in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, da in ihr Eigenschaften des von ihm reflektierten Lichtes verschlüsselt sind. „Das wiederum lässt Rückschlüsse auf die grundlegende Beschaffenheiten von Exoplaneten zu, die uns ansonsten verborgen blieben.“
Neues Simulationsverfahren könnte Untersuchungen an Exoplaneten entscheidend vorantreiben
Auch ein anderes Problem soll mit dem neuen Verfahren entschärft werden: Häufig lässt die Analyse des einfachen Lichtspektrums keine eindeutigen Aussagen zu. Zieht man die Polarisation als zweiten Faktor hinzu, sollen in Zukunft klare Aussagen zu der Beschaffenheit der Oberfläche und Atmosphäre von Exoplaneten möglich werden.
„Noch steckt die tatsächliche Beobachtung extrasolarer Planeten im polarisierten Licht in den Kinderschuhen. Das hier entwickelte Simulationsverfahren kann aber eine wichtige Doppelrolle einnehmen und so die Entwicklung dieses Forschungsgebietes entscheidend vorantreiben“, so Wolf. Zum einen wird es Vorhersagen zu dem erwarteten Polarisationssignal von Exoplaneten erlauben. Hieraus lassen sich Vorgaben für den Bau neuer, speziell für diese Messungen designter Beobachtungsinstrumente ableiten. Zum anderen wird hiermit die Grundlage für die Analyse zukünftiger Beobachtungen geschaffen, mit der man der Antwort nach Leben auf Exoplaneten – mindestens – etwas näherkommen wird, so die Überzeugung des Kieler Forschungsteams.
Originalpublikation:
Three-dimensional continuum radiative transfer of polarized radiation in exoplanetary atmospheres,
M. Lietzow, S. Wolf and R. Brunngräber,
Astronomy & Astrophysics, 645 (2021) A146
Über den CAU-Forschungsschwerpunkt KiNSIS:
Auf der Nanoebene herrschen andere, quantenphysikalische, Gesetze als in der makroskopischen Welt. Strukturen und Prozesse in diesen Dimensionen zu verstehen und die Erkenntnisse anwendungsnah umzusetzen, ist das Ziel des Forschungsschwerpunkts »Nanowissenschaften und Oberflächenforschung« (Kiel Nano, Surface and Interface Science – KiNSIS) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). In einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaften und Life Sciences könnten daraus neuartige Sensoren und Materialien, Quantencomputer, fortschrittliche medizinische Therapien und vieles mehr entstehen. (www.kinsis.uni-kiel.de)
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